Dortmund. Erling Haaland und Emre Can impfen dem BVB Willen ein, der fehlte. Durch sie wirken die Ziele greifbarer - auch wenn beide einen Haken haben.
Nach der rasanten Partie schnallten sich Emre Can und Erling Haaland vorschriftsmäßig an, während sie es sich gemeinsam in dem Auto bequem machten, das sie aus dem Dortmunder Stadion fahren sollte. Can telefonierte, Haaland umklammerte eine schwarz-gelbe Plastiktüte mit seinen Händen. Dann rollten die Reifen los. Nach einem BVB-Abend, den die beiden Neuzugänge von Borussia Dortmund auf ganz unterschiedliche Art und Weise geprägt hatten.
Europa staunt noch mehr über BVB-Stürmer Erling Haaland
Mit 2:1 (0:0) hat der BVB am Dienstag im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinals über Paris Saint-Germain triumphiert und dadurch das Weiterkommen greifbar gemacht. Haaland erzielte beide Dortmunder Treffer (69., 77.), wodurch das Tor von Neymar (75.) die Euphorie nur für wenige Minuten dämpfte. Europa staunt nun noch ein bisschen mehr über den erst 19 Jahre alten Haaland, der in dieser Saison den Ball in der Königsklasse bereits zehn Mal über die Linie gedrückt hat (davon acht Mal für Salzburg). Nie zuvor gelangen einem Profi so viele Tore in seinen ersten sieben Champions-League-Partien.
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Can hingegen pflügte den Rasen im Mittelfeld um, nervte Neymar bis zur Lustlosigkeit, stachelte die Kollegen an. Der Nationalspieler führte, brüllte Kommandos, stabilisierte die schon oft taumelnde BVB-Elf, als wäre er seit Jahren ihr Chef. „Er ist ein Gewinner“, lobte Mats Hummels. „Es ist gut, dass wir zwei von der Sorte gekauft haben.“
Denn Haaland versteht es wie Can, seine Mitspieler mitzunehmen, das Publikum von den Sitzen zu reißen. Beide impfen den Schwarz-Gelben einen Willen ein, der lange vermisst wurde. 45 Millionen Euro haben die Verantwortlichen für die Transfers der beiden insgesamt gezahlt, was gerade deswegen bemerkenswert ist, weil diese Ausgaben durch die Einnahmen aus den Winter-Verkäufen von Julian Weigl (Benfica Lissabon) und Paco Alcácer (FC Villarreal) refinanziert wurden. Vor allem nach der bitteren 0:4--Pleite beim FC Bayern in der Hinrunde, als die Borussia kampflos unterging, reifte bei den Bossen die Erkenntnis, im Winter noch einmal etwas verändern zu müssen. Haaland und Can passten ins Raster, auch weil sie durch ihre Haken zeigen, was dem BVB zu einem Spitzenklub fehlt.
Haaland etwa steht erst am Anfang seiner Karriere. Sein grandioses zweites Tor verdeutlichte zwar, dass der 1,94 Meter große Angreifer, der im rasanten Tempo über den Rasen schlakst, die Zukunft des europäischen Spitzenfußballs gestalten könnte. Rückschläge sind jedoch nicht ausgeschlossen. Zudem begreift der Norweger Dortmund als Entwicklungsstation. 2022 könnte er den Klub nach den Informationen dieser Redaktion aufgrund einer Ausstiegsklausel für mehr als 60 Millionen Euro verlassen.
Paris wirkte gegen den BVB lustlos
Can wiederum hätte das Flugzeug in Richtung Dortmund wohl nicht bestiegen, wenn er bei Juventus Turin unangefochtener Stammspieler gewesen wäre. Der 26-Jährige hat den großen Durchbruch bislang verpasst. Nun arbeitet er daran, sich im schwarz-gelben Trikot für die Europameisterschaft 2020 zu empfehlen. „Er ist ein Anführer. Er gibt uns Kämpfermentalität“, erklärte Nebenmann Axel Witsel. Wer zudem der teilweise lustlos wirkenden Millionen-Elf von Paris Saint-Germain bei der Arbeit zusah, konnte sich fragen, ob ein Kader voller Topstars immer den größeren Genuss verspricht.
Die BVB-Euphorie steigt – vorsichtig
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In Dortmund entfachen die Transfers jedenfalls Euphorie. Allerdings wollte sich Michael Zorc nach dem Schlusspfiff trotzdem nicht selbst auf die Schultern klopfen. „Beide haben top gespielt“, meinte der Sportdirektor nur, lobte lieber die gesamte Mannschaft: „Wir haben gemeinsam verteidigt, wir haben sehr gut gespielt. Das ist der Maßstab, so muss es weitergehen.“
Denn schon häufig folgten in dieser Spielzeit nach glanzvollen Auftritten verstörende Spiele. Gerade auswärts. Am Samstag (15.30/Sky) tritt der BVB bei Werder Bremen an, wo er vor zweieinhalb Wochen noch aus dem DFB-Pokal geflogen ist. Das Achtelfinal-Rückspiel in Paris wird erst am 11. März ausgetragen. „Es wird dort noch mal verflucht hart. Wir werden nicht auf einen Gegner treffen, der sich aufgibt“, sagte Hummels. „Aber wir haben eine gute Basis gelegt.“ Auf dem Rasen – und auf dem Transfermarkt.