Dortmund. . Der neue BVB-Trainer Favre hofft in Dortmund auf dominanten Ballbesitzfußball. Trotz aller Vorfreude: Zum Start ist der Schweizer nervös.
Lucien Favre wirkt ein wenig verloren auf dem Podium im Dortmunder Stadion. Der neue Trainer von Borussia Dortmund blickt nicht nach vorne, wo die Journalisten seinen ersten Worten lauschen, sondern nach rechts, zum Pressesprecher. Und er spricht so leise, dass das Mikrofon vor ihm den Ton kaum aufgreifen kann. Erst als Sportdirektor Michael Zorc eingreift und das Gerät näher zum Mund des Trainers bewegt, ist dieser problemlos zu verstehen.
Man merkt: Öffentliche Auftritte sind eher nicht Favres Sache. Ein Dutzend Kamerateams und knapp 50 Journalisten sind gekommen, um den Auftritt des neuen BVB-Trainers zu beobachten. Und der ist erkennbar nervös.
BVB ist die bislang größte Station
Favre ist zwar bereits 60 Jahre alt und hat auf sieben verschiedenen Trainerstationen wie Hertha BSC und Borussia Mönchengladbach eine Menge Erfahrung gesammelt. Dortmund aber ist seine bislang größte Station – und so viel Aufmerksamkeit kann durchaus erst einmal einschüchtern.
Ganze 30 Sekunden dauert sein erstes Statement. Zum Vergleich: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hat zuvor fünf Minuten am Stück gesprochen, Zorc immerhin dreieinhalb Minuten.
Einigermaßen wohl fühlt sich der Schweizer erst, als nach der künftigen Dortmunder Spielweise gefragt wird. „Wir müssen das Spiel machen“, fordert er. Der 60-Jährige wünscht sich gepflegten Ballbesitzfußball mit sauberem Spielaufbau von hinten heraus – beginnend mit dem Torwart. Seine Mannschaft soll das Mittelfeld beherrschen – und vorne „intelligent Lücken finden“, wie er sagt. Und: „Wir müssen auch beherrschen, dass wir sehr, sehr hoch spielen.“ Sehr tief in der gegnerischen Hälfte also, was durchaus an den riskanten Spielstil unter Peter Bosz erinnert. Doch Favre, das hofft man in Dortmund, wird im Gegensatz zum spektakulär gescheiterten Niederländer ein paar Sicherheits-Ebenen in sein System einziehen. „Seine Mannschaften haben immer eine sehr gute Balance zwischen Offensive und Defensive“, sagt Zorc.
Und sie sollen schnell umschalten können. „Eine Mannschaft, die nicht kontern kann, ist keine große Mannschaft“, findet Favre. „Dann haben die Gegner keine Angst. Und wenn du kontern kannst, haben sie Angst.“ Das alles aber werde seine Zeit brauchen. „Das kommt nicht in einer Woche oder einem Monat“, meint der neue Trainer. „Aber wenn du das alles beherrschst, hast du schon eine sehr gute Mannschaft.“
Favre will sich adaptieren
#Ob er den aktuellen Kader, mit dem er an diesem Samstag die Arbeit aufnimmt, für hinreichend gut besetzt hält, mag der Schweizer nicht sagen, er habe den BVB nicht so intensiv verfolgt. Das muss man nicht zwingend glauben – im Klub erzählen sie seit Wochen, wie intensiv sich Favre per Videostudium mit seinen neuen Spielern befasst.
Aber so geht er allzu lästigen Nachfragen aus dem Weg – etwa jener, ob Favre gerne noch einen neuen Stürmer hätte. „Es wird sicherlich noch Bewegung in die eine oder andere Richtung geben“, sagt er. „Aber als Trainer musst du dich adaptieren und akzeptieren, dass manchmal nicht alles möglich ist.“
Watzke dämpft Erwartungen
Seine Chefs werden das gerne gehört haben – sie haben auch schon Trainer erlebt, die recht offensiv Verstärkungen forderten. Im Gegenzug bemühen sich Watzke und Zorc, die Erwartungshaltung zu dämpfen: „Titelträume haben wir nicht, wir haben eine sehr realistische Erwartungshaltung“, sagt Watzke. „Wir haben wie immer die Champions League als Ziel. Aber das war’s dann auch.“
Man muss dem neuen Mann den Start ja nicht schwerer machen, als er ohnehin schon ist.