Sotschi. Joachim Löw stärkt dem Dortmunder WM-Helden Mario Götze den Rücken. Der Bundestrainer spricht im Interview über etablierte Spieler, Konkurrenzdruck und die “Neue Deutsche Welle“.
- Joachim Löw lobt seine Mannschaft für die Leistungen beim Confed-Cup
- Im Finale geht es nun am Sonntag gegen Chile um den Turniersieg
- Ein Gespräch mit dem Bundestrainer über die „Neue Deutsche Welle“, die Zukunft von Mario Götze und ein unmoralisches Angebot
Joachim Löw grinst und antwortet auf Englisch: „Yes, I hope so!“ Ein brasilianischer Reporter hatte den Bundestrainer nach dem fulminanten Halbfinal-Sieg beim Confed-Cup gegen Mexiko (4:1) gefragt, ob man bei der WM 2018 mehr von diesen starken Spielern erwarten kann als nur die angekündigten zwei bis drei. Löw ist zufrieden. Sein Experiment ist gelungen. Alles scheint aufzugehen, im Finale geht es nun am Sonntag (20 Uhr/ARD) gegen Chile um den Turniersieg. Wir trafen den 57-Jährigen für ein Gespräch über die „Neue Deutsche Welle“, die Zukunft von Mario Götze und ein unmoralisches Angebot aus China.
Herr Löw, reiben Sie sich manchmal die Augen, wenn Sie ihre junge Mannschaft hier spielen sehen?
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Joachim Löw: Wenn man Mexiko in einem Halbfinale 4:1 schlägt, ist das natürlich schön. Es war eine grandiose Leistung. Kompliment an unsere jungen Spieler. Das hat man sich vielleicht mal gewünscht, aber damit konnte man nicht unbedingt rechnen vor dem Turnier. Dennoch bin ich nicht übermäßig überrascht. Wir haben schon im Training gesehen, dass die Dinge gut funktionieren und die Spieler unglaublich ehrgeizig sind.
Sie sind jetzt nur noch einen Schritt vom Turniersieg entfernt.
Löw: Chile ist der stärkste Gegner im Turnier. Das gibt sicherlich einen Abnutzungskampf. Wir werden alle Hände voll zu tun haben. Beide Mannschaften kennen sich jetzt gut. Wir wissen, dass die Chilenen die Mannschaft sind, die am flexibelsten Spielen und einen eigenen Stil entwickelt haben.
Schreiben Sie auch hier Tagebuch?
Löw: Ja.
Wir würden natürlich gerne wissen, was da drin steht?
Löw: (lacht) Ich habe bereits bei der WM 2014 Tagebuch geführt. Nicht jeden Tag, aber schon in regelmäßigen Abständen. Ich mache mir Notizen über Gespräche mit Spielern, über Trainingsinhalte, über wichtige Schritte in der Entwicklung einzelner Spieler und der Mannschaft.
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Welches Fazit des Confed-Cups würden Sie ins Tagebuch schreiben?
Löw: Die Mannschaft hat in diesem Turnier sehr vieles gelernt. Es ist schon jetzt eine großartige Erfahrung. Es gab in jedem Spiel Situationen, die schwierig waren. Wir lagen gegen Chile zurück, wir haben gegen Kamerun eine nicht so gute erste Halbzeit gespielt. Aber diese junge Mannschaft hat sich immer wieder gefangen. Diese Erfahrungen nehmen die Spieler mit, sie werden helfen, in den nächsten Jahren bei ganz großen Turnieren ihren Mann zu stehen. Das ist unheimlich wertvoll.
Die Spieler üben Druck auf die Etablierten, die Sie zu Hause gelassen haben, aus. Gefällt Ihnen das?
Löw: Selbstverständlich. Meine Priorität war, neue Konkurrenzsituationen zu schaffen. Da muss und wird es in Zukunft Veränderungen geben.
Werden Sie nach dem Confed-Cup einen Neuanfang ausrufen? Oder haben Ihre altgedienten Weltmeister einen Bonus?
Löw: Bei Null geht es nicht los. Die Spieler, die Sie gerade beschrieben haben, bewegen sich auf einem Weltklasseniveau. Und genau dieses Niveau müssen wir haben, wenn wir wieder Weltmeister werden wollen. Boateng, Kroos, Hummels, Neuer, Müller oder Özil haben diese Klasse. Das ist die Messlatte, und daran müssen alle sich messen lassen. Ein solches Niveau muss man erst mal erreichen. Aber es ist gut, dass Spieler nachrücken, die den Hunger und die Qualität haben, Druck auszuüben. Das heißt: Die Etablierten in der Mannschaft müssen ihr Motivationslevel hochhalten.
Gehört zu den Etablierten, die einen Bonus genießen, auch Mario Götze?
Löw: Ja, er gehört auch dazu.
Götze fiel monatelang wegen einer Stoffwechselerkrankung aus. Ist er deshalb ein Sonderfall, dem Sie die Türe zur WM offenhalten?
Löw: Ich habe zuletzt einige Male Kontakt zu Mario gehabt und einen guten Eindruck gewonnen, er ist positiv und optimistisch. Ich hoffe, dass er bald wieder ins Training einsteigt. Für mich ist er ein außergewöhnlicher Fußballer. Wenn er seine Qualität umsetzen kann, ist er für mich ein Spieler, den ich nicht so einfach fallen lasse.
Der chinesische Fußballverband wollte Sie als Nationaltrainer verpflichten. Er soll Ihnen für rund zwei Jahre 50 Millionen Euro Gehalt geboten haben. Überlegt man da mal?
Löw: Mein Vertrag beim DFB läuft bis 2020. Deshalb trete ich derzeit in keine Verhandlungen ein. Es gibt immer mal wieder Angebote, klar. (…) Mein erster Ansprechpartner ist der DFB.
China flutet den Fußball mit irrsinnigen Millionensummen. Ist das eine Gefahr?
Löw: Die Summen, die da teilweise im Raum stehen, sind schon abenteuerlich. Dass manche Spieler das vielleicht nutzen, kann man vielleicht nachvollziehen. Aber auf der anderen Seite muss man sich schon einmal die Frage stellen: Was will man denn? Und wie will man das erreichen? China möchte einmal die WM ausrichten und auch Weltmeister werden. Darauf ist sehr viel ausgerichtet. Sie haben ein Millionenreservoir an jungen Fußballern. Ob man das Ziel so erreicht, wie sie es jetzt angehen, weiß ich nicht. Das Wichtigste für China ist, dass sie ihre eigenen Spieler professionell ausbilden, dass sie Akademien gründen und im Nachwuchsbereich gute, junge Trainer einstellen. Dann kann China es schaffen, auf die großen Fußballnationen aufzuschließen. Zurzeit scheint eher die Vermarktung im Vordergrund zu stehen, um die chinesische Liga attraktiver zu gestalten.
Für welche Spieler wäre China attraktiv?
Löw: Ich denke, dass jüngere Spieler mit großen Ambitionen im Moment den Schritt nach China nicht gehen würden. Diese Spieler wollen zum größten Teil einen anderen Weg einschlagen. Sie wollen sich mit den besten messen, in den großen Ligen spielen und wichtige Titel gewinnen. Das muss auch so sein.
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Miroslav Klose hätte vermutlich in China noch spielen können. Aber er hat seine Karriere beendet und ist nun Trainerazubi bei Ihnen. Könnten Sie sich Ihn langfristig auch als Ihren Nachfolger vorstellen?
Löw: Er hat großes Interesse am Trainerberuf, das spüre ich. Er kniet sich in seine Aufgabe richtig rein. Aber er ist erst am Anfang dieses Weges und spürt, dass Spieler und Trainer zwei vollkommen unterschiedliche Perspektiven sind. Miro hat die Gabe, Stärken und Schwächen von Offensivspielern sofort zu erkennen. Intuitiv und aus seiner immensen Erfahrung heraus. Er hat eine sehr gute Sichtweise auf die Stürmer und gibt ihnen gute Ratschläge. Daran merkt man, dass er einmal ein Weltklassestürmer war. Davon können wir und unsere Spieler enorm profitieren. Andere Dinge wird er sich noch aneignen. Methodik, Trainingsvor- und Nachbereitung, Scouting, Analysen, Gegnerbeobachtung und, und, und.
Die Bundesliga wird dominiert von Bayern München. An der Spitze wird es immer langweiliger. Würden Sie eine Meisterrunde befürworten, in dem der Titel im Play-Off-Modus ermittelt wird?
Löw: Nein, davon bin ich kein Freund. Ich denke, das wäre keine Lösung. Man sieht doch am Beispiel von Hoffenheim oder Freiburg, dass Klubs mit vermeintlich geringem Budget sportlich mithalten und einen Platz im internationalen Geschäft erreichen können.