Los Angeles. Nach Saisonende reist Borussia Dortmund noch in die USA. Marketing-Geschäftsführer Carsten Cramer nennt im Interview die Gründe und Ziele.

Carsten Cramer ist ein vielbeschäftigter Mann dieser Tage. Obwohl die Saison für Borussia Dortmund längst beendet ist, spielt der BVB weitere Spiele: In der vergangenen Woche in Zwickau und Herne, nun geht es nach Los Angeles – und Cramer als Geschäftsführer für den Bereich Marketing ist gewissermaßen Reiseleiter. Während des Flugs nimmt er sich Zeit für ein Interview und erklärt, warum die USA ein interessanter Markt sind, was sich der BVB von der Reise verspricht und warum er die Kritik an Auslandsreisen zwar versteht, aber nicht teilt.

Herr Cramer, gönnen Sie Ihren Spielern nach der Saison keinen Urlaub?

Carsten Cramer: Auch wenn der Termin für den Trainingsauftakt noch nicht zu 100 Prozent feststeht, läuft es trotzdem auf sieben Wochen Urlaub hinaus. Da wir ein ambitionierter Verein sind, haben wir die Saison immer so geplant, dass womöglich das Finale im DFB-Pokal oder in einem europäischen Wettbewerb erreicht wird. Als feststand, dass wir das in diesem Jahr nicht schaffen, haben wir in enger Abstimmung mit dem Sport überlegt, was wir noch machen können, damit die Pause nicht zu lang ist und wir vielleicht noch ein paar Interessen miteinander verknüpfen können. Und auch so haben die Spieler noch immer ausreichend lange Urlaub.

Die Spieler machen aber nicht unbedingt Jubelsprünge.

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Cramer: Diesen Eindruck hatte ich nicht, als wir kurz vor dem Abflug noch mit der Mannschaft gesprochen haben. Es gibt ja schlimmere Reisen. Natürlich hätten wir an diesem Tag am liebsten mit einem Pokal auf einem LKW gestanden und wären durch Dortmund gefahren. Aber wenn der Ersatzplan eine Reise für vier Tage nach Kalifornien ist, ist das meines Erachtens auszuhalten und zumutbar.

Mit einer ganzen Fußball-Mannschaft für drei Tage nach Los Angeles zu fliegen, ist ein beträchtlicher Aufwand. Das muss sich finanziell ja unheimlich lohnen.

Cramer: Wir machen das natürlich nicht nur zum Spaß. Das Geld ist das Eine, das Andere ist, in den USA  präsent zu sein. Dafür muss man auch etwas tun. Und noch einmal: Wenn ich mir Aktivitäten anderer Vereine anschaue, bin ich mir sicher, dass es schlimmere Reisen für die Spieler gibt.

Kann man beziffern, was Ihnen so eine Reise bringt?

Cramer: Das machen wir ungern, weil man einzelne Reisen schlecht herauslösen kann. Wir betrachten die US-Reisen und -Aktivitäten in diesem Jahr als ein Gesamtpaket und haben so viele Maßnahmen für diese Wochen und Monaten entwickelt, dass es keinen Sinn ergeben würde, zu sagen: Diese Reise bringt jenen Betrag. Wir wollen uns weiterentwickeln und Geld verdienen – diese Reise erfüllt beide Ziele.

Warum sind die USA ein interessanter Markt? Es ist ja kein klassisches Fußball-Land.

Cramer: Nein, aber der Fußball wächst, gerade auch in der jungen Generation. Der europäische Fußball genießt eine große Relevanz, die US-Liga MLS ist auf dem Weg, sehr erfolgreich zu werden. Und in Christian Pulisic haben wir einen Spieler, der sich zwar leider Gottes mit seiner Nationalmannschaft nicht für die Weltmeisterschaft qualifiziert hat, der aber einer der amerikanischen Superstars im Sport ist. Deswegen ergibt es sehr viel Sinn, jetzt in diesem Sommer hierhin zu kommen.

Spielt es Ihnen also in die Karten, dass die USA nicht bei der WM vertreten sind?

Cramer: Das ist nicht die richtige Formulierung. Dass wir Christian dabei haben, ist zweifellos ein riesiger Vorteil. Aber für die Entwicklung des Fußballs in den USA wäre es vermutlich besser gewesen, wenn sich die Nationalmannschaft für die WM qualifiziert hätte. Ich weiß nur nicht, ob wir diese Reise auch ohne Christian gemacht hätten. Das war ein weiterer unglücklicher Zufall, der letztlich für diese Reise gesprochen hat.

In Mario Götze, André Schürrle oder Julian Weigl ist unerwartet viel weitere Prominenz dabei. Macht das den Marketing-Verantwortlichen glücklich?

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Cramer: Auch so denken wir nicht. Wir haben von vorneherein bei allen Marketingaktivitäten immer darauf hingewiesen, dass wir in diesem Sommer immer mit der Gefahr zu leben haben, dass Nationalspieler und WM-Teilnehmer nicht dabei sind. Wir wollen natürlich, dass der Verein und seine Spieler erfolgreich sind. Deswegen hätten wir uns über jede Nominierung mehr gefreut.

Erleichtert es denn die Arbeit, dass man als Champions-League-Teilnehmer und nicht als Europa-League-Teilnehmer kommt?

Cramer: Die Champions League ist nicht umsonst unser Saisonziel, weil die Qualifikation dafür auch Ausdruck einer gewissen Qualität ist. Die Bundesliga bleibt das Wichtigste, aber insbesondere die Menschen im Ausland achten schon darauf, wer Champions League spielt und wer nicht.

Jetzt Los Angeles, später Chicago, Charlotte und Pittsburgh – wie kommt die Auswahl dieser Ziele zustande?

Cramer: Zum Los Angeles FC ist durch mehrere Besuche eine gute Beziehung entstanden. Und da die jetzt ihre Stadioneröffnung haben, kam die Idee, das im Anschluss an die Saison zu machen, als wir aus den Pokalwettbewerben ausgeschieden sind. Auf der zweiten Reise wollen wir weiter im Osten bleiben, um den Aufwand – Stichwort: Zeitverschiebung – so erträglich wie möglich zu halten. In Chicago leben viele Deutsche, in Charlotte sind vor allem viele deutsche Wirtschaftsunternehmen vertreten. Pittsburgh als ehemalige Stahl-Stadt hat erstaunliche Parallelen zu Dortmund – und zufällig spielen die Farben Schwarz und Gelb bei den Sportteams der Stadt, den Steelers, den Penguins und den Pirates auch jeweils eine wichtige Rolle.

Am deutschen Markt stagnieren die Merchandising-Erlöse, auch beim BVB. Soll das im Ausland kompensiert werden?

Cramer: Natürlich haben wir deutlich größere Wachstumschancen in Märkten, die noch nicht erschlossen sind. Wir müssen aber aufpassen, dass wir beides machen, so wie in den vergangenen Tagen: Sowohl Zwickau als auch Wanne-Eickel sind wichtig; nur Los Angeles wäre nicht gut. Aber in der Kombination ist das richtig.

Auslandsreisen werden bei den Fans in der Heimat dennoch kritisch gesehen. Sie haben Sorge, zu kurz zu kommen.

Cramer: Das können wir nachvollziehen. Fast alle, die für den Verein arbeiten, sind Westfalen, kommen aus der Region, und wissen, wo der Klub herkommt. Unsere internationalen Aktivitäten sind ergänzende und niemals ersetzende Maßnahmen. Aber es gibt natürlich auch in anderen Ländern Menschen, die sich für Borussia Dortmund interessieren. Und wenn man die Möglichkeit hat, die Menschen mit solchen Reisen zu erreichen, ist das absolut okay. Das darf natürlich nicht dazu führen, dass man dann anfängt, über weitere Anstoßzeiten oder die Auslagerung von Wettbewerben ins Ausland nachzudenken. Das geht definitiv zu weit. Aber komplett alles ablehnen und trotzdem im Konzert der Großen mitspielen wollen – das funktioniert auf keinen Fall.

Also wird auch der Fan in der Heimat den BVB im Sommer oft genug zu Gesicht bekommen?

Cramer: Natürlich, das ist auch ganz wichtig. Ich kann die Sorge der Fans auch verstehen, solche Reisen dürfen nicht dazu führen, dass wir uns zu weit von unserer Basis entfernen. Die Rückmeldungen, die wir da bekommen haben, haben wir verstanden. Und trotzdem bitte ich auch um Verständnis: Wir werden mit der Erwartung konfrontiert, wettbewerbsfähig zu sein. Dafür müssen wir die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. Und wenn man das so ausbalanciert, wie wir es tun, ist es für alle Seiten zumutbar.