Frankfurt. Wegen möglicher Steueraffären wurde die DFB-Zentrale durchsucht – auch die Wohnung von BVB-Präsident Rauball. Es geht um die Jahre 2014 und 2015.

Man hat beim krisengeschüttelten Deutschen Fußball-Bund inzwischen einige Routine im Umgang mit Skandalen und Affären. Und doch wirkte DFB-Präsident Fritz Keller ehrlich betroffen, als er sich am Mittwoch zu dem äußerte, was wenige Stunden zuvor passiert war: Da nämlich waren Ermittler zu Durchsuchungen vorgefahren an der Verbandszentrale in Frankfurt und an sechs Privatwohnungen im Bundesgebiet, bei aktuellen und ehemaligen Verbandsfunktionären. Insgesamt 200 Beamte kamen in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz zum Einsatz. Ihr Vorwurf: schwere Steuerhinterziehung. Ein Vorwurf, der den Verband ins Mark trifft.

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„Ich kann nur sagen, dass wir in der Angelegenheit vollumfänglich kooperieren werden“, versprach der schockierte Keller. „Ich bin angetreten für eine Öffnung und Transparenz. Und eigentlich kann ich eine staatliche Unterstützung in den Untersuchungen nur begrüßen.“ Keller selbst steht nicht im Fokus der Ermittler. Er ist erst seit 2019 im Amt, die aktuellen, reichlich komplizierten Vorwürfe betreffen die Jahre 2014 und 2015.

Dabei sollen Erlöse aus der Bandenwerbung von Heimländerspielen der Fußball-Nationalmannschaft „bewusst unrichtig als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt“ worden sein, so teilt es die Staatsanwaltschaft Frankfurt mit. Damit sei der DFB einer Besteuerung in Höhe von etwa 4,7 Millionen Euro entgangen.

DFB-Affäre: Wohnung von BVB-Präsident Rauball betroffen

Namen nannte die Behörde nicht. Nach Informationen dieser Redaktion allerdings wurde die Privatwohnung des früheren DFB-Vizepräsidenten Reinhard Rauball in Herdecke durchsucht. Einem Bild-Bericht zufolge fuhren Ermittler außerdem bei dem aktuellen Vizepräsidenten Reinhard Koch, dem früheren DFB-Präsidenten Reinhard Grindel, Ex-Generalsekretär Helmut Sandrock, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Generalsekretär Friedrich Curtius vor.

Sie hüllten sich am Dienstag in Schweigen. Nur Grindel bestätigte dem Handelsblatt die Durchsuchung, beteuerte aber, „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt zu haben. Und Wolfgang Niersbach, zur damaligen Zeit DFB-Präsident, erklärte, dass bei ihm keine Ermittler vorstellig geworden seien.

Das dürfte mit seinem Rücktritt im November 2015 zu tun haben. Denn die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die Jahre 2014 und 2015, die dem Verband nun solche Probleme bereiten, wurden nach Informationen dieser Redaktion nicht mehr von Niersbach unterzeichnet – sondern von den Interimspräsidenten Rauball und Koch sowie dem damaligen Schatzmeister Grindel.

Vertrag mit Infront wird untersucht

Im Kern geht es um einen Vertrag vom 11. Dezember 2011 zwischen dem DFB und dem Unternehmen Infront. Der DFB verpachtete die Rechte an der Bandenwerbung rund um seine Länderspiele an die Schweizer Vermarktungs-Agentur. Das Problem: Infront musste sich dazu verpflichten, keine Rechte an der Bandenwerbung bei Heimländerspielen der Nationalmannschaft an Konkurrenten des damaligen Generalsponsors Mercedes und des Gene

Laut Staatsanwaltschaft soll der DFB „aktiv bei der Vergabe der Bandenwerbeflächen mitgewirkt haben“, was steuerrechtlich gravierende Folgen hat: Die Einnahmen konnten aus Sicht der Ermittler nicht mehr dem Bereich Vermögensverwaltung zugerechnet werden, für den der DFB als gemeinnütziger Verein keine Steuern zahlen muss – sondern waren „dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen“ und somit zu versteuern. Von einem Versehen geht die Staatsanwaltschaft Frankfurt nicht aus: „Nach den bisherigen Ermittlungen besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten von dieser steuerlichen Unrichtigkeit wussten, sie aber bewusst wählten, um dem DFB hierdurch einen Steuervorteil von großem Ausmaß zu ermöglichen“, erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.

Bandenwerbung bereitet DFB schon länger Probleme

Das Thema Bandenwerbung bereitet dem Verband schon länger Probleme: Erst im Juni hatte der DFB den Vertrag mit dem langjährigen Partner Infront Knall auf Fall gekündigt, weil es „klare Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Zustandekommen und der Erbringung von Vertragsleistungen von Infront sowie unrechtmäßige Einflussnahmen auf DFB-Vertreter“ gegeben habe. In anderen Worten: Korruption. Und in der Affäre rund um die Sommermärchen-Affäre mit den in Katar verschollenen 6,7 Millionen Euro läuft noch immer ein Steuerverfahren in Frankfurt.

Mit diesen Altlasten wollte der Verband eigentlich abschließen. Der neue DFB-Präsident Keller hatte eine Generalinventur angestoßen, die Aufklärung liefern sollte über die unappetitlichen Ereignisse der Vergangenheit. Statt neuer Antworten aber gibt es jetzt erst einmal viele neue Fragen.