Berlin. Der BVB lässt bei Union Berlin vieles vermissen. Sportdirektor Michael Zorc geht mit den Profis nach der 1:3-Niederlage hart ins Gericht.

Michael Zorc war auch einen Tag später noch bedient. Das 1:3 (1:1) beim Aufsteiger Union Berlin am Samstagabend steckte dem Sportdirektor von Borussia Dortmund in den Knochen. Zorc ärgerte sich über dieses Ergebnis, mehr aber noch darüber, wie es zustande gekommen war. „Für diese Leistung gibt es keine Erklärung“, meinte der 57-Jährige im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich fühlte mich in großen Teilen an einige Auswärtsspiele der vergangenen Saison erinnert.“

Da hatte der BVB mit unerklärlichen Punktverlusten bei qualitativ eigentlich deutlich unterlegenen Gegnern wie Nürnberg und Augsburg Punkte gelassen und die Meisterschaft verspielt. Im Sommer wurden deswegen rund 125 Millionen Euro ausgegeben, um die Mannschaft aufzurüsten – und nun fiel sie doch in die überwunden geglaubten Muster zurück und versetzte den eigenen Titelhoffnungen den ersten herben Dämpfer. „Union Berlin hat absolut verdient gewonnen“, urteilte Julian Weigl treffend.

Die Berliner warfen sich mit Wonne in jeden Zweikampf. Und sie rannten, angestachelt vom fanatischen Publikum, derart aufgedreht über den Platz, dass sie stets zur Stelle waren, um einen Dortmunder Feinfuß in ein Duell zu verwickeln. „Der Gegner ist sieben Kilometer mehr gelaufen als wir, das sagt auch sehr viel“, bemängelte Zorc.

So hatte Dortmund zwar unwirkliche 74 Prozent Ballbesitz, wusste damit aber vor allem in der zweiten Halbzeit erschreckend wenig anzufangen. 13 Torschüsse gaben die Dortmunder ab, zwei weniger als die Berliner – und nur die wenigsten wurden gefährlich. Den Köpenickern dagegen gelang es, ihre Stärken auszuspielen: Sie konterten blitzschnell, sie überraschten mit einstudierten Standardvarianten – und sie profitierten von Dortmunder Unzulänglichkeiten: Beim 1:0 durch Marius Bülter nach einem Eckball ließ Paco Alcácer den Torschützen laufen (22.). Beim 2:1 durch Bülter patzte Manuel Akanji folgenschwer (50.). Und dem 3:1 durch Sebastian Andersson (75.) ging wieder einmal eine Standardsituation voraus, die die Schwarz-Gelben nicht vernünftig klären konnten.

Torschütze für Union kam aus der Regionalliga

Der Doppeltorschütze Bülter hatte vor etwas über einem Jahr noch in der Regionalliga West für den SV Rödinghausen gespielt, nun schoss er den ersten Bundesligasieg in Union Berlins Vereinsgeschichte heraus. Der Millionensturm auf der anderen Seite aus Alcácer, Marco Reus, Julian Brandt und Jadon Sancho dagegen brachte nur den zwischenzeitlichen Ausgleichstreffer durch Alcácer zustande (25.).

Ansonsten gelang den hochfavorisierten Dortmundern vor allem im zweiten Durchgang wenig, es fehlte an Tempo, an Präzision, an Läufen in die Tiefe – und es fehlte an der richtigen Einstellung zu diesem Spiel, das für den Gegner ein besonderes war.

Auch interessant

„Wir müssen mit hundert Prozent Einstellung und Mentalität in solche Spiele gehen, sonst wird man trotz all unserer Qualität den Unterschied nicht sehen“, schimpfte Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspieler-Abteilung. „Das waren sicher keine hundert Prozent. Für Union war es wie für Köln vergangene Woche ein Highlight-Spiel. Aber das wird uns diese Saison öfter erwarten.“

Julian Brandt, der erstmals in der Startaufstellung stand, räumte ein: „Man hat heute gesehen, dass die Berliner den noch größeren Willen hatten.“ Auch solche Aussagen, von denen es einige gab, schmeckten Zorc überhaupt nicht: „Wenn die Spieler nach dem Schlusspfiff selbstkritisch sagen, dass die anderen es mehr gewollt haben, ist das schon bedenklich“, meinte er.

Es gibt einiges zu besprechen beim BVB

Es gibt Redebedarf in Dortmund, denn der Totalabsturz von Berlin war ein Wiederholungsfall: Beim 1. FC Köln hatte der BVB zwar 3:1 gewonnen – allerdings nach einer erschreckend schwachen ersten Halbzeit. Daran, dass es in Köln noch einmal gut gegangen war, hätten wohl viele seiner Spieler gedacht, mutmaßte Trainer Lucien Favre, der mit zögerlicher Taktik und zögerlichen Wechseln seinen Teil beigesteuert hatte. „Dass man dafür extrem viel tun muss, hatten sie aber nicht auf dem Schirm“, ätzte Zorc.

Auch interessant

Und nun? „Im Moment ist es schwierig, die Partie aufzuarbeiten, weil so viele Spieler in Richtung ihrer Nationalmannschaften unterwegs sind“, meinte der Dortmunder Sportdirektor. Danach aber dürfte noch so manches deutliche Wort fallen.