Dortmund. BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eckt in der Corona-Krise an. Dortmund droht ein massiver Verlust - da wankt auch sein Lebenswerk.
Er sei keiner, der sich öffentlich beklagt, sagt Hans-Joachim Watze im Gespräch mit dieser Redaktion. „Wir sind jetzt in wirtschaftlicher Hinsicht dafür da, dass wir versuchen, für unseren kleinen Mikrokosmos – und der ist für mich derzeit Borussia Dortmund –, die besten Lösungen zu finden.“
Nur rammbockt der BVB-Geschäftsführer dabei derart seine Meinung raus, dass es Kritik von allen Seiten hagelt. Vermutlich auch, weil während der Coronavirus-Pandemie bei keinem anderen Verein der komplizierte Spagat zwischen Kommerz und Bodenständigkeit so sichtbar wird wie bei der Borussia.
Verzicht auf 60.000 Euro im Monat
Auf der einen Seite solidarisieren sich die Anhänger untereinander, bieten Einkäufe für die Risikogruppen an, der Klub sammelt Spenden. Auf der anderen Seite wirbelt Watzke im neokapitalistischen Stil durch die Medien, warnt vor drohenden Verlusten, wirbt deswegen für Geisterspiele und vergisst das eine oder andere Mal zu erwähnen, dass zunächst einmal die Gesundheit an vorderster Stelle stehen sollte.
Mittlerweile hat er in einem Interview mit dem Magazin 11 Freunde ein wenig zurückgerudert und beteuert, dass er nicht zum Ausdruck habe bringen wollen, dass „Profifußballer immun gegen eine Erkrankung mit dem Covid-19-Virus“ seien. Außerdem plant der 60-Jährige nach Informationen dieser Redaktion, auf ein Drittel seines Gehalts zu verzichten, solange der Bundesliga-Spielball im Schrank ruht. Dieses wurde im Geschäftsjahr 2018/19 mit 1,9 Millionen Euro ausgewiesen. Gut 60.000 Euro würde der Klub monatlich sparen.
Was natürlich nicht reicht. Denn generell lohnt es sich, um die Aufgeregtheit des Geschäftsführers zu verstehen, ein paar Zahlen in den Taschenrechner zu tippen.
BVB könnte ein massiver Verlust drohen
Sollte die Bundesliga, die vorerst bis zum 2. April pausiert, am Ende doch nach dem 25. Spieltag abgebrochen werden müssen, dann droht der Borussia ein massiver Verlust. Mehr als 50 Millionen Euro würden von den TV-Rechteinhabern fehlen, hinzu kämen schwindende Sponsorengelder, schrumpfende Zuschauereinnahmen. Noch lässt sich das Einnahme-Loch nicht genau beziffern, aber vermutlich würde auf dem Konto ein kleiner dreistelliger Millionenbetrag schmerzhaft vermisst werden. Watzke betont, dass sein Verein dies stemmen könne, dass die 850 Mitarbeiter keine betriebsbedingten Kündigungen fürchten müssen. Aber wird der BVB anschließend noch zu Höherem berufen sein?
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Im Winter verfeinerte die Borussia ihren eh schon feinen Kader, erhöhte das Risiko, weil die Zugänge Erling Haaland und Emre Can das Gehaltsgefüge weiter anhoben. Watzke und Sportdirektor Michael Zorc drängen darauf, den FC Bayern zumindest in einer Spielzeit von der Spitze zu verjagen. Sie haben aus dem BVB nach der Fast-Insolvenz einen Spitzenklub geformt – und ausgerechnet in der Zeit, in der öffentlich neue Ziele (Meisterschaft) formuliert wurden, sind die Folgen der Corona-Krise unabsehbar. Da schwankt ein Lebenswerk.
Watzkes Vertrag als Geschäftsführer läuft bis zum Jahr 2022 (Zorcs sogar nur bis 2021), manchmal lässt er bereits durchblicken, dass er diesen Job nicht mehr ewig machen wolle, auch wenn unklar bleibt, wann er sein Büro in der Geschäftsstelle tatsächlich räumen wird. Aber natürlich möchte er den BVB im bestmöglichen Zustand übergeben – dies wird nun erheblich erschwert.
BVB-Führung redet mit Klubs über Gehaltsverzicht
Also wird Watzke weiter Staub aufwirbeln. Die nächsten Entscheidungen warten. Zunächst einmal plant der Klub nach Informationen dieser Redaktion, mit seinen Profis über einen Gehaltsverzicht zu beraten (auch Carsten Cramer, ebenfalls Geschäftsführer, möchte wie Watzke weniger erhalten). Dann muss die Deutsche Fußball-Liga (DFL) bereits entscheiden, wie es in der Bundesliga weitergehen soll. Dabei wird die Solidaritätsdebatte weiter köcheln.
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Fortuna Düsseldorfs Vorstandschef Thomas Röttgermann etwa ruft die finanzstarken Klubs schon jetzt zur Unterstützung auf. „Schlechter aufgestellt zu sein als andere Vereine – das ist ja nicht aus eigenem Verschulden, sondern weil es einfach kleinere Vereine sind, mit einer dünneren Eigenkapitaldecke. Weil sie nicht dicker sein kann“, sagte Röttgermann. Und formuliert Worte, die durchaus als Kritik an Watzke zu verstehen sein sollen. „Jetzt die Chancen des einzelnen Vereins zu sehen, besser aus der Krise herauszukommen als andere – das kann nicht im Mittelpunkt der Überlegungen stehen.“
Nur liegt Hans-Joachim Watzkes Mittelpunkt nun mal in seinem Mikrokosmos: dem BVB.