Dortmund. Der BVB wirkt unter Trainer Peter Bosz kraftlos und ideenlos. Wie lange wollen die Bosse noch zuschauen? Die Zeit drängt. Ein Kommentar.
Noch im Sommer, als die Liaison frisch war, erstaunte Peter Bosz den BVB mit seiner Interpretation, was er unter Sommervorbereitung versteht. Ein Training pro Tag – das ist ungewöhnlich, wenn ein Trainer die körperliche Grundlage für eine komplette Fußballsaison legen will.
Das Ergebnis sah man Dienstag in der Champions League. Nach nur 30 Spielminuten erweckten die Spieler den Eindruck, als sei soeben die 80. Minute angebrochen: alle platt. Oder wie es Ex-Profi Didi Hamann ausdrückte: „eine tote Mannschaft“. Taktisch und körperlich am Ende.
Versteht Bosz den Pott etwa nicht?
Die Reaktion auf das 1:2 gegen Tottenham: ein freier Donnerstag – zwei Tage vor dem Derby gegen Schalke. Kann man machen. Man kann aber auch das Gegenteil tun: Alle Kräfte, und seien es die letzten, auf das konzentrieren, was den Fans im Revier am allerwichtigsten ist – auf das Spiel gegen den Erzrivalen. Malochen machte die Region groß. Versteht Bosz den Pott etwa nicht?
Die offensichtliche Kraftlosigkeit erinnert an die Bayern unter Carlo Ancelotti. Noch rechtzeitig haben sie in München das Missverständnis beendet und die Wende eingeleitet. Längst müssen sich die BVB-Bosse dieselbe Frage stellen: Wie lange wollen sie bei Bosz zuschauen?
Nicht mal ein Sieg über Schalke kann über Defizite hinwegtäuschen.
Denn machen wir uns nichts vor: Selbst wenn das Wunder gegen das Schalker Bollwerk mit Ach und Krach gelingen sollte, bleiben die Probleme bestehen. Mangelhafte Balance zwischen Abwehr und Angriff. Untaugliches Zweikampfverhalten. Individuelle Ballverluste. Verunsicherung nach jedem Gegentor.
Hannes Wolf machte es Peter Bosz vor
Es wäre die Aufgabe des Trainers, hier für Struktur und Reaktion zu sorgen. Zum Beispiel mit Plan B und C, wenn der Gegner seine Reihen umsortiert. Siehe das 1:2 beim VfB Stuttgart: Beim BVB hat man sehr wohl registriert, dass der ehemalige Zögling Hannes Wolf seine Mannschaft zur zweiten Halbzeit umgestellt und an Dominanz beim Heimspiel gegen Borussia Dortmund gewonnen hat - der eigene Trainer aber nichts dagegenzusetzen hatte.
Wenn aber zur Kraftlosigkeit Hilflosigkeit kommt und zur Ratlosigkeit Hoffnungslosigkeit, hat der Trainer seinen Offenbarungseid geleistet. Tatsächlich wirkt Bosz wie einer, der schon seit Jahren beim BVB arbeitet und jetzt, amtsmüde und abgenutzt, mit dem Latein am Ende ist. Das Fatale: Er ist gerade mal vier Monate in Dortmund.
Kapitän Marcel Schmelzer ist mit seinen Durchhalteparolen aufrichtig bemüht, Ruhe auszustrahlen. In der Öffentlichkeit lässt er nichts auf den Trainer kommen. Eilig werden Statistiken hervorgekramt, die eine Laufleistung attestieren, die überdurchschnittlich sein soll. Laufen ist das eine; die richtigen Wege zu finden, das andere. Beides ist Trainersache. Und da muss man feststellen dürfen: Die Defizite überwiegen. Der BVB bringt seine PS nicht auf den Rasen.
Die Zeit drängt beim Borussia Dortmund
Die Bayern, um darauf zurückzukommen, holten einen Trainer, der die Basics wiederherstellte. Fitnessprogramm, Stabilitätstraining, Raumaufteilung, Videoschulungen: Als diese Basics verinnerlicht waren, und das ging schnell, war die Mannschaft wieder in Schuss und siegte in Serie. Vermutlich braucht auch der BVB wieder einen, der an Grundprinzipien erinnert. Das kann, bei aller Kritik, Peter Bosz sein. Aber die Zeit drängt.
Zuletzt hieß es noch, 30 Punkte bis zur Winterpause könnten das Gefühl vermitteln, dass die Qualifikation zur Champions League im Verlauf der Rückrunde nicht in Gefahr gerät. Von diesem Zwischenziel ist Bosz jetzt zehn Punkte bei noch fünf ausstehenden Bundesliga-Spielen entfernt. Ein Auftritt wie zuletzt beim 1:2 gegen Tottenham beschleunigt das Verfahren: Er muss nicht nur am Samstag gegen Schalke gewinnen -- er muss überzeugend siegen, er ganz persönlich.