Bad Ragaz. Der Franzose Abdou Diallo soll die Abwehr von Borussia Dortmund verstärken. Druck macht ihm nichts aus – weil er sich selbst hohe Ziele setzt.
Abdou Diallo kommt zum Abschluss des Trainingslagers von Borussia Dortmund in Bad Ragaz in der Schweiz entspannt zum Interview. Er trägt bequeme Sportkleidung – und hat seinen Lieblingsnachtisch mitgebracht: Milchreis. Den hat der 22-jährige Franzose, der nach einer Saison beim FSV Mainz 05 in diesem Sommer zum BVB gewechselt ist, in Deutschland kennen- und schätzengelernt. Der Innenverteidiger spricht über seinen steilen Karriere-Anstieg, seine Freundschaft mit Frankreichs Jungstar Kylian Mbappé und die kommende Spielzeit mit dem BVB.
Abdou Diallo, können Sie gut singen?
Abdou Diallo: Nein, ehrlich gesagt bin ich gar kein guter Sänger, aber eben nach dem Abendessen hatte ich keine andere Wahl.
Das heißt, Sie haben das Aufnahmeritual für neue Spieler bei Borussia Dortmund schon kennengelernt?
Abdou Diallo: Ja, gerade vor dem Interview (lacht). Ich musste ein altes französisches Lied singen – ein Chanson.
Waren Sie nervös?
Abdou Diallo: Nicht unbedingt.
Sie scheinen generell selten Ihre Gelassenheit zu verlieren – auch auf dem Platz.
Abdou Diallo: Das stimmt. Das ist mein Charakter. Ich bin ein sehr entspannter, gelassener Mensch.
Einer, der schon mit 13 Jahren nur noch am Wochenende Zuhause war und zwei Jahre später komplett auszog, um im Internat der AS Monaco den Traum vom Profi-Fußball zu verwirklichen.
Abdou Diallo: Natürlich spielt das eine Rolle in deiner Entwicklung, wenn du früh dein Zuhause verlässt. Außerdem komme ich aus einer großen Familie und bin der älteste Junge von acht Geschwistern. Ich hatte immer eine gewisse Verantwortung, mit der ich klarkommen musste. Es war nicht wirklich schwer für mich, mein Zuhause in Frankreich zu verlassen, denn ich wollte meinen Traum unbedingt verwirklichen. Meine Mutter kam damit am Anfang schlechter zurecht als ich.
Wie meinen Sie das?
Abdou Diallo: Sie fand damals, ich sei noch zu jung. Sie hat mich immer noch als ihr kleines Baby gesehen. Das war nicht einfach, und natürlich habe ich sie sehr vermisst. Aber wenn ich ein Ziel habe, gebe ich alles dafür, es auch zu erreichen.
Sie haben in der Jugend in Frankreich fast jährlich die Vereine gewechselt. Warum?
Abdou Diallo: Ich denke, jedes Jahr in meiner Jugend lief ein bisschen anders. Natürlich wollte ich den maximalen, schnellsten Aufstieg. Darum wechselt man auch mal den Verein in der Ausbildungsphase.
Mit 15 in Monaco, der Stadt der Reichen und Schönen - wie sind Sie dort zurechtgekommen?
Abdou Diallo: Ich war sehr jung, als ich nach Monaco gekommen bin und bin ja gleich mehrere Jahre dortgeblieben. Die Stadt ist wie meine Heimat und ich kehre gerne immer wieder dorthin zurück, wenn ich Urlaub habe. Ich kenne dort so gut wie jeden, habe meine Frau dort kennengelernt und fühle mich in der Stadt sehr wohl.
Dort haben Sie auch mit Kylian Mbappézusammengespielt...
Abdou Diallo: Kylian ist ein paar Jahre jünger als ich, und als er nach Monaco kam, gehörte ich bereits zu den Älteren in der Jugendakademie. Er hat zuerst mit meinem jüngeren Bruder zusammengespielt. Dann hat er sich Schritt für Schritt enorm schnell verbessert und ist plötzlich bei den Profis gelandet. Da hat er sich wirklich beeindruckend integriert. Kylian ist ein toller Mensch, ein riesiger Fußballer und für mich ein Freund.
Deutschland war mal wieder ein vollkommen neues Kapitel für Sie. Wie haben Sie sich im Land bisher zurechtgefunden?
Abdou Diallo: Ich habe bereits mit meinem Wechsel zu Mainz ein gewisses Risiko auf mich genommen, weil ich in Monaco nicht gespielt hatte und es in Mainz unbedingt schaffen wollte. Das hat geklappt und nun ist es wieder ein Risiko, auf das ich mich aber sehr freue. Jetzt bin ich bei einem noch größeren Klub, bin damit sehr glücklich und fühle mich bisher sehr wohl.
Sie sind der teuerste Neuzugang von Borussia Dortmund. Wie gehen Sie damit um?
Abdou Diallo: Ich habe keinen Druck, weil ich gar nicht darüber nachdenke. Die Preise sind die Preise. Das machen die Klubs alles unter sich aus und das ist auch nicht meine Angelegenheit. Ich wurde vom BVB verpflichtet, weil sie den Fußball mochten, den ich in Mainz gespielt habe. Nun möchte ich allen beweisen, dass sie mich zurecht geholt haben.
Der BVB verfügt aktuell über vier etatmäßige Innenverteidiger. Wie schätzen Sie ihre Chancen ein, bei der Konkurrenz Stammspieler zu werden?
Abdou Diallo: Bei einem Verein wie Borussia Dortmund ist Konkurrenz ja ganz normal. Der BVB ist schließlich ein großer Klub. Ohne Konkurrenz kann man sich nicht verbessern. Wir verstehen uns untereinander alle sehr gut. Ömer Toprak zum Beispiel ist ein sehr netter Kerl,und es ist wichtig, dass wir uns gegenseitig pushen. Er hat mich sehr herzlich empfangen. Dan-Axel Zagadoukannte ich vorher schon, weil er Franzose ist. Sehr sympathisch ist mir außerdem auch Manuel Akanji, den ich noch etwas intensiver kennengelernt habe, weil er auch Französisch spricht. Wir machen sehr viele Späße zusammen. Das macht es alles ein wenig einfacher.
Uns ist schon im Training aufgefallen, dass Sie sich sehr gut mit Manuel Akanji verstehen und auf dem Rasen ergänzen. Was können Sie noch von ihm lernen?
Abdou Diallo: Bei der Weltmeisterschaft in Russland hat man gesehen, was für ein guter Spieler Manuel ist. Er entwickelt sich stetig und wird ein noch besserer Innenverteidiger werden. Dasselbe hoffe ich für mich natürlich auch.
Beim BVB gab es schon einmal ein junges, eher unbekanntes Innenverteidiger-Duo wie Sie und Manuel Akanji. Das war eine erfolgreiche Zeit. Wissen Sie, wer gemeint ist.
Abdou Diallo: Mats Hummels und Neven Subotic?
Sehr gut. Wie gut kennen Sie beide?
Abdou Diallo: Wir wurden in der Presse bereits mit ihnen verglichen, das habe ich mitbekommen. Das schmeichelt mir natürlich enorm, weil sie mit dem BVB viele Erfolge gefeiert haben. Ich weiß, dass sie bei den Fans sehr beliebt waren. Wenn wir so eine ähnliche Geschichte schreiben können, wäre das natürlich perfekt!
Wussten Sie, dass Neven Subotic vorher auch in Mainz gespielt hat und die Nummer 4 beim BVB hatte, so wie sie jetzt?
Abdou Diallo: Ja, das wusste ich (lacht) – vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen!
Zum Vorbild reicht es für Mats Hummels aber nicht: Sie bevorzugen Jerome Boateng?
Abdou Diallo: Boateng ist kein Idol für mich im herkömmlichen Sinne, aber ein Spieler, dem ich sehr gerne beim Spielen zuschaue. Seine Spielweise imponiert mir sehr.
Stimmt es, dass Sie sich viele Videos von anderen Verteidigern anschauen und deshalb schon mal Ärger mit Ihrer Frau haben?
Abdou Diallo: Die Videos im Internet nerven sie nicht so sehr, weil die kurz sind. Bei den großen Spielen, wie zum Beispiel in der Champions League, die es ja sehr häufig gibt, ist sie schon ein bisschen genervter. Aber diese Spiele will ich künftig auch nicht mehr vor dem Fernseher erleben, sondern im Stadion, am besten auf dem Platz (lacht).
Lucien Favre ist neu beim BVB. Was halten Sie bisher von ihm?
Abdou Diallo: Er ist ein sehr anspruchsvoller Trainer, der sehr auf Details fokussiert ist. Das gefällt mir sehr gut. Ich bin wirklich froh, mich für den BVB entschieden zu haben und fühle mich bisher bestätigt. Es ist genau das, wonach ich gesucht habe.