Barcelona. Jadon Sancho leistete sich vor dem Spiel beim FC Barcelona einen weiteren Fehltritt. Sportlich ist der 19-Jährige für den BVB aber unverzichtbar.

Die Kopfhörer im Ohr, den Blick starr nach vorne gerichtet – Jadon Sancho wollte von niemandem angesprochen werden, als er am Donnerstagnachmittag vom Gepäckband des Dortmunder Flughafens zum Mannschaftsbus ging. Borussia Dortmunds Angreifer hatte wieder für Wirbel gesorgt. Am Tag des Champions-League-Spiels beim FC Barcelona (1:3) erschien der 19-Jährige zur Mannschaftsbesprechung zu spät. Der BVB wollte sich auf Nachfrage allerdings nicht zu diesem Thema äußern.

Lucien Favre hatte den Engländer daraufhin in Barcelona zunächst auf der Bank gelassen. „Wir brauchen Spieler, die fokussiert und bereit sind“, lautete des Trainers Begründung. Als es zur Pause 0:2 stand, kam Sancho doch, erzielte das Tor zum 1:3 (77.), traf zudem die Latte und belebte das Dortmunder Spiel sichtlich. Damit unterstrich er nur das Dilemma, in dem der BVB steckt: Sportlich ist der Mann mit der Nummer 7 unverzichtbar. Aber abseits des Platzes kommt es immer wieder zu Verspätungen und Verfehlungen – und nun scheint die nächste Eskalationsstufe gezündet.

Dembélé und Aubameyang sorgten für tiefe Risse

Zum Entsetzen der Verantwortlichen. In Dortmund macht man sich ohnehin keine Illusionen über Sanchos Zukunft. Es gilt als wahrscheinlich, dass das Supertalent im Sommer den Klub für eine dreistellige Millionensumme als Ablöse verlässt. Bisher aber hatten die Bosse gehofft und erwartet, dass dieser Transfer wesentlich ruhiger über die Bühne gehen würde als jene von Ousmane Dembélé und Pierre-Emerick Aubameyang, die ihre Wechselwünsche mit allerhand Verfehlungen untermauerten und damit auch für tiefe Risse in der Mannschaft sorgten.

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Sancho gilt intern als gutmütiger, höflicher Mann. Aber auch als einer mit Disziplinproblemen. Schon 2017/18 wurde er nach mehreren Verspätungen vorübergehend zur U23 verbannt. Vor einem Monat suspendierte Favre ihn für das Topspiel gegen Borussia Mönchengladbach (1:0), weil Sancho mit Verspätung von seiner Länderspielreise zurückgekehrt war. Dazu gab es eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro. Und erst am Wochenende war ein offensichtlich von seinem Berater unterfütterter Text bei „The Athletic“ erschienen, in dem beschrieben stand, dass sich Sancho vom Klub erniedrigt und zum Sündenbock für die Krise abgestempelt fühle.

BVB ohne Mut und Entschlossenheit

Dortmund droht nun das erste Saisonziel zu verpassen: Nach dem 1:3 in Barcelona hat man das Weiterkommen in der Champions League nun nicht mehr in der eigenen Hand. Zwar präsentierte sich der BVB besser als zuletzt gegen Paderborn (3:3) und in München (0:4). Am Ende aber stand eine verdiente Niederlage durch Tore von Luis Suarez (29.), Lionel Messi (33.) und Antoine Griezmann (67.). Natürlich konnten sich die Schwarz-Gelben darauf berufen, dass ihnen eine der besten Mannschaften der Welt mit dem überragenden Ausnahmekönner Messi gegenüber gestanden hatte. Andererseits aber fehlten wieder Mut, Entschlossenheit, Galligkeit.

Favre versetzt dies in eine schwierige Lage: Er muss den Eindruck vermeiden, dass der Engländer sich nicht alles erlauben kann. Am Samstag bei Hertha BSC (15.30 Uhr/Sky) mit ihrem neuen Trainer Jürgen Klinsmann braucht er aber auch einen überzeugenden Auftritt der Mannschaft, um sich aus seiner prekären Situation zu befreien. Und die Chancen darauf sind mit Sancho nun mal größer. Favre baute seinem Leistungsträger deshalb schon in Barcelona eine Brücke: „Wir haben die Entscheidung so getroffen, das ist damit geklärt“, sagte der Trainer. „Er hat eine gute Reaktion gezeigt“, ergänzte Mats Hummels. Bei allem Theater: Der Engländer bleibt nun einmal unverzichtbar.