Dortmund. Nach dem 1:5 gegen die Bayern beginnt BVB-Trainer Jürgen Klopp schon auf dem Rasen mit den Aufräumarbeiten. Nicht nur über die vielen Gegentore wird er reden müssen. Sondern auch über die Harmlosigkeit seiner Angreifer.
Mats Hummels lässt sich fallen. Das Spiel ist vorbei, der Frust hat die Energie gefressen, jetzt klebt der junge Dortmunder am Boden wie ein römischer Legionär nach einer Begegnung mit Obelix. Es hätte sein Tag werden können, eine halbe Stunde lang durfte Hummels davon träumen, nachdem ausgerechnet ihm das 1:0 gegen seinen früheren Verein gelungen war. Und dann diese Demütigung.
Sein Trainer erkennt die Gefahr des Augenblicks. Jürgen Klopp fürchtet, dass sich diese in der zweiten Hälfte von den Bayern sportlich zerlegte Mannschaft nach dem Abpfiff in Einzelteile auflösen könnte. Er geht zu Hummels, reicht ihm die Hand, zieht ihn hoch. Dann winkt er seine Spieler zum Mittelkreis, versammelt sie eng um sich. Und hält eine kurze, knackige Ansprache. Er erklärt den Deprimierten, dass sie sich jetzt bloß nicht gegenseitig zerfleischen sollen. Dass Schuldzuweisung schädigend wäre und Meinungsvielfalt unklug. „Wenn man zusammengehört, muss man es vor allem in schweren Stunden zeigen”, sagt Klopp. „Wir haben es gemeinsam verbockt.”
1:5. Mit einer Planierraupe fuhren die Münchener durch den Dortmunder Garten, um jedes schwarz-gelbe Pflänzlein der Hoffnung erbarmungslos zu vernichten. Die erste Heimniederlage nach 19 Bundesligaspielen, die erste unter der Regie von Klopp: Das war schon schmerzhaft genug. Die Höhe aber weitet einen erklärbaren Qualitätsunterschied zum bedrückenden Problem aus. Eine 1:5-Heimpleite hatte es für den BVB zuletzt 1971 gegen Bremen gegeben, damals noch in der Roten Erde.
Die Bayern blieben ruhig
Dass die Bayern am Ende derart deutlich triumphieren würden, war zur Halbzeit noch nicht zu vermuten. Eine halbe Stunde lang hatten die engagierten Dortmunder einen guten Zugriff auf das Münchener Drei-Spitzen-System gefunden, das Kopfballtor von Mats Hummels hatte die Bayern schwer irritiert. „Wir haben den Gegner in der Anfangsphase beeindruckt, aber wir hätten ihn noch mehr beeindrucken müssen”, analysiert Jürgen Klopp korrekt. „So aber blieben die Bayern ruhig, und dann . . .”
Und dann glichen sie durch Mario Gomez aus; und dann brachte Louis van Gaal zur zweiten Hälfte den vom ihm noch nicht für fit genug befundenen Franck Ribery; und dann stellte der Trainer auch noch clever die Taktik um, indem er dem jungen Thomas Müller die zuvor unbesetzte Spielmacher-Position anvertraute, hinter dem vorgezogenen Ivica Olic, genial flankiert von Arjen Robben und Franck Ribery. So kam der BVB schon vier Minuten nach der Halbzeit taumelnd zu Fall, als die gesamte Abwehr vor und Torwart Roman Weidenfeller beim Schuss von Bastian Schweinsteiger desorientiert war. Als danach noch Riberys direkter Freistoß in den Winkel rauschte, war Borussia k.o.
„Dabei hatten wir uns vorgenommen, noch einmal die Schlagzahl zu erhöhen”, erzählt Klopp. Aber die Bayern lehrten die Dortmunder schnell, dass gut gemeint das Gegenteil von gut ist.
Individuelle Qualität
Gegen Ende des Spiels berauschten sich die Münchener an ihrer Vorführung, mitleidlos erniedrigten sie den längst geschlagenen Gegner, der Thomas Müller unorganisiert zum vierten Bayern-Tor einlud und beim fünften nur noch staunend zusehen konnte: Da bewies auch der seit Sonntag erst 20-jährige Müller die von Louis van Gaal erkannte „individuelle Qualität” und nagelte den Ball mit Hochgeschwindigkeit in den Knick.
So tröstet sich Jürgen Klopp damit, dass es „ja nichts mit Verteidigen zu tun hat, wenn zwei Bälle in den Winkel fliegen”. Er sucht keine Ausreden, weigert sich aber auch, an eine Krise zu denken. „Die erste Halbzeit war sehr ordentlich, im Laufe des Spiels haben wir dann die Überzeugung verloren”, bilanziert er. Es wäre allerdings auch nicht verboten gewesen, dass Stürmer Torgefahr ausstrahlen. Deren Harmlosigkeit ist bei erst fünf Punkten nach fünf Spielen nicht weniger zu thematisieren als die vielen Gegentore.
Schon am Samstag in Hannover erwartet Klopp eine Trotzreaktion. Damit vor dem nächsten Heimspiel keine Panik aufkommt. Dem Gegner wäre das nämlich sehr recht. Er heißt Schalke 04.