Dortmund. . Nach seinem Wutausbruch meldet sich Thomas Tuchel erstmals zu Wort. Im West-Duell mit Gladbach verlangt der BVB-Trainer den Start einer Serie.
Er müsste sich längst davon getrennt haben, aber ein kleiner Teil in Thomas Tuchel klammert sich wider besseren Wissens fest an diesem Schmuckstück. Das Problem sei, bemüht der Trainer von Borussia Dortmund die Metaphorik, dass man von der vergangenen Saison ein Bild im Kopf habe, wie seine Mannschaft Fußball spielen könne. Es sei wichtig, sagte er neulich schon, „dieses Bild loszulassen, damit wir ein neues malen können“. Ein Grundmotiv, mit dem Tuchel einen Tag vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach (Samstag, 15.30 Uhr/Sky) auch seinen bemerkenswerten Wut-Auftritt nach der jüngsten Niederlage bei Eintracht Frankfurt rechtfertigte.
Nichts hatte er nach dem 1:2 übrig gelassen von der Leistung. „Ein einziges Defizit“, schimpfte er schmallippig. Warum? „Weil ich meine Mannschaft mag, weil ich jeden Tag mit ihr trainiere, weil ich weiß, welches Potenzial in uns steckt“, erklärte der Trainer und verwendete ein weiteres Bildnis: Schritt für Schritt hätte sich die Leistung zuletzt entwickelt, „wie bei einer Treppe“, zeichnet Tuchel. Vier Pflichtspielsiege in Folge, einer davon gegen Bayern München. Doch dann waren er und seine Spieler scheppernd zurückgepurzelt bis hinab ins Erdgeschoss. „Technisch und taktisch war das zuletzt nicht das höchste Level, aber wir haben uns zerrissen für die Siege. Mit diesen Eindrücken fahren wir zu so einem wichtigen Spiel – und von der nötigen Ausstrahlung ist so wenig zu spüren.“
Kampf gegen Windmühlen
Die Windmühlen, gegen die er kämpft, arbeiten zuverlässig. So fühlt sich das für Tuchel an. Vor anderthalb Jahren kam der Fußball-Wissenschaftler und schuf mit seinen kickenden Künstlern ein prächtiges Gemälde, verblüffend in Farbgebung und Ausdruck. Vizemeisterschaft, spektakulärer Fußball. Dann verkaufte der Verein mit Mats Hummels, Henrikh Mkhitaryan und Ilkay Gündogan drei Spieler, bei denen das Versprechen galt, dass sie nicht alle gehen würden. Es kamen junge, wilde Maler, die trotz ihres Talents so manche Leinwand ins Chaos stürzen.
Auftritte wie gegen Frankfurt, bei denen seine Mannschaft schlechter spielt als jene im vergangenen Jahr und schlechter als die aktuelle an guten Tagen, zermürben den Ehrgeizling. Überwunden geglaubte Probleme müssen erneut thematisiert werden: „Für mich als Trainer, der jede Woche im Training die positiven Ausprägungen sieht, ist das schwer zu ertragen.“
Auf der Suche nach Verlässlichem
Während seine Spieler um Form, Fitness oder Gesundheit ringen, ist der 43-Jährige noch immer auf der Suche nach Verlässlichkeiten. „Wir sind dabei, eine neue Spielidee zu finden, die uns Sicherheit gibt“, so Tuchel. Aber die Saison läuft, die Ergebnisse zählen. Riskant ist das. So nannte es Tuchel vor der Saison. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke kassierte diese Formulierung einen Tag später ein und bezeichnete den beschrittenen schwarz-gelben Weg – Ausbildungsverein für Fortgeschrittene – als ambitioniert. Fest steht: Tuchel und seiner Elf ist derzeit in gleichem Maße alles und nichts zuzutrauen.
Die Partie gegen die kriselnden Gladbacher ist Spiel 1 nach seiner fundamentalen, öffentlichen Kritik. Es wird erste Indizien liefern, ob seine Worte die Mannschaft wach gerüttelt oder eher brüskiert haben. „Wir müssen unser Herz in die Hand nehmen und die nächste Serie starten“, verlangt Tuchel. Es gilt die Serie von 27 ungeschlagenen Heimspielen fortzusetzen. Sie nahm ihren Anfang am ersten Spieltag der Saison 2015/16, Tuchels Debüt. Gegner: Gladbach. Ergebnis: 4:0. Eines dieser Bilder, das sie loslassen müssen.