Essen. André Schürrle macht Schluss mit dem Fußball. Ein ungewöhnlicher Schritt in seinem Alter - aber auch ein mutiger und ehrlicher. Ein Kommentar.

Es gibt eine Frage, die man sich eigentlich nicht erst am Ende eines Berufslebens stellen sollte. Sondern beinahe jeden Tag, oder zumindest in regelmäßigen Zeitabständen. Nämlich die: Bin ich mit dem, was ich erreicht habe, zufrieden? Was hat richtig gut geklappt, wo aber kann ich auch noch etwas verbessern? Stillstand ist bekanntlich Rückschritt, und wenn es aus irgendeinem Grund nicht mehr wirklich vorwärts geht, ist es Zeit für Veränderungen.

André Schürrle ist in der überaus privilegierten Situation, sein Berufsleben mit 29 Jahren für beendet erklären zu können. Wann immer er für Leverkusen, Chelsea, Wolfsburg oder Dortmund spielte, hat er sehr viel Geld verdient. So viel, dass es ihm jetzt schon vergönnt ist, der Berufsbezeichnung Fußballprofi ein a.D. anzuhängen.

Schürrle würden weitere Jahre im Ausland nicht glücklich machen

Außer Dienst, das klingt in Schürrles Alter nach: Der wird nicht mehr gebraucht. Das mag so sein, den höchsten sportlichen Ansprüchen ist der Offensivspieler schon länger nicht mehr gerecht geworden. Bei Schürrle ist es aber offensichtlich auch so, dass er für sich gesagt hat: Ich brauche den Fußball nicht mehr. Sich zu diesem Entschluss durchzuringen, verdient Respekt.

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Denn natürlich ist die erste Reaktion: Der kann doch noch ein paar Jahre spielen... Aber das muss eben auch jeder Spieler für sich selbst entscheiden. Ein paar Milliönchen mehr in China, ein paar Milliönchen mehr in der Türkei hätten Schürrle ganz sicher nicht glücklicher gemacht.

Das war er wohl noch vor sechs Jahren, als Schürrle mit der Vorlage zu Mario Götzes Treffer im Maracanã das Märchen vom deutschen WM-Sieg ermöglichte. Für beide, das lässt sich 2020 sagen, war dieser Triumph Fluch und Segen zugleich. Er hat ihnen alle Karrieretüren geöffnet, am Ende sind beide daran aber als Sportler nahezu erstickt. Weil sich Erwartungen von außen als Schlinge immer enger um ihre Hälse legten. Schürrle und Götze selbst wirkten nie überehrgeizig und erst recht nicht auf allen Ebenen widerstandsfähig.

Der Profifußball macht reich, aber auch einsam

Das Show-Business Profifußball mit dem Dauerdruck sowie der nie enden wollenden Gier nach Erfolg und Geld kann die Protagonisten reich, aber auch einsam machen. Schürrle wirkte immer angenehm ruhig, sich und andere hinterfragend. Manchmal womöglich sogar zu sehr. Insofern kann ihm die Vertragsauflösung beim BVB dieser Tage, der letzte formale Akt seiner Karriere, hoffentlich Leichtigkeit zurückgeben. Man muss auch loslassen können. Als Fußballer wirkte er zuletzt leider wie ein verhärmter Ex-Weltmeister, auf der Suche nach dem Glück.

Er hat es anderswo gefunden. Im April sind Schürrle und seine Frau Anna Eltern der kleinen Kaia geworden. Dank seinem ersten Leben als Fußballer braucht sich die Familie keine finanziellen Sorgen mehr zu machen. Nun beginnt ein neues Leben.