Bad Ragaz. Borussia Dortmund muss weiterhin auf Marco Reus verzichten. Ersatz gibt es im eigenen Team. Giovanni Reyna könnte der Institution Druck machen.
Giovanni Reyna braucht nur eine kleine, kaum wahrnehmbare Bewegung mit dem Fuß, schon hat der Offensivspieler von Borussia Dortmund den Ball rechts am heranstürzenden Axel Witsel vorbeigelegt, ist selbst links vorbeigelaufen – und hat im Training des Fußball-Bundesligisten am Freitag wieder einmal gezeigt, wie außergewöhnlich gut er mit seinen 17 Jahren schon mit dem Ball umgehen kann. Da werden im Trainingslager im Schweizer Bad Ragaz auch so erfahrene Spieler wie der 31 Jahre alte Witsel schon mal düpiert.
„Er ist sehr, sehr clever“, schwärmt sein Trainer Lucien Favre. „Er läuft viel, verteidigt auch sehr richtig, das ist wichtig für einen Angreifer. Er macht das sehr gut.“ Der Schweizer hält große Stücke auf Reyna, seit er den damals 16-Jährigen vor einem Jahr mit den Profis in die USA reisen ließ. Gegen Ende der abgelaufenen Spielzeit konnte das Toptalent seine Qualitäten schon in der Bundesliga und der Champions League nachweisen, im ersten Testspiel beim SCR Bad Ragaz (6:0) gehörte er zu Dortmunds Besten.
Reyna formuliert ambitionierte Ziele
Er müsse zwar noch viel lernen, bei den Profis seien die Anforderungen in Sachen Taktik und Tempo deutlich höher als bei den Junioren, sagt Reyna selbst. Ambitionierte Ziele hat er trotzdem: „Ich will mich in die Mannschaft arbeiten und so viele Spiele wie möglich machen“, kündigt der 17-Jährige an. „Ich möchte Stammspieler oder zumindest nah dran sein.“
Auch interessant
Die Chancen sind nicht schlecht. Allerdings dürfte Reyna damit mittelfristig die Diskussionen um jenen Mann deutlich verstärken, der in Bad Ragaz gar nicht dabei ist: Marco Reus. Denn Reynas beste Position ist die des Spielmachers, das sieht er selbst so und sein Trainer auch. Die aber ist in Dortmund reserviert für Reus – zumindest, wenn der gesund ist. Nun fehlt Reus jedoch schon seit mehr als sechs Monaten wegen einer Adduktorenverletzung. Rückkehr offen.
Favre lässt Viererkette trainieren
Was also macht Favre, wenn der Kapitän irgendwann wieder zur Verfügung steht, Reyna aber mit guten Leistungen überzeugt? Es könnte herausfordernd werden, dieses Thema zu moderieren – Reus ist ja nicht irgendwer. Der gebürtige Dortmunder ist das Gesicht des Klubs, bestbezahlter Spieler, wichtigster Werbeträger. Eine Institution, an der ein Trainer nicht ohne überzeugende Argumente rütteln sollte.
Auch interessant
Eine weitere knifflige Frage muss Favre schon deutlich früher klären: Stellt er in der Abwehr eine Dreier- oder Viererkette auf? Im Laufe der Saison hatte der Trainer auch auf Druck aus der Mannschaft und der Führungsetage umgestellt auf eine Formation mit drei Innenverteidigern – äußerst unwillig, denn eine Viererkette ist dem Fußballästheten deutlich lieber. Doch das neue System tat der Mannschaft gut, sie spielte fortan deutlich stabiler.
In Bad Ragaz allerdings wurde im Training bislang ausschließlich die Viererkette einstudiert, auch beim Testspiel gegen Altach spielten die Schwarz-Gelben hinten zu viert. Dafür gibt es gute Gründe, etwa den Abgang von Achraf Hakimi: Der Marokkaner war mit seinem Tempo, seiner Dynamik, den teils aber auch eklatanten Schwächen in der Abwehrarbeit wie geschaffen für die Position auf dem rechten Flügel. Also vor einer Dreierkette.
Meunier steht für Defensive
Sein Nachfolger Thomas Meunier ist offensiv weniger spektakulär, defensiv dafür deutlich sicherer – und damit geeigneter Kandidat für den Rechtsverteidiger-Posten, wenn dieser nicht doppelt und dreifach abgesichert wird. So könnte der BVB einen Spieler mehr im Mittelfeld einsetzen, wo die Auswahl an qualifiziertem Personal üppig ist. Auch das ist ja eine der kniffligen Fragen, die Favre beantworten muss.
Ob der Trainer aber wirklich die Formation wechselt, müssen die kommenden Tage und Wochen zeigen. Für Favre wäre es nicht ohne Risiko: Rückt er ohne Not vom erfolgreich praktizierten System ab, und der Saisonstart ginge schief, stünde der Schweizer sofort massiv in der Kritik. Auch nach zwei Jahren ist der Kredit, der ihm entgegen gebracht wird, überschaubar.