Dortmund. Vor dem Spiel in Darmstadt fielen BVB-Anhänger erneut negativ auf. Es illustriert die Probleme, die der Klub und seine Fans miteinander haben.

  • Vor dem Spiel in Darmstadt fielen BVB-Anhänger erneut negativ auf
  • Es illustriert die Probleme, die der Klub und seine Fans miteinander haben
  • Eine Analyse

Das Bundesligaspiel bei Darmstadt 98 war noch gar nicht angepfiffen, da hatte die Laune bei Borussia Dortmund schon einen ersten Dämpfer erhalten: Da sickerte durch, dass die hessische Polizei in der Nähe von Gießen nach einem Tipp zwei Busse kontrolliert hatte, die auf dem Weg nach Darmstadt waren – und bei den 90 Insassen allerlei Dinge gefunden hatte, die eher nicht benötigt werden, um ein Fußballspiel friedlich zu verfolgen: Pyrotechnik, Kampfsporthandschuhe, Schmerzmittel, Drogen. Und Sturmhauben in Schwarz-Gelb, darauf das BVB-Logo und daneben ein „h“ in Frakturschrift – dem Zeichen, unter dem sich jene versammeln, die mal als „vierte Gruppe“, mal als „0231 Riot“ bezeichnet werden und die seit einiger Zeit die Dortmunder Fanszene aufmischen.

BVB empört sich am Sonntag in einer Mitteilung

Es war ein Vorfall, der viel sagt über die speziellen Schwierigkeiten der Dortmunder Fanszene und die Hilflosigkeit von BVB und Deutschem Fußball-Bund, damit umzugehen. Denn die 90, die da auf dem Weg nach Darmstadt unterwegs waren, scherten sich erkennbar wenig darum, dass sie ihrem Verein abermals einen Bärendienst erwiesen. „Wer mit Sturmhauben, Pyrotechnik und Kampfausrüstung im Namen von Borussia Dortmund unterwegs ist, missbraucht die Farben und Werte unseres Vereins“, empörte sich der Verein in einer Mitteilung am Sonntag.

Der Klub steht ohnehin unter besonderer Beobachtung, seit beim Bundesligaspiel gegen RB Leipzig Fans beleidigende und gewaltverherrlichende Banner zeigten. Und außerhalb des Stadions attackierten vor Anpfiff knapp 400 Chaoten mit Dosen, Flaschen und anderen Wurfgeschossen Leipziger Fans, verletzten dabei zehn Menschen. Nun ist die Empörung groß, der Kontrollausschuss des DFB hat wegen der Plakate und weiterer Vorfälle beantragt, dass der BVB seine legendäre Südtribüne für ein Spiel sperren muss – und seit Montagmittag ist klar: Der Verein akzeptiert diese Strafe, die Südtribüne bleibt beim Heimspiel gegen Wolfsburg leer.

Und nicht nur der Klub steht unter Schock: „Solche Bilder, in solche hasserfüllten Fratzen habe ich noch in keinem meiner Polizeieinsätze gesehen - ich bin schockiert!“, sagte Edzard Freyhoff, Dortmunds Polizeidirektor, der den Einsatz geleitet hatte.

Leipzig, der mit Millionen des Getränkekonzerns Red Bull alimentierte Aufsteiger, gilt den Ultras, die sich als Wächter der Fußballtradition gerieren, als Feindbild Nummer eins. BVB und RB Leipzig hatten daher im Vorfeld darauf gedrängt, die Partie als Risikospiel einzustufen, doch die Polizei und das nordrhein-westfälische Innenministerium lehnten ab.

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Die öffentliche Kritik konzentriert sich seitdem vor allem auf den BVB und seinen Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der sich vorher als großer RB-Kritiker profilierte. In Leipzig werde „Fußball gespielt, um eine Dose zu performen“. Oder: „Die müssen in der Rückrunde noch bei uns spielen. Die werden hier was erleben.“ Ein Satz, der nur aufs Sportliche gemünzt war, der dem BVB-Boss nun aber als Aufwiegeln der eigenen Fans ausgelegt wurde.

BVB-Führung und Ultras führen ohnehin ein schwieriges Verhältnis: Einerseits braucht der Klub seine emotionalen Anhänger – gerade aktuell ist immer wieder zu sehen, um wie viel leichter sich die junge Mannschaft tut, wenn sie vom eigenen Publikum leidenschaftlich nach vorne gepeitscht wird. Doch gerade der besonders laute Kern hat schon immer auch besonders großen Ärger bereitet, wenn er, insbesondere bei Auswärtsspielen, Pyrotechnik abbrannte. Der BVB hat den Kurs zuletzt verschärft, Stadionverbote ausgesprochen und einigen Gruppen die Auswärtsdauerkarten entzogen. Bald werden weitere Privilegien gestrichen.

Männer aus der Kampfsportszene mit Einfluss in etablierten BVB-Ultragruppen

Für den Klub ist es eine Gratwanderung. Je weiter er die Daumenschrauben anzieht, desto mehr könnten sich die moderaten unter den Ultras mit jener neuen, offenen gewaltbereiten Gruppe solidarisieren. Mit jenen Männern, die aus der Kampfsportszene kommen, die sich vor Spielen mit Drogen aufputschen und vor denen, so hört man, auch die mit großem Einfluss in den etablierten Ultragruppen Angst haben.

Wie umgehen mit jenen Radikalen? Ein Stadionverbot ist nur möglich, wenn sich Fehlverhalten konkret zuordnen lässt. Natürlich könnte der BVB auch einfach zur kommenden Saison die komplette Südtribüne neu besetzen. Aber dann, so fürchten sie im Klub, kommt es eben außerhalb des Stadions zu Straßenschlachten.

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Es sind Gedanken wie diese, die die Verantwortlichen des Klubs umtrieben, als sie bis Montagmittag darüber entscheiden mussten, ob sie den Antrag des DFB-Kontrollausschusses annehmen oder Widerspruch einlegen. Aus dem Klub war zu hören, dass man mit einer harten Strafe zwar gerechnet hatte – die Sperrung der gesamten Südtribüne aber doch als zu drastisch empfunden wird – weil so 25.000 Zuschauer für etwas büßen, das vielleicht 500 begangen haben. Und weil der DFB als Begründung auch lange zurückliegende Vorfälle wie ein beleidigendes Plakat beim Auswärtsspiel in Leipzig im September 2016 anführte. Der BVB stand vor der Entscheidung, ob er den Antrag annimmt und Fans verprellt – oder Widerspruch einlegt und damit möglicherweise den Eindruck erweckt, Gewalttäter zu verteidigen. Er wählte die erste Variante.