Essen. Das Revier-Derby zeigt: BVB und S04 verblüffen bei ihren Entwicklungen. Die Situation für Dortmund-Trainer Favre wird brenzlig. Ein Kommentar.

Zu den ungeschriebenen Gesetzen des Fußballs gehört es mittlerweile, dass die siegreichen Spieler nach einem Erfolg meist halbbekleidet in der Mannschaftskabine feiern und der Verein davon später im Internet mal spontane, häufiger aber gestellte Schnappschüsse den Fans präsentiert.

Da das 155. Revierderby weder Gewinner noch Unterlegene kannte, hielten sich Schalke 04 und Borussia Dortmund entsprechend mit derlei Fotos zurück. Den Anhängern beider Klubs war aber auch so umgehend nach dem Abpfiff des torlosen Unentschiedens unmissverständlich klar, wer sich berechtigter als Sieger fühlen durfte und wer nicht.

Schalke 04 hätte das Derby gewinnen müssen

Dies galt am Samstag einzig und allein für David Wagner, dessen Schalker Mannschaft viel aggressiver, zielgerichteter und gefährlicher aufgetreten war. Die dem Empfinden neutraler Beobachter nach den Rasen als Sieger hätte verlassen müssen. Was zu der etwas kuriosen Erkenntnis führt, dass man sich Ende Oktober 2019 über die Entwicklungen beider Mannschaften gleichermaßen wundern muss.

Beim letzten Pott-Vergleich trennten den BVB von Schalke noch sagenhafte 42 Punkte, nun sind es vor und nach dem Spiel gerade mal zwei. Das hat viel bei Schalke mit dem Trainer David Wagner zu tun – bei Dortmund aber auch mit dem Trainer Lucien Favre.

Kurz- und langfristige Entwicklung spricht gegen Favre

Im Profifußball – das mögen die dort Beschäftigten berechtigterweise beklagen – zählen kurzfristige Eindrücke in der Regel mehr als langfristige Leistungskurven. Wie es der Zufall will, erzeugen im Falle von Favre gerade beide Parameter große Zweifel an dessen Person. Spielerisch gibt’s schon seit dem Jahresbeginn keine Fortschritte, weshalb auch ein Neun-Punkte-Vorsprung auf den FC Bayern nicht zum Titelgewinn gereicht hat.

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Auch aktuell ist das Spiel der Dortmunder trotz millionenschwerer Zugänge im Sommer extrem fehlerbehaftet. Potenziale werden nicht ausgeschöpft, unbefriedigende Ergebnisse schöngeredet. Es war richtig von den BVB-Verantwortlichen, die Meisterschaft öffentlich zum Ziel zu erklären. Klar ist aber auch, dass die Mannschaft derzeit nicht für Zungenschnalzer sorgt und nicht in der Rolle des Titelanwärters taugt. Was umso schwerer wiegt, da die in der zweiten Saisonhälfte verlässlich stärkeren Münchener gerade auch nicht den stabilsten Eindruck hinterlassen.

So wird der FC Bayern München nicht von der Spitze verdrängt

Favre ist unbestritten einer der fachlich versiertesten Trainer, die im Moment in der Bundesliga beschäftigt sind. Der 61 Jahre alte Schweizer ist aus seiner langen Karriere aber auch als großer Zweifler, als verkopfter Erklärer bekannt, der sich aus Sturheit taktischen Anpassungen versperrt. Und in Dortmund reift die Erkenntnis, dass es mit Favre nicht möglich zu sein scheint, die Bayern mal wieder von der Spitze abzulösen.

Hans-Joachim Watzke will den BVB zu einer großen Marke in Europa machen. Das erlaubt es, sich mit den klangvollsten Trainernamen zu beschäftigen. Hundertprozentig sicher müssen sich der Vorstands-Boss und Sportdirektor Michael Zorc aber sein, wann das Ruder unwiderruflich herumzureißen ist.

Auf Schalke haben sie diesen Zeitpunkt in der vergangenen Saison auch nicht erkannt.