Essen. BVB-Geschäftsführer zieht eine scharfe Trennlinie zwischen berechtigter Kritik und übertriebenem Feiern des Gegners. Ein Kommentar.
Dass der Kessel der Emotionen überkochen wurde, war keine Überraschung bei der Mitgliederversammlung von Borussia Dortmund am Sonntagvormittag. Nach dem 3:3 gegen den SC Paderborn, dieser Blamage trotz des noch aufgeholten 0:3-Rückstandes, durfte die Mannschaft nun definitiv nicht erwarten, dass ihr Weg in den Saal mit Rosenblättern ausgelegt worden wäre. Die „Schämt-euch“- und „Pfui“-Rufe, die Pfiffe, die ebenso zu hören waren wie verhaltener Applaus, hatten ja ihre Berechtigung.
Ein Stadion ist keine Bibliothek
So etwas müssen Profis, die ihren Job nicht gemacht haben, aushalten können. Pfiffe gehören zum Fußball, und deshalb ist es auch in Ordnung, wenn Fans sich auf diese Weise direkt nach einem Spiel Luft verschaffen. Ein Stadion ist keine Bibliothek.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat sich dennoch am Sonntag über einige – nicht wenige – BVB-Anhänger beklagt. Genauer: über diejenigen, die in ihrem Ärger und ihrer Verzweiflung höhnisch zum Gegner überliefen und die Tore des SC Paderborn feierten. „Wer vorgibt, BVB-Fan zu sein, und Tore des Gegners bejubelt, sollte unsere Gemeinschaft einfach verlassen.“
Harte Worte, aber Watzke hat keine andere Wahl
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Harte Worte. Aber er musste so regieren. In einer so kritischen Situation hat der BVB-Chef gar keine andere Wahl, als an den Zusammenhalt zu appellieren. Denn dieses Gemeinschaftsgefühl ist es doch, das den Fußball im Ruhrgebiet oft mehr als anderswo ausmacht, und auch Borussia Dortmunds Stärke entsteht doch vor allem durch Geschlossenheit. Das Stadion ist immer pickepackevoll, allein auf die Südtribüne passen so viele Menschen wie in manche Bundesliga-Arenen. Diese Wucht muss jeden Gegner beeindrucken. Sie darf ihn nicht auch noch stärken, weil sie sich bei unerwünschten Spielverläufen ins Gegenteil verkehrt.
Völlig klar ist: Die Mannschaft muss in Vorleistung treten, der Fan muss nicht alles schlucken. Er hat das Recht zur Beschwerde, schließlich zahlt er auch. Auch Trainer Lucien Favre muss sich die Frage gefallen lassen, warum die Mannschaft unter seine Regie wiederholt in solche Muster verfällt. Wie es passieren konnte, dass nach der Nichtleistung in München die erste Halbzeit gegen den Tabellenletzten verschlafen wurde. Und deshalb ist auch ein Pfeifkonzert nach Abpfiff eines Borussia Dortmund unwürdigen Spiels wie am Freitagabend absolut okay.
Hans-Joachim Watzke hat lediglich eine Trennlinie gezogen. Er weiß natürlich, dass es in einer großen Familie auch mal knallt. Aber er will diejenigen aussortieren, die der Familie in den Rücken fallen. Damit macht er sich bei denen, die sich angesprochen fühlen sollen, sicher nicht beliebt. Aber das muss ihm egal sein, wenn er sein Ziel erreichen will: Borussia Dortmund durch innere Kraft wieder nach außen zu stärken.