Dortmund. 2012 empfing der BVB die Bayern zum bislang letzten Mal als Tabellenführer. Für das Spitzenspiel traut Neven Subotic Dortmund Großes zu.

Heute lacht Neven Su­botic darüber, damals aber fand er die Szene gar nicht witzig: Borussia Dortmund spielte gegen den FC Bayern München, es war der 30. Spieltag der Saison 2011/12. Der BVB war mit drei Punkten Vorsprung in das Duell gegangen, und in der 77. Minute schoss Robert Lewandowski die Borussen 1:0 in Führung. Der Rest ist Dortmunder Legende: Arjen Robben fällt im Zweikampf mit Roman Weidenfeller, es gibt Elfmeter. Robben läuft an, Robben schießt, Roman Weidenfeller hält – und Subotic brüllt dem Fehlschützen aus nächster Nähe unfreundliche Worte ins Gesicht. „Auch wenn ich darauf nicht stolz bin, fand ich die Diskussion darüber einfach lachhaft“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung. „Ich finde es viel schlimmer und unsportlicher, sich Elfmeter durch Schwalben zu erschummeln, da das Spiele komplett verändert.“

Vieles ist anders, eines gleich

Lange währte der Ärger nicht, denn erstens hatte Subotic in der Situation „eher unrecht, da es doch einen Kontakt gab“. Und zweitens war der 1:0-Sieg der entscheidende Schritt zur zweiten Meisterschaft in Folge.

Wenn sich die beiden Mannschaften heute (18.30/Sky) wieder in Dortmund begegnen, ist vieles anders: Robben fehlt verletzt, Subotic ist zur AS Saint-Etienne gewechselt, Sebastian Kehl arbeitet im Management, Lewandowski und Mats Hummels spielen bei den Bayern. An der Seitenlinie steht nicht mehr Jürgen Klopp, sondern dessen Nach-Nach-Nach-Nachfolger Lucien Favre.

Eines aber ist gleich: Wieder geht der BVB mit einem Vorsprung auf Bayern als Spitzenreiter ins Spiel – erstmals seit jenem Apriltag 2012. Wieder ist es eine junge Dortmunder Mannschaft, die mit unbekümmertem Hochgeschwindigkeitsfußball die Liga aufmischt, während der Rekordmeister seltsam verunsichert wirkt.

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BVB-Sportdirektor Michael Zorc muss man mit solchen Quervergleichen nicht kommen: „Ich halte mich immer gerne an Fakten“, sagt er. „Bayern hat derzeit wieder zehn Punkte in der Champions League, kein Team hat mehr. Sie wurden in den letzten sechs Jahren recht deutlich Deutscher Meister, von daher erübrigt sich die ganze Favoritendiskussion.“

Favre ergänzt: „Wir wissen, dass wir gegen eine sehr, sehr gute Mannschaft spielen. Alle haben große Erfahrung, von hinten bis vorne.“ Und dann zählt er sie alle auf, von Lewandowski über Robben, Franck Ribéry, Thomas Müller, Hummels und Jerome Boateng bis David Alaba. Die Botschaft: „Bayern bleibt Bayern. Wir wissen, dass wir sehr clever angreifen und verteidigen müssen.“ Und auch Matthias Sammer stimmt ein in den Chor der Mahner: „Der BVB spielt auf keinen Fall besser als die Bayern“, sagt der externe Berater der Dortmunder in seiner Rolle als Experte bei Eurosport. „Das ist eine Mär. Die Nation hebt die Borussia in ein unrealistisches Licht.“

Dortmund als Vorbild für Bayern?

Alle beim BVB wollen die Bedeutung dieses Spiels kleinreden, wollen den Druck von ihrer jungen Mannschaft nehmen. Aber es gibt Fakten, die können auch sie nicht wegdiskutieren: Dortmund ist Tabellenführer, mit vier Punkten Vorsprung, hat 30 Tore geschossen – so viele wie noch nie zu diesem Zeitpunkt und zwölf mehr als die Bayern. Nach einer enttäuschenden Saison hat Borussia den nötigen Umbruch überraschend erfolgreich vollzogen und könnte damit ein Vorbild für die in die Jahre gekommenen Bayern sein – auch wenn das keiner so sagen mag.

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Zorc klingt immerhin recht vergnügt, wenn er über die eigene Entwicklung spricht: „Wir haben die eine oder andere richtige Entscheidung getroffen, was den Trainer und einzelne Spieler angeht“, sagt er. „Wir haben an richtigen Stellschrauben gedreht, das sieht man jetzt – aber für Vergleiche oder ein Fazit ist es viel zu früh.“

Subotic ist weniger zurückhaltend: „Wenn der BVB sein Niveau hält, ist eine ,grandios Saison’ möglich, wie Roman sagen würde.“ Mit dieser Formulierung brachte es Weidenfeller in einem englischsprachigen Interview während der Meisterfeier 2011 zu ewigem Ruhm. Es erinnert eben vieles derzeit an die Meisterhelden von einst.