Dortmund. Borussia Dortmund überrollte vor der Feier des 100. Geburtstags den naiven 1. FC Nürnberg mit 4:0 (3:0). Die Tabellenplätze mit internationalem Flair sind nah. Die Stimmung ist gut.
Michael Oenning war selbst verblüfft. Der Trainer hatte gar nicht angeordnet, den Riesenflakon mit der Aufschrift „Totale Dominanz” ins Westfälische einzuführen. Seine Mannschaft aber muss sich vor ihrem Auftritt bei Borussia Dortmund reichlich eingenebelt haben mit diesem herben Duft. Von der ersten Minute an nahm sie beim Gegner, vor mehr als 72 000 Fans im mächtigen Signal-Iduna-Park, energisch das Heft des Handelns in die Hand. Sie schnürte den BVB in der eigenen Hälfte ein, sie drängte ihn zurück in den eigenen Strafraum, sie kreierte beinahe sogar Chancen, und erst in der achten Minute erlaubte es sich der BVB, einen Konter über Sven Bender (feiner Pass) mit dem 1:0 durch Kevin Großkreutz (sauberer Schuss) abzuschließen.
Der 1. FC Nürnberg war zu diesem Zeitpunkt noch nicht endgültig bezwungen. Gelaufen war die Partie für den Aufsteiger erst fünf Minuten später, als Lucas Barrios nach einer eindrucksvoll gezirkelten Flanke von Patrick Owomoyela auf 2:0 erhöhte. Dass der BVB den Rest der verbliebenen Zeit noch mit je einem Treffer von Mohammed Zidan (36.) und Mats Hummels (61.) füllte, tat allein der Stimmung gut. Zwei Spiele sind vor der Winterpause noch zu absolvieren, eines am kommenden Sonntag beim VfL Wolfsburg, eines im eigenen Stadion, am 19. Dezember gegen Freiburg, am 100. Geburtstag. Punktgenau hat sich die Borussia vor dem Fest, das auch Weihnachten in den Schatten stellen soll, also herangeschlichen an die Tabellenplätze mit internationalem Flair. Mit acht Partien in Folge ohne Niederlage. Und jetzt sogar mit einem Spiel, in dem die Mannschaft erstmals in der Saison der Feiermasse mehr als zwei Treffer hinzufügen konnte.
Michael Oenning räumte nachdenklich ein, man habe den Gegner aus der Tiefe heraus arbeiten lassen und damit einiges dazu beigetragen, dass Jürgen Klopp sich nun gegen eine Euphoriewoge stemmen muss. „Vielleicht haben wir ein Stückweit zu sehr gedacht, wir könnten hier nur mit Fußballspielen zum Sieg kommen”, sinnierte Oenning. Hilfreich wird das dem Kollegen nicht sein. Der hatte schon nach dem Erfolg bei den Hoffenheimer Künstlern „eine ungewöhnliche Woche ohne Kritik” registriert, in der ihm das Schreckensszenario „Homestories bei meinen Jungs” nicht mehr fern schien. Jetzt, nach dem 4:0, war er zwar eifrig darum bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, man habe mit einem Hauch mehr an Konzentration noch viel mehr Treffer erzielen können, doch seine Spieler widersprachen ihm. „Wir hätten auf jeden Fall mehr Tore schießen müssen”, stellte Zidan fest, bevor er, der auch erst 27-Jährige, ein Lob auf die Jugend anstimmte: „Sie tun das alles sehr, sehr gut.”
Sechs der elf Spieler aus der Anfangsformation der Borussia hätten den Samstagnachmittag auch im Kreise Gleichaltriger bei einer U 21 verbringen können: Neven Subotic, Mats Hummels, Nuri Sahin, Sven Bender, Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz. Subotic und Hummels haben sich im Zentrum der Defensive etabliert, und der in der zweiten Hälfte für den an Magen und Darm leidenden Bender eingewechselte Felipe Santana muss hinten anstehen. Sahin und Bender haben gegen Hoffenheim und Nürnberg die Zentrale vor der Abwehr besetzt, die wichtige Umschaltstelle. Über sie wurden die Angriffe gegen die verspielten Gäste schockartig und beeindruckend präzise inszeniert. Und Schmelzer, auf der Dede-Position, und Großkreutz, auf vielfach umworbener Position, haben einfach ihren Job leidenschaftlich erledigt.
Von Perspektiven erhellt
Für Tinga, der schon auf der Bank Platz nehmen durfte, irgendwann auch für Dede und für den Sechser und Kapitän Sebastian Kehl, wird es schwer werden, den Weg zurück in diese von Perspektiven erhellte Mannschaft zu finden. Jürgen Klopp hat sich zum Geburtstag des Klubs also mit einem ansehnlichen Luxusproblem beschenkt. Das stört den vom Wallen schlimmer und prächtiger Gefühle in seinem Umfeld ansonsten schon beeindruckten Trainer aber offensichtlich nicht. Sahin hat verraten: „Er sagt nicht, ihr seid eine junge Mannschaft, ihr dürft ruhig verlieren.”