Dortmund. Der neue BVB-Trainer Peter Bosz soll den Klub in eine erfolgreiche Zukunft führen. Gleichzeitig ist er auch Retter des niederländischen Fußballs.

Manchmal wirbeln die Worte nur so umher im Kopf von Peter Bosz. Der neue Trainer von Borussia Dortmund spricht mehrere Sprachen fließend, was dazu führt, dass sich Vokabeln manchmal an die Hand nehmen und plötzlich nebeneinander zum Stehen kommen. Neulich ist Bosz gefragt worden, was ihm beim Fußball das Wichtigste sei. Er antwortete: gewinnen. Aber auch, dass man Pläsier beim Zuschauen habe. Pläsier. Das klang so hübsch ungewöhnlich, dass es gleich noch vergnüglicher wurde.

In Dortmund hoffen sie sehr, dass der neue Mann jenes Vergnügen mitbringt – und Ergebnisse. Aber um genau zu sein, enden die Erwartungen an den 53-Jährigen keineswegs dort. In seiner Heimat sind sie womöglich noch größer.

„Peter Bosz ist ein Hoffnungsträger für den niederländischen Fußball“, sagt Youri Mulder (48) im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Ex-Schalke-Stürmer ist heute beim niederländischen Verband Spezialtrainer in der Jugendausbildung. Er hat einen guten Blick auf das, was sich in dem Land abspielt, das in Sachen Fußball ein so stolzes ist, das stets Spieler und Trainer in die internationalen Topklubs exportierte und so seinen Einfluss auf den europäischen Fußball ausübte. Doch es gab schon bessere Zeiten.

Louis van Gaal befindet sich seit seinem Abschied von Manchester United 2016 im Ruhestand, Bondscoach der Niederländer ist Dick Advocaat – er ist 71 Jahre alt. Es gäbe „derzeit nicht so ganz viele gute Trainer im Ausland“, sagt Mulder. Frank de Boer steht bei Crystal Palace in der Premier League unter Vertrag. Ronald Koeman trainiert den FC Everton. Vor allem Koeman lässt nicht das spielen, wofür der holländische Fußball steht: Offensive, Technik, Tore. Pläsier eben.

Offenbar liegt das Problem aber nicht nur bei den Trainern. Mulder spricht nun über die niederländische Trainerlegende Rinus Michels, Vize-Weltmeister 1974 und Europameister 1988, und fragt: „Ist Michels durch Michels so groß geworden oder auch durch einen Spieler wie Johan Cruyff? Gute Trainer brauchen gute Spieler.“

Früher gab es Marco van Basten, Ruud Gullit und Frank Rijkaard. Solche Spieler von Weltrang fallen einem derzeit nicht in Scharen ein. „Es kommen viele gute Jugendspieler nach. Sie haben Platz, sich zu etablieren, weil es derzeit hinter Robin van Persie, Klaas-Jan Huntelaar und Wesley Sneijder ein Vakuum gibt“, meint Mulder. So gilt der mit seinen 33 Jahren auf die Rente zusteuernde Arjen Robben vom FC Bayern als Vorzeigekicker.

Deshalb war und ist Bosz so wichtig für seine Heimat. Beim BVB, mit dem er heute das einwöchige Trainingslager in Bad Ragaz bezieht, sitzt er auf der Bank des siebtbesten Vereins Europas. Und er lehrt die reine Lehre Cruyffs vom Voetbal total. Dem ruhmreichen Topklub Ajax Amsterdam verschaffte er mit dem Finaleinzug in der Europa League im letzten Jahr einen Teil der alten Reputation. Im Viertelfinale bezwang Ajax Schalke 04. Mulder: „Das hat dem niederländischen Fußball gut getan. Die Menschen haben Schwarz gesehen. Auch im Verband.“

Streit um die Ausrichtung

Es gab jene, sagt Mulder, die meinten, der niederländische Fußball müsse in der Ausbildung physischer werden, um international mithalten zu können. „Bosz und Ajax haben mit ihrem kultivierten Fußball den Beweis geliefert, dass man seinen Tugenden treu bleiben sollte. Das hat bei vielen zu einem Umdenken geführt“, erinnert sich Mulder.

Bosz war also schon einmal so etwas wie der Retter der niederländischen Fußball-Identität. Vielleicht baut er diesen Ruf in Dortmund aus. Es wäre ihm gewiss ein Pläsier.