Essen. Mit Daniel Farke ist bereits der dritte ehemalige BVB-Trainer auf der Insel tätig. Sein Team Norwich City läuft der Rückkehr in die Premier League noch hinterher.
Erst ging Jürgen Klopp. Zum FC Liverpool im Oktober 2015. Ihm folgte sein Trauzeuge David Wagner. Einen Monat später zu Huddersfield Town. Und seit Sommer 2017 arbeitet auch Daniel Farke auf der Insel. Bei Norwich City. Der 41-jährige Paderborner ist der dritte ehemalige Profifußballtrainer von Borussia Dortmund innerhalb von nur zwei Jahren, der sein Glück in England sucht. Die Britischen Inseln ziehen an. Dass kürzlich Thomas Tuchel beim Premier-League-Spiel zwischen Manchester City und Tottenham Hotspur auf der Tribüne saß, ist sicher auch kein Zufall gewesen. Schwarz-Gelb an der Seitenlinie steht in England seit Klopps Einstieg in Anfield für Drama, Spannung, Vorwärtsfußball – und Erfolg.
Daniel Farke hatte bis Ende Mai als BVB-Regionalliga-Trainer eng mit Thomas Tuchel zusammengearbeitet, vertritt die gleiche Spielidee des Ballbesitzfußballs. Nun stemmt er im Osten Englands bei Zweitligist Norwich, einem aufgeregten Traditionsverein vergleichbar mit dem 1. FC Köln, die größte Herausforderung seiner Karriere.
Aufstieg mit Lippstadt
„Dabei war das alles gar nicht geplant“, gibt der einstige Paderborner BWL-Student Farke unumwunden zu. Der wollte sich 2009 beim Westfalenligisten SV Lippstadt als Sportlicher Leiter betätigen. Dann aber rutschte Farke als erfolgreiche Aushilfe an der Seitenlinie in die Trainerrolle hinein.
Seine Arbeit mit dem unerwarteten Lippstädter Aufstieg in die Regionalliga sprach sich herum. Borussia Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc holte Farke im Herbst 2015, nur ein Jahr nachdem der die Fußball-Lehrer-Lizenz erworben hatte, als Nachfolger von England-Auswanderer David Wagner für die zweite Mannschaft. Nach der Vizemeisterschaft mit dem BVB II in der Saison darauf gab es für Farke sogar Angebote aus der Bundesliga. „Norwich aber war die anspruchsvollste Aufgabe, der größte Reiz“, sagt der Westfale.
Farkes Aufgabe wird kein schneller Erfolg. Der langjährige Erstligist dürfte in dieser Saison nicht mehr die Rückkehr in die Premier League schaffen. Ausdauer, Nervenstärke, Überzeugungskraft sind nach einem personellen Komplettumbau sehr gefragt.
Potente Konkurrenz
„In der vergangenen Saison hatten wir den ältesten Kader und die schlechteste Abwehr. 16 Spieler sind gegangen, 13 neue gekommen. Wir mussten rund 20 Millionen Euro an Transferüberschuss erzielen“, zählt Farke auf. Zum Vergleich: Premier-Absteiger Middlesborough holte für 55 Millionen Euro Neuzugänge, Tabellenführer Wolverhampton verpflichtete für 18 Millionen in Ruben Neves den Kapitän des FC Porto, dazu transferierte Aston Villa kurzerhand Chelsea-Haudegen John Terry. Drei Beispiele der potenten Konkurrenz, die mit ihrem Personal erstmals die Marktwert-Schallmauer von einer Milliarde Euro geknackt hat.
Auch die Ansprüche in Norwich sind immens. Sportdirektor Stuart Webber, der 2015 David Wagner nach Huddersfield lotste, holte für Norwich den ersten ausländischen Trainer der Klubgeschichte. Sechs deutsche Spieler stehen im Kader, darunter der Ex-Bochumer Marco Stiepermann, Timm Klose aus Wolfsburg und der frühere Gladbacher Christoph Zimmermann, den Farke vom BVB II mitbrachte.
Die Wiederholung eines Aufstiegs a la Huddersfield, eines deutschen Weges in anderen Farben, fällt alle rdings schwer. „Wir sind ja nicht der totale Außenseiter wie Huddersfield in der vergangenen Saison. Realistisch ist für uns Platz fünf bis zwanzig“, sagt Trainer Farke, „von 24 Mannschaften wollen schließlich sicher 15 aufsteigen.“
Das wissen auch die Klubbesitzer. Die Kanarienvögel, so genannt wegen ihrer gelb-grünen Trikots, sind seit fast drei Jahrzehnten im Familienbesitz. BBC-Fernsehköchin Delia Smith und ihr Mann, der Publizist Michael Wynn-Jones, besitzen 53 Prozent der Klubanteile. „Unsere Owner sind Realisten und nicht an Börsenkursen interessiert“, sagt der Trainer.
Dennoch ist der Druck immens. „Und das nicht nur, weil wir so viel spielen wie die Bayern, wenn die ins Halbfinale der Champions League kommen”, sagt Farke. Fußball ist in England tief in der Gesellschaft verwurzelt, dessen Bedeutung im Alltag ist größer als in Deutschland. Erfolge des Lieblingsvereins bedeuten tagelang immer auch seelische Nahrung.
Jedes Heimspiel ausverkauft
Immerhin hat Farke das Derby gewonnen. 1:0 bei den Traktor Boys von Ipswich Town. Zwei Tage später waren 10 000 Norwich-Fans beim Pokalspiel im Emirates Stadium, das gegen Arsenal in der Verlängerung 1:2 verloren wurde. Mit rund 27 000 Zuschauern ist die Carrow Road bei nahezu jedem Heimspiel ausverkauft. Daniel Farke will die treuen Fans nicht enttäuschen. Und seine persönlich größte Herausforderung meistern. Sein Vertrag läuft bis 2019. Eine Rückkehr für Norwich in die Premier League kann auch noch im zweiten Trainerjahr gelingen.