Dortmund. . Der BVB-Trainer trifft erstmals in der Liga auf seinen Ex-Verein Gladbach. Auch in Dortmund hat er Erfolg. Am Niederrhein kennen sie die Gründe.
Lucien Favre sitzt also da und soll über das sprechen, was da kommen wird. Borussia Dortmund empfängt Borussia Mönchengladbach. Freitagabend. Flutlicht. Erster gegen Zweiter. Die besten Offensivreihen messen sich. Das verspricht Spektakel, Emotionen. Dann trifft Favre ja auch noch zum ersten Mal in der Bundesliga auf seinen ehemaligen Verein.
Die Fohlen, die er nach oben geführt hat. Mit denen er begeistert hat. Sonst würde er jetzt wohl nicht hier sitzen, als BVB-Trainer. Sonst würden wohl auch die Gladbacher nicht als Topmannschaft ins Revier reisen, sondern in der Zweiten Liga rumkrebsen.
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Das wäre also vielleicht der Anlass, ein paar emotionale Worte zu finden, über die eigenen Gefühle zu sprechen. Favre aber faltet lieber die Hände. Lächelt verlegen. Denkt nach, bevor er einräumt, dass dieses Duell heute (20.30 Uhr/ZDF) schon ein wenig speziell sei. Doch, bevor er tatsächlich etwas von seinem Innenleben preisgibt, ergänzt er: „Sie spielen eine gute Saison.“ Auch wenn danach eigentlich niemand gefragt hat.
Lucien Favre: selten Konkret, fast schrullig
61 Jahre alt ist der Schweizer nun. Noch immer fällt es schwer, ihn zu packen. Weil er in der Öffentlichkeit selten Konkretes von sich gibt. Häufig an Journalistenfragen vorbeiredet, fast schrullig nach Antworten sucht. Dafür glänzt er mit seiner Arbeit. So wie derzeit beim BVB, mit dem er trotz der ersten Niederlage bei Fortuna Düsseldorf (1:2) weiter deutlich mit sechs Punkten Vorsprung die Tabelle anführt. So wie bei der anderen Borussia, die er 2011 vor dem Abstieg gerettet hat, dann sogar in die Champions League führte. Bis zum dramatischen Ende im September 2015, als Favre nach sechs Pflichtspielniederlagen in Serie einfach hinschmiss. Ohne Absprache.
Verziehen. „Dass Borussia Mönchengladbach und Lucien eine tolle Zeit hatten, das wird immer bleiben, das wird uns auch immer verbinden“, erklärt Sportdirektor Max Eberl dieser Zeitung.
Eberl war es, der Favre im Februar 2011 als Cheftrainer verpflichtet hatte. Die Borussia war da Tabellenletzter, der Abstieg drohte. Doch Favre impfte den Profis plötzlich Spielkultur ein, sie kombinierten sich in die Relegation. Dort gelang der Klassenerhalt gegen den VfL Bochum. Es folgte eine sensationelle sportliche Entwicklung.
Thorben Marx war damals mit dabei – von 2009 bis 2015 rackerte er im defensiven Mittelfeld der Gladbacher. Er erlebte, wie Favre die Mannschaft umkrempelte. Wie er sie weiterentwickelte. „Er überlässt nichts dem Zufall“, erklärt der 37-Jährige dieser Zeitung. „Favre macht jeden Spieler besser.“
Dabei vertraut er auf seine eigene, ungewöhnliche Art. Er sei nicht der große Motivator, so Marx. Er werde auch selten laut, fluche stattdessen in sich hinein. „Manchmal ist er in der Halbzeitpause in einen Nebenraum verschwunden, um sich abzureagieren“, berichtet der Ex-Profi. „Dann hat er uns gesagt, was wir besser machen sollen.“
Lucien Favre: die Ernährung interessiert nicht
Das erklärt vielleicht auch, warum der Trainer seinem Kapitän Marco Reus so deutlich („Das ist nur Blablabla“) widersprochen hat, als dieser die schwache Leistung in Düsseldorf mit der laschen Einstellung begründete. Favre glaubt daran, die Gründe für eine Niederlage in stundenlangen Videoanalysen finden zu können. Er versucht, das taktische Verhalten zu verbessern. Der Rest beschäftigt ihn kaum. „Ihm war auch egal, wie viel wir wiegen, wie wir uns ernähren“, meint Marx. Außerdem: „Ich habe nie etwas Privates mit ihm besprochen. Andere auch nicht.“
Dies zeigt sich ja auch, als Favre über das Topspiel redet. Dabei versucht, seine Gefühle auszublenden, nicht viel sagen möchte zu dem Wiedersehen mit seinen ehemaligen Weggefährten. Immerhin verrät er aber, dass er den Kontakt halte. „Ich habe Raffael angerufen“, sagt der Trainer. Als der Gladbacher mit einem Schlüsselbeinbruch im Krankenhaus lag.
Über den Inhalt des Gesprächs sagt Favre nichts. Aber vermutlich ging es auch um: Fußball.