Sittard. Felix Passlack wurde eine Traumkarriere prophezeit. Doch der Junge aus Bottrop kämpft noch um den großen Durchbruch. Derzeit in den Niederlanden.
In dem Moment, in dem das Ziel so nah erscheint, linst Felix Passlack durch das winzige Schlüsselloch seines Hotelzimmers. Einmal. Zweimal. Immer wieder. Bei jedem Klappern. Es könnte ja sein, dass einer seiner Mitspieler schon zum Mannschaftsbus schlendert. Und jetzt, da sich am 2. März 2016 der Traum vom ersten Bundesligaspiel für Borussia Dortmund erfüllen soll, will der 17-Jährige auf keinen Fall die Fahrt ins Darmstädter Stadion verpassen.
„Ich wusste, wann Abfahrt war. Aber ich wollte mir die Chance nicht nehmen“, sagt Passlack nun, knapp dreieinhalb Jahre später, während er im kleinen Stadion-Presseraum von Fortuna Sittard hockt.
Gerade noch hat der mittlerweile 21-Jährige bei der Morgeneinheit geschwitzt -- etwas weiter außerhalb: Der Klub besitzt keinen eigenen Trainingsplatz, sondern trainiert auf einen grünen Rasen, der an einen Dorfplatz erinnert. Selbst vom Mittelkreis aus kann man noch die Gärten der Nachbarhäuser begutachten, gelegentlich dröhnt das Hupen der Autos von der angrenzenden Tankstelle herüber. Hier, in den Niederlanden, erscheint das Ziel ganz weit weg. Aber: „Ich bin glücklich, wenn ich spiele“, sagt Passlack.
Vergleiche mit Götze
Trotzdem bleibt dieses in die Ferne gerückte Ziel Bundesliga, das sie alle haben, die vielen, vielen talentierten Fußballer der Republik, natürlich bestehen. Es muss dabei gar nicht mehr die Bilderbuch-Karriere werden, die Felix Passlack einst prophezeit wurde. BVB-Sportdirektor Michael Zorc bezeichnete ihn schon als „Jahrhunderttalent“. Die Medien adelten den kleinen Offensivspieler als neuen Mario Götze.
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Passlack gewann 2015 als Nachwuchsspieler des Jahres die Fritz-Walter-Medaille in Gold. Er hat viele DFB-Jugendmannschaften als Kapitän angeführt. Er ist der jüngste Champions-League-Torschütze des BVB. Und doch steht Passlack nun für die vielen Irrungen und Wirrungen, die eine Karriere beim Übergang zu den Profis einschlagen kann. Sein Vertrag in Dortmund läuft noch bis 2021, derzeit befindet er sich als Leihspieler mit Fortuna Sittard im niederländischen Abstiegskampf. „Manche gehen ihre Umwege. Manche haben sogar aufgehört. Ich habe jetzt nun mal eine Karriere erwischt, in der es links, rechts, links, rechts geht“, meint Passlack. Bereut er das? „Nein, auf gar keinen Fall. Denn es ist seit der Kindheit mein Traum, Profi zu werden.“
Geboren in Bottrop
Geboren wurde Passlack im Ruhrgebiet, genauer: in Bottrop. Kurz spielte er für Rot-Weiß Oberhausen, bereits 2012 wechselte er in die Jugend des BVB. In der er sich zum Führungsspieler entwickelte, weil er voranging, mitriss, Tore erzwang. Dass Passlack Anfang 2016 gemeinsam mit Christian Pulisic zu den Profis hochgezogen wurde, erschien da nur logisch.
Doch beide großen Talente entwickelten sich unterschiedlich. Pulisic wurde mittlerweile für 64 Millionen Euro an den FC Chelsea verkauft. Passlacks Marktwert wird auf 1,5 Millionen Euro geschätzt.
Er führt als Leihspieler des BVB das Nomadenleben, das ein Fußballer führt, dessen Karriere nicht richtig in Schwung kommt. Bei der TSG Hoffenheim? Stand er kaum im Kader. Bei Norwich City? Verdrängte ihn der englische Jugendspieler Max Aarons. Mittlerweile hat Passlack seine Umzugskartons an der deutsch-niederländischen Grenze ausgepackt. Seine Freundin reist immer mit, ein Hund tummelt sich auch im Familienleben. „Natürlich wäre es schön, irgendwann sesshaft zu werden“, sagt er.
Das Attentat bleibt unvergessen
Dabei ist es nicht leicht, wirklich hinter die Fassade des jungen Fußballers zu blicken. Wie so viele Talente hat sich auch Felix Passlack einen Schutzwall vor sein Innenleben errichtet. Der erst fällt, als es um das Ereignis geht, ohne das seine Karriere vielleicht ganz anders verlaufen wäre.
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Im April 2017 saß Passlack im BVB-Mannschaftsbus, als drei Bomben auf der Fahrt ins Stadion explodierten. „Ich bin ängstlicher, vorsichtiger seitdem. Ab und zu zucke ich noch zusammen“, erzählt er. Abgehakt sei dieser Vorfall nie, er könne sich aber wieder voll auf seine Arbeit konzentrieren.
Im Sommer endet die Leihe in Sittard. Dann führt ihn seine links-rechts-links-Karriere möglicherweise zurück zum BVB. Irgendwann will er wieder in der Bundesliga spielen. „Verletzungsfrei, als Stammspieler“, sagt Felix Passlack.
Er schaut nicht mehr durchs Schlüsselloch. Er schaut nun sehr realistisch auf seine Karriere.