Dortmund. Erst nach dem Spiel gegen Monaco wird deutlich, als welche Zumutung die Spieler die Partie empfanden. Sie hätten sich einen anderen Termin und Mitspracherecht gewünscht.
- Erst nach dem Spiel gegen Monaco wird deutlich, als welche Zumutung die Spieler die Partie empfanden
- Sie hätten sich einen anderen Termin und Mitspracherecht gewünscht
- Sokratis weint und wählt klare Worte
Sie hatten dieses Gefühl offenbar alle gehabt, aber so richtig aussprechen konnten und wollten sie das erst, als die Sache vorüber war. Dieses Fußballspiel, das zu den Highlights vieler Karriere hätte gehören können, dieses Viertelfinale der Champions League gegen die AS Monaco, das einen Tag später stattfinden musste, weil ein Sprengstoffanschlag dem Leben der Spieler von Borussia Dortmund gegolten hatte. Und nicht einmal 24 Stunden danach sollten sie schon wieder Fußballspielen als das Wichtigste empfinden, sollten sie wieder in den Bus steigen, sollten sie einfach wieder funktionieren. Wie auf Knopfdruck.
Mit jedem Spieler, der da am Mittwochabend nach dieser übergroßen Aufgabe und der 2:3-Niederlage das Stadion wieder verließ, wurde klarer, welche Tortur, welche Zumutung all das für sie gewesen war. Sie hatten sich den Umständen gebeugt, waren angetreten, auch um ein gesellschaftliches Zeichen gegen die Diktatur des Terrors zu setzen. Aber für die Menschen, die da in den schwarz-gelben Trikots gesteckt hatten, war das alles nicht zu verarbeiten gewesen. Tapfer hatten sie sogar noch um ein besseres Ergebnis gekämpft. Aber als es überstanden war, erhoben die traurigen Dortmunder Helden Anklage.
Sokratis mit Tränen in den Augen
Sokratis (28) zum Beispiel. Der Verteidiger zählt zu den erfahrensten Akteuren im Kader der Borussia. Er ist bekannt dafür, dass er keine Kompromisse macht, dass er tut, was getan werden muss. Maximal entschlossen, nie zweifelnd. Mit Tränen in den Augen stand er nach dem Schlusspfiff vor den eigenen Fans, die Applaus spendeten für diese Leistung. Weniger für die fußballerische Leistung, denn für die menschliche. Als es vorbei war, sagte der Grieche: "Wir sind keine Tiere, sondern Menschen."
Aber so hatte sich das offenbar für ihn und seine Mannschaftskameraden angefühlt: Wie vom Europäischen Fußball-Verband Uefa an der Kette in die Manege des millionenschweren Zirkus geführt zu werden, um dort die üblichen Kunststückchen zu vollbringen. Allez-hopp. Niemand hatte die, die es am meisten betraf, um ihre Meinung gebeten. So berichteten es Trainer Thomas Tuchel (43) und auch die Spieler. Eine Bombe war explodiert, hatte den Mitspieler Marc Bartra beträchtlich verletzt. Aber am Bus stehend seien sie vor vollendete Tatsachen gestellt worden.
"Bei aller Größe des Wettbewerbs sind wir trotzdem Menschen. Das ist und das darf nichts Normales werden. Wir haben unfassbares Glück gehabt, das wissen wir alle. Da darf man nicht so einfach zur Tagesordnung übergehen", meinte Dortmunds Kapitän Marcel Schmelzer: "Ich glaube, wir wären alle gerne gefragt worden, weil es uns betroffen hat und nicht die Leute, die es im Büro entschieden haben, dass das Spiel stattfinden muss. Wir hätten uns sehr, sehr, sehr darüber gefreut, wenn es an einem anderen Tag hätte stattfinden können."
Auch Schmelzer ist mit seinen 29 Jahren ein erfahrener Mann, er hat viel mitgemacht mit diesem BVB. Aber in einem solchen Ausnahmezustand war er noch nie. Das Training am Mittwochvormittag habe ihnen gut getan, das ja. Es habe sie abgelenkt, es habe sich gut angefühlt, etwas zu tun, nicht nur zu denken. Aber "obwohl du dich aufs Spiel vorbereiten willst, redest du trotzdem nur über über dieses eine Thema", berichtet der Kapitän.
Hymne der Königsklasse kündet sonst von feierlichen Abenden
Die Hymne der Königsklasse kündet sonst von feierlichen Abenden. Nuri Sahin in einem Interview mit dem norwegischen TV-Sender Viasport nutzte sie eine Zeit lang als Klingelton auf seinem Handy. Doch als sie im Stadion erklang, war das nur der Hinweis für die Dortmunder Profis, dass da gleich ein Spiel angepfiffen wird, von dem sie der Meinung waren, dass es niemals würde angepfiffen werden dürfen.
„Wir sind alle Menschen. Was passiert ist, das wünsche ich niemandem", schilderte jener Nuri Sahin (28) beinahe mit erstickender Stimme. Die lange gemeinsame Zeit beim BVB hat aus Sahin und Schmelzer Freunde gemacht, weil sie gleich über die Dinge denken, weil sie die gleiche soziale Kompetenz haben, weil sie sich um ihre Mannschaftskameraden kümmern und so aus ihnen eine Einheit machen. Im Bus saßen sie nebeneinander, als die Bomben detonierten.
Die Tragödie war nur Zentimeter entfernt
"Mein ganzes Leben werde ich die Bilder nicht mehr vergessen, den Gesichtsausdruck von Schmelle", sagte Sahin. Metallsplitter wurden nach dem Anschlag in den Kopflehnen gefunden. Die Tragödie war nur Zentimeter entfernt. Der Schrecken wird dadurch nicht kleiner, im Gegenteil, er entwickelt sich über den Moment des Unglücks hinaus. "Erst als ich am Dienstag nach Hause kam und meine Frau und mein Sohn vor der Türe standen, da habe ich realisiert, wie viel Glück wir hatten", sagt Nuri Sahin: "Das war nicht schön heute.“