Dortmund. Die organisierten Fans von Borussia Dortmund boykottieren am Montagabend das Heimspiel gegen Augsburg. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wenn die Spieler von Borussia Dortmund am Montagabend den Rasen betreten, dann wird das Dortmunder Stadion Austragungsort eines Konflikts, der Fußball-Deutschland seit Monaten bewegt. Verknappt geht es um die Frage: Soll die Bundesliga am Montag spielen? Die klare Antwort des Fanbündnisses Südtribüne: nein. Deswegen wollen die BVB-Anhänger die Partie gegen den FC Augsburg (20.30 Uhr, Eurosport-Player) boykottieren und gegen den Spieltermin protestieren. Doch was macht den Konflikt um die Montagsspiele so kompliziert? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Die Montagsspiele der Bundesliga

  • 30. März 1964 - 1. FC Saarbrücken – Borussia Dortmund 2:1: In der Premierensaison wurde der Ostermontag für Nachholspiele frei gehalten. Das erste von vieren an diesem Tag stieg in Saarbrücken (Anpfiff 14. 30 Uhr), wo das Schlusslicht vor 18.000 Zuschauern seinen ersten Heimsieg in der Bundesliga feierte. Das erste Montagstor schoss aber der Dortmunder Lothar Emmerich.
  • 30. März 1964 - VfB Stuttgart – Werder Bremen 2:0: Das Nachholspiel vom 18. Spieltag (Anpfiff: 15.00 Uhr) lockte 35.000 Zuschauer an. Dieter Höller (43.) und Friedrich Zipperer (71.) schossen den VfB gegen frühzeitig dezimierte Bremer (Jagielski schied nach 23 Minuten verletzt aus, Wechseln war noch verboten), zum Sieg.
  • 30. März 1964 - Eintracht Frankfurt – Hamburger SV 2:2: Um 18 Uhr fanden sich 38.000 Zuschauer im Waldstadion ein. Es ging wenig österlich zu. Weil der Schiedsrichter das vermeintliche Frankfurter Siegtor annullierte, musste ihn berittene Polizei schützen. Uwe Seeler schoss zwei Tore, setzte aber einen Elfmeter an den Pfosten.
  • 30. März 1964 - Eintracht Braunschweig – Hertha BSC 1:1 - Dieses Nachholspiel fand unter Flutlicht statt, wurde erst um 19.30 Uhr angepfiffen. 16.000 Zuschauer sahen ein gerechtes Unentschieden, mit dem die abstiegsbedrohten Berliner besser leben konnten. Die Tore durch Berlins Faeder (38.) und Eintrachts Meyer (43.) fielen vor der Pause.
  • 30. März 1970 - Eintracht Frankfurt – Alemannia Aachen 6:2: Das Spiel wurde wegen der Terminnot im Frühjahr 1970 von Ostersamstag auf Ostermontag (20 Uhr) verlegt. Aachen musste noch unter der Woche ein Spiel nachholen. In Frankfurt war der abgeschlagene Letzte dennoch chancenlos und brach nach der Pause ein, kassierte in den letzten 25 Minuten vier Tore. Bei kaltem Wind kamen nur 10.000 Zuschauer.
  • 27. April 1970 - RW Essen – Werder Bremen 3:2 - Dieses Nachholspiel vom 30. Spieltag (!) war das erste Montagsspiel an einem Werktag. Obwohl um 20 Uhr angepfiffen wurde, kamen immerhin 21.000 Zuschauer zu diesem Abstiegsduell, das Helmut Littek in letzter Minute für RWE entschied.
  • 15. April 1985 - Borussia Dortmund – Waldhof Mannheim 0:0 - Die Partie war für Freitagabend angesetzt, doch ein Regenguss machte den Rasen unbespielbar. Man entschied sich dafür, sie schon am folgenden Montag nachzuholen. Dienstag kam nicht in Frage, da die Nationalspieler beider Klubs schon gebraucht worden. 37.000 Zuschauer sahen keine Tore.
  • 31. März 1986 - Borussia Dortmund – Werder Bremen 1:1 - Mit Rücksicht auf zahlreiche Nachholtermine in der Liga wurde das Spiel um zwei Tage von Ostersamstag auf Ostermontag verlegt. Borussia knöpfte dem souveränen Tabellenführer vor 41.000 Zuschauern einen Punkt ab. Thomas Wolter schoss Werder früh in Führung (4.), der heutige BVB-Sportdirektor Michael Zorc sorgte per Elfmeter für den Ausgleich (19.).
  • 28. September 1987 - VfL Bochum – Bayer Uerdingen 1:4: Die Gründe für die Verlegung von Samstag auf Montag klingen kurios. Da die Bayern bei Nachbarklub Schalke 04 spielten, wollte der VfL einen eigenen Termin. Er fürchtete leere Kassen. Zudem hatten Uerdingens Nationalspieler Regenerationszeit nötig. Der DFB stimmte einer Verlegung zu. Es kamen dann trotzdem nur 5000 Zuschauer – und Bochum ging unter. Zwei Tore schoss der Ex-Bochumer Stefan Kuntz, zwei Mal traf Rudi Bommer.
  • 3. Oktober 1988 - 1. FC Nürnberg – Hamburger SV 1:4: Die Olympia-Teilnahme der DFB-Auswahl, die erstmals aus Bundesligaspielern bestand (zuvor waren es Amateure) sorgte für die Absage eines kompletten Spieltags. Der 9. Spieltag zerfiel in fünf Teile, die Vereine selbst durften sich auf Termine einigen. Nürnberg und der HSV fanden nur einen Montag. Vor 17.000 Zuschauern gewann der Favorit, Oliver Bierhoff eröffnete den Torreigen.
  • 16. April 1990 - 1. FC Nürnberg - Borussia Dortmund 1:3: Das im Februar ausgefallene Spiel wurde Oster-Montag nachgeholt. Die Nürnberger hatten schon Grün-Donnerstag spielen müssen, nun reichten die Kräfte nicht mehr. Eine Führung wurde verspielt, zwei Möller-Tore sorgten für die Entscheidung vor 37.000 Zuschauern.
  • 26. April 1993 - Werder Bremen – Bayern München 4:1: Der 28. Spieltag war ein Wochenspieltag, der schon Ostermontag (20. 15 Uhr) begann. Das Spitzenspiel wurde live auf SAT 1 (zahlte 750.000 DM) übertragen, da brauchte es seinen eigenen Termin. Das Weser-Stadion war ausverkauft (40.800). Werder stürzte den zunächst durch Ziege führenden Tabellenführer dank dreier Treffer nach der Pause. Wynton Rufer verwandelte gleich zwei Elfmeter, Andreas Herzog und Bernd Hobsch machten den Sack zu.
  • 1. September 1997 - 1860 München – Arminia Bielefeld 1:0: Die Partie wurde freitags kurzfristig abgesagt, wegen Dacharbeiten im Olympiastadion war die Sicherheit der Zuschauer nicht gewährleistet. Sie wurde drei Tage später neu angesetzt und wurde vor immerhin 34.000 Zuschauern ausgetragen. Bernhard Winkler schoss das Tor des Tages.
  • 28. Februar 2000 - Arminia Bielefeld – SSV Ulm 4:1: Wieder war Arminia von einer kurzfristigen Absage betroffen, diesmal auf eigenem Platz (unbespielbar). Statt Freitag wurde Montag (19. 30 Uhr) gespielt. Prompt riss Arminias Bundesligarekordserie (zehn Niederlagen), trotz frühen Rückstands. 13.041 Fans feierten die Doppel-Torschützen Jörg Bode und Markus Weissenberger.
  • 2. Mai 2016 - Werder Bremen – VfB Stuttgart 6:2: Aus polizeilichen Gründen – wegen befürchteter Ausschreitungen am 1. Mai – durfte sonntags nicht gespielt werden. Die DFL verlegte das Abstiegsduell auf den Montag (20.15 Uhr). Viele VfB-Fans boykottierten den Termin, es blieb ihnen ein Debakel erspart. Fin Bartels schoss zwei Tore. Aufgrund dieser Ansetzung gründeten VfB-Fans den kommerzkritischen Verein „FC Playfair“. (Udo Muras)

Seit wann gibt es die Montagsspiele?

Tatsächlich fand das erste Montagsspiel schon in der ersten Bundesligasaison statt. 1964 suchten die Spieler des BVB keine Eier, sondern verloren am Ostermontag ein Nachholspiel gegen den 1. FC Saarbrücken mit 1:2. Es folgten vierzehn weitere Partien am ersten Tag der Woche. Die Gründe sind vielfältig: der Osterhase, die Witterung, die Olympischen Spiele. Der VfL Bochum trat 1987 sogar freiwillig am Montag an, um mehr Fans ins Stadion zu locken. Das klappte nicht. Nur 5000 Fans sahen die 1:4-Pleite gegen Bayer Uerdingen. Seit dieser Saison sind nun zum ersten Mal fünf Montagsspiele fest eingeplant. Den Anfang machte Eintracht Frankfurt gegen RB Leipzig (1:0) in der letzten Woche. Jetzt folgt der BVB.

Warum gibt es die Montagsspiele?

Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) betont immer wieder, dass kommerzielle Gründe für die Termine nicht entscheidend waren. Denn: „Auf die Montagsbegegnungen entfällt weniger als ein Prozent der Medienerlöse“, so die DFL. Bei 1,16 Milliarden Euro pro Jahr sind das etwa 11,6 Millionen Euro. Vielmehr sollen die Europa-League-Starter wie der BVB, die am Donnerstagabend über die europäischen Fußballplätze rennen, einen Tag länger regenerieren können. Auch der traditionell am Sonntag stattfindende Amateurfußball soll entlastet werden. Alle 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga haben diesen Plänen zugestimmt. Um auch den reisenden Fans entgegenzukommen, wurden gleichzeitig die Englischen Wochen von vier auf zwei reduziert.

Warum gibt es dann Protest?

Die Gegner halten die Gründe der DFL für fadenscheinig. Sie sehen in den Montagsspielen eine weitere Kommerzialisierung des Fußballs. „Für uns ist der Punkt erreicht, an dem die Grenze des Hinnehmbaren endgültig überschritten ist“, erklärt etwa das Fanbündnis Südtribüne, für das es nur eine richtige Anstoßzeit gibt: Samstag, 15.30 Uhr. Allerdings: „Die Problematik rund um die Montagsspiele ist nur eine prägnante Facette eines schon länger andauernden Prozesses“, sagt Fan-Forscher Sebastian Uhrich von der Sporthochschule Köln im Gespräch mit dieser Redaktion. Fußball sei inzwischen ein Geschäft, „in dem die Vereine ihr Handeln vor allem an der Frage ausrichten, wie sie Geld verdienen können“, so Uhrich. Die Fans fürchten, dass ihre Interessen deswegen keine Rolle mehr spielen.

Was ist das Fanbündnis Südtribüne?

Eigentlich wurde das Bündnis Südtribüne vor allem mit dem Ziel gegründet, die Stimmung bei BVB-Spielen zu verbessern. Doch „auch in fanpolitischen Belangen, gegenüber der Vereinsführung oder der Öffentlichkeit, können wir mit einer starken Stimme sprechen“, erklären die Verantwortlichen. 38 Fanklubs gehören zum Bündnis – dazu zählen auch die Ultragruppierungen The Unity, Desperados und Jubos. Das macht 2261 Mitglieder – und viel Macht.

Bleibt die Südtribüne wirklich leer?

Dass sich auf dem Herzstück des Dortmunder Stadions tatsächlich keine Anhänger einfinden, ist eher unwahrscheinlich. Aber vermutlich werden große Lücken auf der sonst prall gefüllten Südtribüne klaffen. Über 350 Fanklubs haben angekündigt, dem Boykottaufruf zu folgen – auch zahlreiche Anhänger, die nicht in einer Fangruppe organisiert sind, wollen am Montag lieber auf der Couch liegen bleiben. Grundsätzlich lässt sich aber schwer einschätzen, wie groß die Gruppe der Gegner tatsächlich ist. Sebastian Uhrich vermutet, dass viele Stadionbesucher den Spieltermin „mehr oder weniger neutral zur Kenntnis nehmen“. Übersetzt: Es ist ihnen egal.

Bleibt es friedlich?

Da die aktive Dortmunder Fanszene erst gar nicht ins Stadion pilgern will, deutet alles darauf hin, dass der Abend friedlich verläuft. Auch organisierte Protestaktionen wie in Frankfurt vor einer Woche, als Fans der Eintracht den Anpfiff der Partie um zehn Minuten verzögerten, sind aus diesem Grund nicht zu vermuten. Die Polizei Dortmund erwartet „ein absolutes Grünspiel“, wie die Behörde auf Anfrage erklärt. Für Hans-Joachim Watzke sind Meinungsäußerungen generell kein Problem. „Es gibt natürlich gewisse Grenzen, die alle einhalten müssen, und ich gehe davon aus, dass das auch so passiert“, meint der Geschäftsführer der Borussia.

Wo wird die Partie übertragen?

Die Partie wird wie alle fünf Montagsspiele online im Eurosport-Player gezeigt.

Könnten die Montagsspiele wieder abgeschafft werden?

Eine Sache steht nach Informationen dieser Redaktion in jedem Fall fest: Die Montagsspiele sollen nach 2021 nicht ausgeweitet werden. Bis dahin sind die fünf Montagstermine pro Saison aber beschlossen und im TV-Vertrag verankert. Und dann? „Ohne Montagsspiele werden wir vielleicht ein, zwei Millionen Euro weniger einnehmen. Aber eine größere Einheit mit den Fans ist uns mehr wert“, sagt etwa Watzke. Auch Fan-Forscher Uhrich räumt den Anhängern genug Macht ein, die Montagsspiele abzuschaffen. Allerdings seien diese eben nur eine Ausprägung der Kommerzialisierung. „Den generellen Prozess werden sie nicht rückgängig machen können“, so Uhrich.

Gibt es eine Lösung in dem Konflikt?

„Letztlich ist der deutsche Weg schon eine Art Lösung“, meint Uhrich, „denn eigentlich hat es Deutschland in den letzten Jahren vergleichsweise gut hinbekommen, das Spannungsfeld aus Kommerzialisierung und Traditionsbewahrung zu managen“. Die Stimmung sei gut, die Eintrittspreise verhältnismäßig günstig. Und auch DFL-Geschäftsführer Christian Seifert gibt zu bedenken: „Wir haben nach wie vor die wenigsten Anstoßzeiten aller europäischen Top-Ligen.“ Trotzdem werden Fans und Vereine wohl auch in Zukunft immer wieder um die Ausrichtung des Fußballs ringen. Aber vielleicht ist das nicht Makel, sondern Aushängeschild der Bundesliga.