Dortmund. BVB-Präsident Reinhard Rauball wünscht sich einen Derbysieg – und dem Gegner Schalke 04 dennoch den Klassenerhalt. Das Interview.
Das Revierderby am Samstag (18.30 Uhr/Sky) beim FC Schalke 04 wird Reinhard Rauball (74) auf der Tribüne verfolgen. Der BVB-Präsident hat in seinen insgesamt drei Amtszeiten schon einige Krise überstanden. Die Probleme durch die Corona-Pandemie stellen ihn aber vor ungeahnte Aufgaben, wie er im Interview verrät, das aufgrund des Infektionsschutzes am Telefon stattfand.
Herr Rauball, erleben Sie am Samstag Ihr letztes Derby als BVB-Präsident?
Reinhard Rauball: Welche Begründung haben Sie dafür?
Damit es nicht Ihr letztes wird, müssten Sie vermutlich eine weitere Amtszeit als Präsident arbeiten – oder aber Schalke darf nicht absteigen. Also kandidieren sie 2022 noch einmal?
Reinhard Rauball: Ich bin in schwierigen Lagen noch nie weggelaufen. Und die Corona-Krise ist derzeit so kompliziert, weil das Ende überhaupt nicht abzusehen ist. Ich werde meine Amtszeit ausfüllen, wie es dann aussieht, werden wir sehen. Darüber wird der Wahlausschuss entscheiden. Beim BVB wird demokratisch vorgegangen.
Und steigt Schalke ab?
Reinhard Rauball: Ich drücke ihnen die Daumen, dass sie den Klassenerhalt schaffen. Denn ich sehe Schalke 04 als essenziellen Bestandteil der Bundesliga an. Seit der Gründung der Bundesliga und schon davor war Schalke immer ein Eckpfeiler des deutschen Fußballs. Aber natürlich ist es eine schwere Aufgabe für sie.
Wer gewinnt am Samstag?
Reinhard Rauball: Wir werden mit aller Macht versuchen, die drei Punkte zu holen. Das wird die Mannschaft tun, aber das wird sie auch tun müssen.
Warum?
Reinhard Rauball: Unsere Mannschaft hat es gut bei Borussia Dortmund. Deswegen muss sie auch das einlösen, was die Fans, was die Mitglieder, was die Mitarbeiter erwarten, also vollen Einsatz. Die Fans haben ein Recht darauf, das zu erwarten. Als Gegenleistung für die Liebe, die sie für den BVB an den Tag legen. Die Leistung in Sevilla war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Nun geht es um Verstetigung.
BVB-Präsident Reinhard Rauball vermisst die Fans
Was sind Gründe für die Probleme?
Reinhard Rauball: Wir haben zum Beispiel vier Heimspiele verloren. Dafür ist Borussia Dortmund in der Vergangenheit nicht bekannt gewesen, weil wir die unfassbare Unterstützung unserer Fans hatten. Unsere Fans haben dazu beigetragen, dass viele gegnerische Spieler mit schlotternden Knien bei uns eingelaufen sind. Doch die Fans fehlen. Das spüren wir bei den Ergebnissen und auch bei der Leidenschaft der Spieler.
Tut ihnen Trainer Edin Terzic leid?
Reinhard Rauball: Warum sollte er mir leid tun? In diesem Geschäft muss sich niemand beschweren, wenn die Probleme größer sind, als man sich das manchmal gedacht hat. Und das macht auch Edin Terzic selbstverständlich nicht. Er kann für sich in Anspruch nehmen, dass alle BVB-Verantwortlichen ihn unterstützen.
Sie mussten den BVB im Jahr 2005 vor dem Bankrott retten. Ist diese Zeit vergleichbar mit der aktuellen Schalker Krise?
Reinhard Rauball: Das ist nicht vergleichbar. Aber wie es bei Schalke 04 genau aussieht, das wissen nur die Verantwortlichen. Wichtig ist, dass man in solchen Situationen den Kragen hochkrempelt und dann alle Mittel ausschöpft, die zur Verfügung stehen. Dabei muss man auch ein ganz gehöriges Quantum Glück haben. Wenn ich zum Beispiel an die Veranstaltung am Düsseldorfer Flughafen zurückdenke…
... 2005 fand dort während der finanziellen Krise die entscheidende Abstimmung über die Zukunft des Vereins statt.
Reinhard Rauball: Wenn das schiefgegangen wäre, dann hätte es ganz, ganz böse ausgehen können. Aber wir haben unserer Sanierungspläne genehmigt bekommen.
Konnten Sie sich damals vorstellen, dass der BVB am Samstag als zweite Kraft im deutschen Fußball zum Derby nach Schalke reisen?
Reinhard Rauball: Wir haben viele Stunden, viele Tage, viele Monate damit verbracht, überhaupt zu überleben. Da denkt man überhaupt nicht daran, ob man irgendwann wieder ganz oben stehen kann. Aber wir sind stolz darauf, anschließend zweimal Meister geworden zu sein und auch den DFB-Pokal gewonnen zu haben.
Sie blicken auf viele Jahre im Profifußball zurück. Wie würden Sie die Zeit früher mit der aktuellen vergleichen?
Reinhard Rauball: Früher wurde der Fußball von einem größeren Stück Romantik begleitet. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich Rüdiger Abramczik 1980 von Schalke verpflichtet habe. Er hat bei mir zu Hause gesessen mit seinem Berater, dem leider schon verstorbenen Toni Preuß. Wir haben die wesentlichen Dinge durchgesprochen und uns dann die Hand gegeben. Abi rief mich nachmittags an und sagte: ‚Nur damit Sie Bescheid wissen, mich hat der Uli Hoeneß gerade angerufen. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich Ihnen schon die Hand gegeben habe.‘ Heute wäre solch ein Handeln sicher keine Selbstverständlichkeit.
Bedauern Sie das?
Reinhard Rauball: Nein, jede Zeit hat ihre guten und ihre schwierigen Seiten.
BVB-Präsident Reinhard Rauball nennt sein bitterstes Derby
Kurz und knapp. Was war Ihr bitterstes Derby?
Reinhard Rauball: Das bitterste war das 4:4 im Jahr 2017. Wir hatten im eigenen Stadion schon 4:0 zur Halbzeit geführt und dann noch 4:4 gespielt.
Das verrückteste?
Reinhard Rauball: Als Torhüter Jens Lehmann 1997 das 2:2 in der letzten Minute für Schalke geköpft hat.
Das schönste?
Reinhard Rauball: All diejenigen, die wir gewonnen haben. Das waren ja schon ein paar.
Was macht den Reiz des Derbys aus?
Reinhard Rauball: Die Rivalität. Für mich ist es nach wie vor die Mutter aller Derbys. Alle Fans fiebern diesem Spiel schon lange entgegen, überall im Alltag wird über das Derby diskutiert, jeder kann etwas dazu beitragen. Es wird gefrotzelt. Es knistert vor Spannung.