Istanbul. In der Champions League verblüfft Jude Bellingham gleich mehrmals. Der erst 18-Jährige scheut sich nicht, ein Stadion gegen sich aufzubringen.

Am Ende wurde es noch mal chaotisch, und einige Menschen in Schwarz-Gelb wuselten hektisch durch den Vodafone-Park von Istanbul, weil nicht alles so lief wie geplant. Der Bus von Borussia Dortmund nämlich war nicht vor der Mannschaftskabine, wo er hätte sein sollen – sondern hing hinter einigen Autos und noch mehr Menschen in den ohnehin schon engen Stadionkatakomben fest.

Es war anspruchsvolle Millimeterarbeit des Busfahrers gefordert, bis die Abfahrt vollbracht war und die Auswärtsreise zu Besiktas Istanbul endgültig ein gutes Ende nahm. Der BVB hatte sich zum Champions-League-Auftakt ja über einen 2:1 (2:0)-Sieg gefreut, der noch viel zu knapp ausfiel. Auch auf dem Platz war es zeitweise chaotisch zugegangen, auch da waren Widrigkeiten zu überstehen, auch da war es zum Ende hin viel zu eng geworden.

BVB-Torwart-Kobel schwärmt von seinem Mitspieler

Es ging aber auch da alles gut – weil der Jüngste und Unerfahrenste in den entscheidenden Phasen die Übersicht behielt: Jude Bellingham, 18 Jahre alt, schoss erst auf Vorlage von Thomas Meunier das 1:0 (20.), bereitete dann durch ein Solo samt präzisem Pass auf Erling Haaland das 2:0 (45.+3) vor und leistete auch ansonsten wertvolle Arbeit: „Er hat die ganze Zeit gekämpft, sich auch defensiv in alle Bälle reingeworfen“, lobte Torhüter Gregor Kobel. „Das ist ein super Junge mit viel Qualität.“

Kobel (23) war ein weiterer aus der Riege noch jüngerer BVB-Spieler, die in Istanbul Impulse setzten, mit seiner Glanzparade gegen den Ex-Dortmunder Michy Batshuayi verhinderte er den frühen Rückstand. Haaland (21) traf natürlich erneut – aber wie Bellingham in der hitzigen Atmosphäre von Istanbul agierte, beeindruckte besonders. Lautstark schrien die rund 20.000 Zuschauer ihre Mannschaft nach vorne; noch lauter pfiffen sie, wenn die Dortmunder am Ball waren.

Hier beim Torjubell: Erling Haaland (hinten) und Jude Bellingham.
Hier beim Torjubell: Erling Haaland (hinten) und Jude Bellingham. © getty Images

Und das ließ die BVB-Profis nicht los, nervös und hektisch wirkten sie in der Anfangsphase. „Wir hatten in den ersten 20 Minuten Probleme“, räumte Trainer Marco Rose ein, „das Tor hat uns geholfen.“ Es brachte Ruhe auf den Rasen und auf die Ränge – zumal Torschütze Bellingham vor dem harten Kern der Besiktas-Fans auch noch den Finger zur Schweigegeste auf die Lippen legte. Ein forsches Auftreten, das auch die Vorgesetzten in Staunen versetzte.

Eigentlich ist Bellingham ein ruhiger, zurückhaltender, höflicher Junge. Auf dem Platz aber wird der Engländer zum giftigen Kämpfer, der die Interaktion mit den Rängen braucht. Im Dortmunder Stadion ist er es regelmäßig, der die Fans zu noch mehr Lautstärke anstachelt – und nun bewies er in Istanbul, dass er es auch positiv zu kanalisieren weiß, wenn er ein ganzes Stadion gegen sich hat. Nicht die schlechteste Eigenschaft für einen Fußballprofi.

Hat dieser junge Mann überhaupt Schwächen? „Natürlich“, antwortete Manager Michael Zorc knochentrocken. „Er hätte noch mehr Tore schießen können.“ Es war nur halb als Scherz gemeint. Bellingham hatte nämlich nur eine von mehreren richtig guten BVB-Chancen liegen lassen.

BVB: Langsam gehen die Kräfte aus

Fehlende Effizienz, die sich fast gerächt hatte. Denn so wurde es noch mal richtig eng, als Francisco Montero in der Nachspielzeit den Anschlusstreffer für Besiktas erzielte. Außerdem musste der BVB wieder bis zum Schlusspfiff höchsten Aufwand betreiben, er konnte auf dem stumpfen Rasen und in schwüler Umgebung keinen Gang rausnehmen. Rose kann seinen Stammspielern schon seit Wochen kaum Pausen gönnen, weil wegen der vielen Verletzten die Alternativen fehlen.

Und so schwanden die Kräfte und mit ihnen die Spielkontrolle. Nach einer guten Stunde musste Bellingham ausgepumpt vom Platz, zuvor hatte schon Julian Brandt mit Adduktorenproblemen das Feld geräumt. Rose musste wieder einmal gehörig improvisieren. Nun aber ist immerhin etwas Regenerationszeit, bevor es am Sonntag in der Bundesliga gegen Union Berlin (17.30 Uhr/DAZN) weitergeht. In mindestens einer Hinsicht dürfte es aber deutlich entspannter zugehen: Der Mannschaftsbus hat am Dortmunder Stadion erheblich mehr Platz.