Dortmund. . Mit seinen erst 17 Jahren verzückt der Offensivspieler die Dortmunder Fans. Vor dem Darmstadt-Spiel weist er nach, dass er liefern kann, wenn er soll.

Wenn alles vorbei ist, dann erst wird Thomas Tuchel immer so richtig klar, was da eigentlich geschehen ist. „Nach dem Spiel, wenn man darüber nachdenkt“, sagt der Trainer von Borussia Dortmund, „dann denke ich so: wow!“ Bei dieser Art von Begeisterung erwischte sich Tuchel nun jüngst wieder. Neben einigen anderen Jung-Profis bot er in der ersten Champions-League-Partie der Saison bei Legia Warschau auch Christian Pulisic von Beginn an auf. 17 Jahre alt, nicht volljährig, nicht wahlberechtigt. Ein Kind. Eigentlich. Andererseits: Einer, der so gut Fußball spielt, dass er längst zuverlässig die Fans entzückt. So wie gegen Legia. Ob er deshalb im Heimspiel gegen den SV Darmstadt 98 (Samstag, 15.30 Uhr/live in unserem Ticker) wieder ran darf? Offen. Das ist ja sein Problem. Er ist derzeit ein Pendler zwischen den Welten. Zwischen Hype und Nebenrolle.

Das Spiel gegen Warschau machte Pulisic zum jüngsten BVB-Spieler in der Champions League. Seit der vergangenen Saison ist er der jüngste Spieler mit zwei Bundesligatreffern. Seit neulich erst ist er der jüngste Doppeltorschütze der amerikanischen Nationalmannschaft. Die Rekorde – so scheint es – purzeln ihm so vor die Füße. In den USA, einem Land, das so viel Talent komprimiert in einem Landsmann noch nicht gesehen hat, wird er bestaunt wie ein seltenes, elegantes Tier. In Dortmund reiht er sich nach den Verpflichtungen des Sommers in die lange Liste derer ein, die im offensiven Mittelfeld für Gefahr sorgen sollen.

Eine komplizierte Gemengelage für einen jungen Menschen, der als 15-Jährger mit seinem Vater aus den USA nach Deutschland kam, um seine Chance auf den Profi-Fußball zu packen. Er hat sie genutzt. Nun will er mehr. Mehr spielen. Mehr Einsätze. Er fühlt sich bereit, vielleicht ist er es. Aber Tuchel bremst gern noch ein wenig.

Bleibt er vernünftig?

„Es ist schwer als junger Spieler und Mensch, mit so viel Lob umzugehen und offen zu bleiben für normale Abläufe: dass man mal müde ist, dass man geduldig sein muss“, sagt der Trainer über seinen Jüngsten. „In der Ungeduld, die ihn auszeichnet, ist es manchmal schwer, das Vertrauen zu erhalten.“ Sein Vertrauen in den Trainer und dessen Entscheidungen, meint er. „Ich gehe fest davon aus, dass er vernünftig genug bleibt“, sagt Tuchel.

Zu Saisonbeginn schaffte es Pulisic nicht einmal in den Kader, was Fragen aufwarf. Grund dafür war aber mitnichten mangelnde Wertschätzung für das Eigengewächs, sondern dessen verspätete Ankunft in Dortmund im Sommer aufgrund von Verpflichtungen mit der Nationalmannschaft. Nun scheint er auf der Höhe zu sein. Der Einsatz gegen Legia dokumentiert dies. Pulisic nutzte seine Chance in der Dortmunder Qualitäts-Offensive. „So funktioniert Fußball, so funktioniert jeder Sport. Man muss jeden Tag im Training um seine Position kämpfen. Die Jungs sind bereit, dies anzunehmen – und das bin ich auch“, sagt Pulisic über den erstaunlichen Konkurrenzkampf. Sein Anspruch sind Spiele. Und Spiele wie jenes gegen Warschau dokumentieren, dass er nicht nur Ansprüche stellt, sondern auch liefern kann, wenn er soll. Für Tuchel, dessen Mannschaft vermutlich lange in der Saison in drei Wettbewerben vertreten sein wird, eine wichtige Erkenntnis. Gegen Darmstadt könnte der angeschlagene André Schürrle erneut ausfallen. Pulisic hat sich für eine weitere Nominierung in Position gebracht.

Großes Wochenende

So oder so aber wird es ein ereignisreiches Wochenende für Christian Pulisic werden. Denn einen Tag nach dem Spiel wird er 18 Jahre alt. Er wollte sich Karten für das Konzert von US-Musiker Justin Bieber in Köln besorgen. Kann er machen, er ist ja dann alt genug. Trotzdem wird Thomas Tuchel noch das eine oder andere mal „wow“ denken.