Dortmund. Der frühere BVB-Profi Knut Reinhardt erinnert sich in unserer Serie an ein ganz verrücktes Derby - und an das besondere Gefühl im Jahr 1997.

Die Voraussetzungen waren noch ganz andere damals, in diesem Derby, das Knut Reinhardt als erstes einfällt. "Damals waren die Mannschaften ausgeglichener", sagt der frühere Profi von Borussia Dortmund im Gespräch mit dieser Redaktion. "Wir waren Champions-League-Sieger, Schalke hatte den Uefa Cup gewonnen. Das waren sehr offene Spiele."

Damals, das war im Jahr 1997, genauer gesagt: am 19. Dezember 1997, kurz vor Weihnachten also. Der BVB führte im eigenen Stadion 2:1, auch kurz vor Schluss noch. Dann schoss Schalke noch den Ausgleich, es war ein historisches Tor - Reinhardt allerdings war daran schuldlos, er hat ein gutes Alibi: "Ich habe von Johan de Kock eine Art Kopfnuss bekommen und hatte eine Platzwunde", erinnert er sich. "Ich musste in der 86. Minute ausgewechselt werden. Und dann hatte Schalke in der Nachspielzeit noch eine Ecke und Jens Lehmann hat tatsächlich noch das 2:2 geköpft. Daran kann ich mich noch genau erinnern."

Typen auf dem Platz, die polarisierten

Es war das erste Bundesligator eines Torhüters aus dem Spiel heraus und einer von vielen besonderen Momenten in den bisherigen Derbys. "Es war eigentlich immer etwas packendes, auf Augenhöhe", sagt Reinhardt. Damals vielleicht noch mehr als heute, nicht nur, weil heute von Augenhöhe keine Rede mehr sein kann: "Es waren Typen auf dem Platz, die polarisiert haben, auf beiden Seiten", erinnert sich der frühere Mittelfeldspieler. "Die Fankultur war vielleicht etwas extremer als heute. Die Spieler waren noch mehr zum Anpassen für das Publikum. Die Atmosphäre war vielleicht auch etwas griffiger und ehrlicher."

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Für die Spieler war es "immer ein Highlight, da brauchte der Trainer uns gar nicht mehr motivieren. Das Stadion war voll, man hätte locker 200.000 Menschen ins Westfalenstadion oder ins Parkstadion bekommen. Da wollte ja jeder hin."

"Ruhrpott"-Rufe im Stadion

Und nicht nur wegen des Lehmann-Treffers war das Jahr 1997 ein außergewöhnliches Derby-Jahr: Dortmund holte die Champions League, Schalke gewann den Uefa Cup - und dazu herrschte eine besondere Atmosphäre, "Ruhrpott"-Rufe hallten durch die Stadien. "Wir haben jahrelang unter dieser Bayern-Dominanz gelitten", erklärt Reinhardt heute. "Dortmund hat sich stetig verbessert, wir haben die Bayern in den 90er-Jahren dann vom Thron gestoßen. Und Schalke hatte auch eine qualitativ großartige Mannschaft mit richtigen Typen wie Marc Wilmots oder Youri Mulders."

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Es erwuchs ein neues fußballerisches Selbstbewusstsein: "Das Ruhrgebiet war ja verpönt", erzählt der frühere BVB-Profi. "Viel Arbeitslosigkeit, keine Zukunftsperspektive, das wurde aus Bayern ja immer ein bisschen belächelt. Von daher war das auch eine Genugtuung für die Menschen. Diese netten, einfachen, ehrlichen Menschen haben den hochnäsigen Bayern gezeigt, dass der Fußball im Ruhrgebiet zu Hause ist."

"Ich kann mir die Bundesliga ohne Schalke nicht vorstellen"

Im Ruhrgebiet werde der Fußball eben gelebt. "Und deswegen konnte man auch mal wochenlang mit den Blau-Weißen feiern, wenn die so etwas erreicht haben. Da kann man auch mal über solche Rivalitäten hinwegsehen."

In Zukunft werden die Fans auf solche Gefühle wohl verzichten müssen. "Ich kann mir nicht vorstellen, das Schalke nochmal die Kurve kriegt", sagt der 52-Jährige mit großem Bedauern. "Ich kann mir die Bundesliga ohne Schalke gar nicht vorstellen. Es wäre unfassbar schade, wenn so ein Traditionsverein den Gang in die 2. Bundesliga antreten müsste. Aber das kommt ja nicht von heute auf morgen, das ist das Ergebnis eines längeren Prozesses."

Zur Einstimmung auf das Revierderby zwischen Schalke 04 und Borussia Dortmund versorgen wir Sie bis zum Spiel am Samstag täglich mit unserer Serie "Das war mein Derby". Ehemalige und aktive Profis von Schalke und dem BVB sprechen dabei über unvergessliche Derby-Momente.

Die vorangegangenen Teile unserer Serie zum Revierderby zwischen Schalke und dem BVB