Amsterdam. Der BVB wurde bei Ajax Amsterdam vorgeführt. Das wirft Fragen auf. Sportdirektor Michael Zorc fordert eine Reaktion von der Mannschaft.
Amsterdam am Mittwochmorgen, graue Wolken schmiegen sich an das Dach des Hauptbahnhofs. Auf der Baustelle nebenan ruckelt ein Bagger über die Erde, weiter entfernt hupen Autos. Nur ein paar vereinzelte schwarz-gelbe BVB-Fans erinnern an den bemerkenswerten Champions-League-Abend einen Tag zuvor.
Die Spieler von Borussia Dortmund verließen die Niederlande ohnehin schon in der Nacht, nachdem Ajax Amsterdam sie hinweggefegt hatte wie eine Windböe einen verängstigten Haufen Laubblätter. 0:4 (0:2) verlor der BVB – dieses Ergebnis steht nun als höchste Königsklassen-Pleite in den Gesichtsbüchern des Revierklubs.
Ajax Amsterdam faszinierte so, wie es der BVB gerne tun würde
Einfach zur Tagesordnung übergehen lässt sich daher nicht in Dortmund, dafür klaffte zwischen Anspruch und Wirklichkeit ein noch größeres Loch, als es der Bagger am Mittwoch in Amsterdam schaufelte. Das räumt auch Michael Zorc am Mittwoch im Gespräch mit dieser Redaktion ein. „Wir haben nicht als Borussia Dortmund stattgefunden. Ajax hat uns eine Lehrstunde erteilt“, sagt der Sportdirektor. Vor dem Anpfiff hatten viele den BVB als Favoriten in der Gruppe C bezeichnet. Anschließend konnte jeder bestaunen, wie Ajax so faszinierte, wie es die Borussia unter Trainer Marco Rose gerne tun würde.
Wieder mal begleiten den Verein jetzt Fragen nach dem Charakter der Spieler. Wieder mal stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Qualität des Kaders. Wieder mal steigt der Druck schon früh in der Spielzeit. Am Samstag (15.30 Uhr/Sky und live in unserem Ticker) hat die Borussia in der Bundesliga bei Arminia Bielefeld die Chance, eine Reaktion zu zeigen.
In 14 Tagen sollte Roses Elf im nächsten Gruppenspiel gegen Amsterdam Wiedergutmachung betreiben. Für das eigene Seelenheil und damit die Qualifikation für das Achtelfinale in der Königsklasse nicht in Gefahr gerät. Der Tabellendritte Sporting Lissabon (3) liegt nach seinem Sieg über den Letzten Besiktas Istanbul (0) nur noch drei Zähler hinter dem Tabellenzweiten aus Dortmund (6).
BVB-Defensive schwankt auch in der Bundesliga
Eigentlich ist der Start in diese Saison gerade aufgrund der komplizierten Vorbereitung gelungen. Aber in der Bundesliga kassierte der Klub schon 14 Gegentore. In Amsterdam spürten die Dortmunder jetzt, dass es mit einer derart schwankenden Abwehr nicht reicht für die großen Ziele. Und dass es im mutigen System von Rose, das einen Fokus auf das Mittelfeldzentrum legt, große Abstimmungsschwierigkeiten gibt.
Die Folge: Frust. Erling Haaland entschuldigte sich direkt nach dem Schlusspfiff bei den Dortmunder Fans auf der Tribüne. Tränen füllten seine Augen. Marco Reus schleuderte seine Schienbeinschoner auf den Rasen. Durch das Eigentor des Kapitäns begann das Unheil (11.). Daley Blind (25.), Antony (57.) und Sebastien Haller (72.) demütigten den BVB. Marco Rose beantwortete auf der Pressekonferenz die erste Frage, wie sich diese Niederlage denn angefühlt habe, mit zunächst nur einem Wort: „Beschissen.“
BVB-Trainer Marco Rose: „Meine Mannschaft hat Charakter“
Ehe der Trainer das rhetorische Kunststück vollbrachte, sich einerseits vor seinen Spielern zu positionieren. „Meine Mannschaft hat Charakter“, sagte Rose. Diese andererseits aber für ihre Körpersprache zu kritisieren. „Man muss in jedem Moment zeigen, dass man daran glaubt, das Spiel noch gewinnen zu können“, erklärte der 45-Jährige. In einem ersten Interview beim Streamingdienst Amazon Prime empfahl er seinen Fußballern sogar einen Blick Richtung FC Bayern. „In München winkt ein Joshua Kimmich nicht nur ab, der ist dann richtig sauer.“ Dies sei vielleicht der Unterschied.
Den Profis selbst blieb nichts anderes übrig, als die eigene Leistung zu bemängeln „Wir waren in allen Belangen die klar schlechtere Mannschaft. Man kann davon sprechen, dass wir mit dem 0:4 noch gut bedient waren“, sagte Mats Hummels. „Es stand nicht auf dem Plan, dass wir hier so untergehen“, meinte Marco Reus. „Wir haben unsere Grenzen aufgezeigt bekommen“, erklärte Julian Brandt, der am Tag vor dem Spiel noch von dem großen Selbstbewusstsein innerhalb der Mannschaft geschwärmt hatte. Nun gut.
Die BVB-Ziele bleiben greifbar
Immerhin kann den BVB besänftigen, dass die Lehrstunde in Amsterdam zwar schmerzt, die Ziele in der Spielzeit jedoch greifbar bleiben. In der Bundesliga stehen die Dortmunder nur einen Punkt hinter dem FC Bayern auf Rang zwei, der Sprung ins Champions-League-Achtelfinale ist weiterhin realistisch. In der zweiten Runde des DFB-Pokals mischt der Klub außerdem mit. Man müsse in den nächsten Spielen zeigen, meint Michael Zorc, „dass das Gesicht, das wir in Amsterdam gezeigt haben, nicht unser wahres Gesicht ist, dass das nicht Borussia Dortmund ist“.
Die erste BVB-Chance bietet sich dafür in Bielefeld.