Dortmund. Ohne Zuschauer kommt es für den BVB im Derby gegen Schalke vor allem auf die Eigenmotivation an. Im Klub geht die Sorge um, ob das gelingt.

Es hätte dieses Bild nicht mehr gebraucht, um zu zeigen, wie außergewöhnlich die Situation ist, aber es diente doch als gute Illustration: Borussia Dortmunds Trainer Lucien Favre und Sportdirektor Michael Zorc trugen Gesichtsmasken, als sie am Donnerstagmittag das Podium betraten, um über das anstehende Revierderby gegen Schalke 04 (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) zu sprechen. Schwarz, mit einem kleinen BVB-Logo darauf.

Bundesliga in Zeiten von Corona hat mit dem Normalbetrieb wenig zu tun. Das zeigte sich auch daran, dass keine Journalisten anwesend waren, sie hatten ihre Fragen vorab per E-Mail einreichen müssen. Und daran, dass so gut wie gar nicht nicht über den Gegner gesprochen wurde, obwohl es sich doch um den großen Revierrivalen handelt.

BVB-Sportdirektor Zorc blutet das Herz

Aber wenn man so will, gibt es ja jetzt einen größeren, einen gemeinsamen Gegner. Corona hat den Spielbetrieb erst zum Erliegen gebracht. Und jetzt, da es wieder losgeht, braucht es einen extremen Aufwand und viele, viele Sicherheitsvorkehrungen, damit der Ball wieder rollen kann. Die offensichtlichste ist zugleich auch jene, die die Beteiligten am meisten schmerzt: „Ein Derby ohne Zuschauer, da blutet einem das Herz“, sagt Zorc. Er hat 72 dieser Duelle als Spieler und Funktionär erlebt. Und stets waren sie emotionsgeladen, stets voller Leidenschaft, auf dem Platz, aber natürlich auch auf den Rängen.

Und jetzt?

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„Es ist sehr speziell ohne Zuschauer“, sagt Favre. „Was wir sicher brauchen, wenn die Südtribüne nicht besetzt ist und unsere Fans nicht da sind, ist ein höheres Maß an Eigenmotivation und Eigendynamik, um am Samstag erfolgreich zu sein“, meint Zorc.

Was er nicht sagt: Das ist genau der Punkt, der den BVB-Verantwortlichen Sorge bereitet. Dass nämlich ihre Mannschaft mit der ungewohnten Atmosphäre eines leeren Stadions möglicherweise schlechter umgehen kann als andere, dass es ihr schwerer fallen könnte, Eigenmotivation aufzubauen.

Paris-Spiel gibt zu denken

Indizien dafür gibt es reichlich: Im eigenen Stadion ist Borussia Dortmund in der laufenden Saison unbesiegt, hat sie 30 von 36 möglichen Punkten geholt, 41 Tore geschossen und nur zehn kassiert. Auswärts dagegen gab es sechs Siege, drei Unentschieden und vier Niederlagen bei 27:24 Toren.

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Auch das Geisterspiel im März bei Paris Saint-Germain gibt den Verantwortlichen zu denken. Die Dortmunder verspielten die große Chance auf den Vierteilfinal-Einzug in der Champions League, weil sie trotz des 2:1-Siegs im Hinspiel nie die richtige Haltung zum Rückspiel fanden, weil sie nicht nur spielerisch unterlegen waren, sondern auch weniger aggressiv und weniger motiviert schienen – und verdient 0:2 verloren.

BVB-Trainer Frage spricht von mentaler Frage

„Dort konnte kein Spieler das abrufen, was er eigentlich kann“, sagte Torhüter Roman Bürki später. „Ich bin davon überzeugt, dass wir in Paris, als wir am Schluss so viel Druck gemacht haben, mit Zuschauern noch ein Tor gemacht hätten. Diese Stimmung, die uns die Zuschauer vor allem in unserem Stadion geben, die pusht einen natürlich noch mal richtig nach vorne.“

Trainer Favre spricht von einer mentalen Frage und nimmt damit ein Wort in den Mund, das sie in Dortmund gar nicht gerne hören, mit dem sie sich aber nun wieder konfrontiert sehen. Zu allem Überfluss fehlen auch noch die erfahrenen Kräfte Marco Reus, Axel Witsel und Emre Can – wobei andererseits der mögliche Ersatz im Mittelfeld, Thomas Delaney, als wandelnde Motivationsmaschine gilt.

Generalprobe im Stadion

Vieles ist ungewiss, und der BVB hat einiges unternommen, um damit zurecht zu kommen. Am Mittwoch gab es eine Generalprobe im eigenen Stadion, Einlaufmusik inklusive. Sportpsychologe Philipp Laux, der eigentlich erst im Sommer kommen sollte, wurde vorzeitig dazu geholt. Ein Baustein von vielen, damit der Neustart gelingen kann.

Weiter will beim BVB derzeit keiner denken, schon gar nicht an die Meisterschaft, die bei vier Punkten Rückstand auf Bayern München absolut in Reichweite ist. „Jetzt ist nicht der Moment, darüber zu reden“, sagt Zorc angesichts der vielen ungewohnten Umstände. Es gehe erst einmal nur um den Start gegen Schalke – „und dann sehen wir weiter“.