Dortmund. . Durch den 2:1-Sieg gegen Bremen baute der BVB die Tabellenführung auf neun Punkte aus. Aber das Spiel legt auch eine Schwäche offen.
Dieser Moment gehörte nur ihm: Nuri Sahin stand vor der Südtribüne, wo 25.000 Menschen seinen Namen sangen. Er verbeugte sich, er legte die Hand aufs Herz, dorthin, wo nicht mehr das kreisrunde Logo von Borussia Dortmund, sondern die Raute von Werder Bremen prangt. Denn Sahin holte seinen Abschied von den BVB-Fans nach, nachdem er im Sommer nach Bremen gewechselt war. „Das war ein toller Moment, sehr, sehr emotional“, sagte er später. „Ich habe wirklich jeden Tag alles für diesen Verein gegeben, und ich glaube, die Leute wissen das.“
Der 30-Jährige hatte auch an diesem Abend alles gegeben, hatte Sahin-untypische Grätschen am eigenen Strafraum und Sahin-typische präzise Diagonalbälle aus dem Fußgelenk gezeigt. Aber auch er konnte nicht verhindern, dass die Fans dann doch vor allem die Helden der Gegenwart feierten.
Die BVB-Fans singen vom Titel
Die hatten gerade 2:1 (2:1) gewonnen und sich damit am 15. Spieltag die Herbstmeisterschaft gesichert – für die Fans ein Grund mehr, von kommenden Triumphen zu träumen. „Wer wird Deutscher Meister? BVB Borussia“, sangen sie. Auf eine Dortmunder Herbstmeisterschaft folgte in der Vergangenheit stets der Titel, und auch aktuell sind die Aussichten glänzend.
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Das Spiel gegen Bremen war ja nur das jüngste in einer außergewöhnlichen Erfolgsserie unter dem neuen Trainer Lucien Favre: Nie zuvor war der BVB nach 15 Bundesligaspielen noch ungeschlagen. Nur in der Meistersaison 2010/11 hatte er zu diesem Zeitpunkt mehr Punkte, nämlich 40 statt 39, damals wie heute betrug der Vorsprung auf Platz zwei neun Zähler. Der BVB stellt in Paco Alcácer den besten Torschützen (11), in Jadon Sancho den besten Vorlagengeber (9) und in Marco Reus den besten Scorer (18).
Zehn Spiele hat Alcácer für seine ersten elf Ligatore gebraucht, das schafften vorher nur Horst Hrubesch und Klaus Matischak. Die 378 Minuten, die der Spanier benötigte, sind einsamer Ligarekord. Bislang hatte er meist als Joker aufgetrumpft, gegen Bremen machte er sein bestes Spiel von Beginn an. Er harmonierte glänzend mit Reus, er fügte sich nahtlos ein in die Höchstgeschwindigkeits-Offensive, er passte, er trickste – und er traf.
Seinen Lupfer kratzte Davy Klaassen von der Linie, ohnehin hätte ein Tor wegen Abseits nicht gezählt (7.). Nach seinem Pass wurde Reus im Strafraum von Klaassen zu Fall gebracht. Doch der Elfmeterpfiff blieb aus, auch der Video-Assistent griff nicht ein – auch Reus hatte im Abseits gestanden (11.). In der 19. Minute köpfte der Torjäger dann Raphael Guerreiros Freistoß zum 1:0 ein. Am 2:0 war er ausnahmsweise nicht beteiligt, Reus traf auf Vorlage von Sancho (27.).
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Bremen drohte nun auseinanderzufallen, Angriff um Angriff rollte in Richtung Gäste-Tor. Aber: Ein Treffer gelang dem BVB nicht. „Wir haben es versäumt, das dritte Tor zu machen, und deshalb wurde es hintenraus noch ein wenig eng“, haderte Sportdirektor Michael Zorc. Denn plötzlich war Bremen wieder im Spiel: Eine abgewehrte Flanke lenkte Ludwig Augustinsson zu Max Kruse, der den Ball aus 20 Metern Entfernung in den Winkel wuchtete – Axel Witsel und Thomas Delaney beobachteten es interessiert, ohne einzugreifen (35.).
Ungewohnte Unsicherheiten beim BVB
„Bremen ist eine Mannschaft, die nach vorne hervorragend spielt und große Stärken hat“, meinte Zorc. „Sie können dich durch ihre individuelle Qualität in Schwierigkeiten bringen.“ Anders als die meisten Gäste in Dortmund waren die Bremer mit der Absicht angereist, Fußball zu spielen statt nur zu verhindern, über 90 Minuten suchten sie den Weg nach vorne. Damit ließen sie den schnellen BVB-Angreifern zwar große Räume zum Kontern. Sie offenbarten allerdings auch ungewohnte Unsicherheiten in der Dortmunder Hintermannschaft, die sonst in der Bundesliga ja selten unter Dauerdruck gerät – viele Mannschaften konzentrieren sich gegen den Spitzenreiter auf das Abriegeln des eigenen Strafraums. Gegen Bremens Sturm und Drang aber hatten Linksverteidiger Achraf Hakimi und vor allem der arg fahrige Innenverteidiger Abdou Diallo teils massive Probleme. „Wir haben hinten nicht alles so souverän gemacht, wie wir es schon gemacht haben“, urteilte Torhüter Roman Bürki. „Wir hätten konzentrierter verteidigen müssen“, fand Zorc, der den Sieg dennoch als verdient einstufte. Allerdings wollte er sich mit der Herbstmeisterschaft nicht weiter befassen. „Wir haben noch zwei Spiele. Soll ich jetzt schon ein Fazit ziehen?“, fragte er und antwortete selbst: „Nö. Es ist gut, aber Dienstag geht es weiter.“
Dann geht es zum Aufsteiger Fortuna Düsseldorf (20.30 Uhr/Sky), von dem die Dortmunder die deutlich defensivere Ausrichtung erwarten. Und dann wird wieder vor allem der BVB-Angriff gefordert sein.