Madrid. Der BVB-Auftritt in Madrid ist ein Versprechen für die Zukunft. Ein Titelfavorit ist die Mannschaft nicht – kann aber einer werden. Ein Kommentar

  • Der BVB entwickelt sich zu einer der spannendsten Mannschaften Europas
  • Die hochveranlagten, jungen Spieler bringen ein erfolgversprechendes, anarchisches Element mit
  • Doch Dortmund fehlt die Konstanz, um schon jetzt mit den Besten der Besten mitzuhalten

Die Zahlen sind beeindruckend: 21 Tore hat Borussia Dortmund in der Gruppenphase geschossen, das hat noch keine Mannschaft zuvor geschafft. Dass eine Gastmannschaft bei Real Madrid aus einem 0:2 noch ein 2:2 macht, gab es zuletzt vor vierzehn Jahren. Und dass der BVB durch dieses 2:2 die Gruppenphase auf Platz eins beendet, vor dem Titelverteidiger, spricht für sich.

In Dortmund, das hat auch der Auftritt im Bernabeu-Stadion gezeigt, wächst eine der spannendsten Mannschaften im europäischen Fußball heran. Der erzwungene Umbruch im Sommer, als die tragenden Stützen Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrik Mkhitaryan herausbrachen, hat eine ganze Reihe hochbegabter blutjunger Fußballer beim BVB versammelt. Ousmane Dembélé, Emre Mor oder der nicht mehr ganz neue Christian Pulisic vereinen Tempo, Technik und Spielwitz auf höchstem Niveau, sie bringen genau das anarchische Element mit, das es braucht, um dichtgestaffelte Abwehrreihen aufzureißen. Wenn jetzt noch Erfahrung hinzukommt, wenn das Zusammenspiel innerhalb der Mannschaft besser wird, wenn der BVB Konstanz findet, dann wächst hier ein echter Titelkandidat heran.

In der Gegenwart ist der BVB ein fragiles Gebilde

Diese Mannschaft ist ein Versprechen auf die Zukunft – in der Gegenwart aber noch ein fragiles Gebilde, das hat auch der Abend in Madrid gezeigt. Die richtigen taktischen Verhaltensweisen, gerade in der Defensive, fehlen Dembélé und Mor oft noch, das Gespür für die richtige Balance zwischen wildem Angriffsfußball und kompakter Arbeit gegen den Ball müssen sie noch entwickeln. Und auch bei anderen Spielern ist die Fehlerquote zu oft noch zu hoch – auch Madrid wurde durch leichtsinnige Ballverluste immer wieder zu Kontern eingeladen. Die ganze Mannschaft ist noch auf der Suche: nach der Abstimmung, nach Automatismen, nach Stabilität.

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Überraschend ist das nicht: Wer auf so viele junge, unerfahrene Spieler setzt, teils aus anderen Kulturen und Ligen, muss Formschwankungen und Anpassungsschwierigkeiten einkalkulieren. Deswegen ist der BVB aktuell kein Titelkandidat. Er kann aber schon bald einer werden. Gegen Madrid haben die BVB-Talente zumindest bewiesen, dass sie auf höchstem Niveau grundsätzlich mithalten können.