Dortmund. . Ist das System von Trainer Peter Bosz zu riskant, um gegen Gegner mit hohem Niveau zu bestehen? Sportdirektor Michael Zorc widerspricht nach dem 2:3 – und geht hart mit der Mannschaft ins Gericht.
Eine milde Nacht war gekommen und wieder gegangen, der neue Tag erschien mit wärmenden Sonnenstrahlen, sogar in Dortmund. Aber das änderte nichts an den Befindlichkeiten im schwarz-gelben Fußball-Kosmos. Die Ereignisse des Vorabends schmerzten noch. Die schöne Heimserie von 41 Spielen ohne Niederlage? Beendet. Der Nimbus der Unbesiegbarkeit in dieser Bundesliga-Saison? Genommen. Und dann auch noch von einem Gegner, der in der Stadt nicht die allergrößten Sympathien genießt, von Rasenballsport Leipzig. 2:3 hatten die Fußballer von Borussia Dortmund das mitreißende Spitzenspiel verloren und damit Thesen aufgeworfen, die schon länger den Verein begleiten.
Sehenden Auges ins Verderben?
Zum Beispiel jene, die besagt, dass es für diesen BVB, neu ausgerichtet von Trainer Peter Bosz im vergangenen Sommer, auf allerhöchstem Niveau noch nicht reicht. Dass das 4-3-3-System des Niederländers in Verbindung mit der riskanten Vorwärtsverteidigung gegen Mannschaften mit höherer individueller Qualität direkt und sehenden Auges ins Verderben führt.
Argumente für diese Theorie lassen sich im Verlauf der bisherigen Saison mühelos zusammentragen. Gegen das spanische Star-Ensemble Real Madrid (1:3) und gegen den englischen Vize-Meister Tottenham Hotspur (1:3) gab es in der Champions League in zwei Spielen zwei Niederlagen. Gegen den ersten Gegner aus der Spitzengruppe der Liga setzte es nun erneut drei Gegentreffer. Drei Spiele, null Punkte, vier zu neun Tore gegen Königsklassen-Niveau. Zufall, Herr Zorc? Oder steckt der Fehler vielleicht doch im System? „Wenn ich das Spiel von gestern analysiere, dann gelange ich schnell zu der Erkenntnis, dass das eine Diskussion ist, die zu 100 Prozent am Thema vorbei geht“, sagt der Sportdirektor im Gespräch mit dieser Zeitung und argumentiert, dass „wir keine Konter-Tore kassiert haben“.
Schwache Mannschaftsleistung
Gegen Leipzig resultierten die Gegentreffer aus Schlafmützigkeit (Jeremy Toljan) nach einem Freistoß, Schlafmützigkeit (Toljan, Sokratis) im direkten Duell mit dem Gegenspieler und einem verheerenden Ballverlust (Julian Weigl).
„Wir haben individuell in vielen Fällen eine unterdurchschnittliche Leistung geboten, und dadurch ist eine schwache Mannschaftsleistung entstanden“, meinte Zorc am Sonntag, noch immer aufgewühlt.
Denn noch immer fehlte ihm das Verständnis dafür, wie diese Niederlage zustande gekommen war, weil Leipzig so spielte, wie es erwartet und besprochen worden war: kampfeslustig, lauffreudig, wuchtig. Und dennoch wirkte der BVB überrascht. Die Spieler hätten sich „in Zweikämpfen abkochen lassen“, tadelte Zorc: „Wir hatten keine Aktivität und keine Aggressivität auf dem Platz, manchmal sah das fast aus wie bei einem Freundschaftsspiel.“ Und damit war die Mängelliste noch nicht vollständig erstellt. Der Spielaufbau? „Zu langsam, zu behäbig“, urteilt Zorc, „wir waren nicht mutig genug und sind nie wirklich ins Spiel gekommen.“
Bartra nur auf der Bank
Das monierte auch Peter Bosz. „Wir haben zu viel zurückgespielt, weiter vorne sind unsere Spieler, die für Ideen sorgen. Da ist immer ein freier Mann, wenn man schnell und mutig spielt, findet man ihn auch“, sagte der Trainer. Was allerdings verwundert: Den Innenverteidiger, der am entschlossensten und sichersten nach vorn kombiniert, Marc Bartra, hatte Bosz zunächst auf die Bank gesetzt. Der ungewohnt zögerliche Sokratis und Ömer Toprak schoben sich die Bälle hin und her, der oft abgedeckte Mittelfeldstratege Nuri Sahin wurde in der Halbzeit ausgewechselt. Doch da hatte sich die Partie schon entscheidend in Richtung Leipzig bewegt.
Aus schwarz-gelber Sicht ließe sich etwas Zuversicht daraus generieren, dass zumindest ein Punkt sehr gut möglich gewesen wäre, wenn Pierre-Emerick Aubameyang seinen beiden Toren ein drittes hinzugefügt hätte. Chancen dazu hatte er, seine Mannschaftskameraden ebenfalls.
Montag geht’s nach Zypern
So aber geht es schon am Montagmorgen mit einem Misserfolgserlebnis nach Zypern, wo am Dienstag gegen Apoel Nikosia die nächste Champions-League-Aufgabe wartet – und ein Sieg Pflicht ist.
Den Makel, auf höchstem Niveau nicht gewinnen zu können, wird die Borussia gegen den Außenseiter auch mit einem Sieg kaum abstreifen können. Eher schon im nächsten Heimspiel am 4. November. Dann ist Bayern München zu Gast.