Dortmund. Talente wie Christian Pulisic und Felix Passlack spielen sich bei Borussia Dortmund in den Fokus. Nachwuchschef Lars Ricken erläutert das Konzept.
- Christian Pulisic und Felix Passlack spielen sich bei Borussia Dortmund in den Fokus
- Nachwuchschef Lars Ricken erläutert das Konzept
- Im Interview spricht der Ex-Profi auch über den Wandel in der Jugendarbeit
20 Millionen Euro soll Stoke City für Christian Pulisic bieten - dass er und Felix Passlack sich bei Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund in den Vordergrund spielen, bleibt der Konkurrenz nicht verborgen. Sie sind junge Talente, die den Sprung zu den Profis schaffen wollen. Ganz so wie einst Lars Ricken, der als Spieler aus der eigenen Jugend im Champions-League-Finale 1997 mit dem BVB-Jahrhunderttor den Titel abrundete. 19 Jahre später ebnet er Spielern wie Passlack und Pulisic mit den Weg – als BVB-Nachwuchskoordinator.
Lars Ricken, ein Bundesligatrainer beschwert sich, wenn viele Leistungsträger zum Saisonende die Mannschaft verlassen. Ein Nachwuchstrainer, wie Hannes Wolf von Dortmunds U19, hat jedes Jahr damit zu kämpfen.
Lars Ricken: Hannes kennt das. Und das nimmt uns ja nicht die Freude daran, dass ein Felix Passlack im Supercup ein Topspiel für die Profis macht, ein Christian Pulisic an der Copa America teilnimmt, oder ein Jacob Bruun Larsen für Dänemark bei Olympia dabei ist.
Und trotz dieser Talente aus den eigenen Reihen hat der BVB in dieser Saison zum Beispiel mit Ousmane Dembele, Emre Mor und Mikel Merino in junge Spieler anderer europäischer Klubs investiert.
Ricken: Durch die Neuverpflichtungen ist Borussia Dortmund für mich in diesem Jahr die spannendste Mannschaft der Liga. Dass wir nicht fünf gestandene Bundesligaprofis geholt haben – und selbst Mario Götze und André Schürrle sind ja noch jung – das ist für alle Spieler ein Zeichen: Wenn du fokussiert bist und bereit, dich für den Verein einzubringen, hast du hier eine wunderbare Perspektive. Das ist eigentlich eine Einladung an alle jungen Spieler.
Wie viele schaffen denn tatsächlich den Sprung von der Jugend in den Profibereich?
Auch interessant
Ricken: Mit Marco Reus, Marcel Schmelzer, Nuri Sahin, Mario Götze, Christian Pulisic und Felix Passlack sind wir gut aufgestellt. Zumal man sehen muss, welchen Anspruch wir haben – wir wollen Platz eins hinter dem FC Bayern erreichen. Aktuell haben wir circa 40 Spieler, die es in den Profibereich geschafft haben – in der 1. und 2. Bundesliga national, aber auch international. Das zeigt, dass wir unser Ziel, Spieler für den Profifußball auszubilden, erreichen. Es ist unser Anspruch, aus jedem Spieler den besten Spieler zu machen, der er sein kann.
Das kann nicht immer der Traum Bundesliga und Champions League sein.
Ricken: Natürlich gibt es da Spieler wie einen Mario Götze, der mit dem BVB Meister und Pokalsieger wurde, zu den Bayern ging und das entscheidende Tor im WM-Finale schoss. Aber es gibt auch Spieler, da kann es auch ein Erfolg sein, wenn er in der 3. Liga landet.
Was Lars Ricken über den Sané-Transfer denkt
Und es gibt Spieler wie den Schalker Leroy Sané, der im Alter von gerade einmal 20 Jahren für 50 Millionen Euro in die Premier League wechselt. Sprechen Sie mit den Spielern darüber?
Ricken: Das ist Teil des Geschäfts. Damit können die Jungs umgehen. Leroy Sané hatte genug Geduld, er hat peu á peu Einsätze gehabt, sowohl im Profibereich, aber er hat zunächst auch weiter in der U19 gespielt. Natürlich wollen alle so schnell wie möglich Entwicklungsschritte machen. Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, um den größeren Entwicklungsschritt zu machen – den muss man genau abpassen.
Auch interessant
Wie schwierig ist der Sprung für Nachwuchsspieler, wie aktuell Felix Passlack und Christian Pulisic, von der Jugend in den Profibereich?
Ricken: Die Bereitschaft der Profis, junge Spieler aufzunehmen, ist sehr gut. Aber sie brauchen schon eine gewisse Zeit, um sich ans Niveau im Training zu gewöhnen. Einen Pierre-Emerick Aubameyang, Shinji Kagawa oder Marco Reus kannst du im Jugend-Training nicht kopieren. Aber die Integration gelingt in der Regel schnell, wenn die Jüngeren Form und Ablauf des Trainings kennen.
Dabei helfen Anpassungen – was hat sich da beim BVB in den vergangenen Jahren getan?
Ricken: Der Erfolg von heute sind die Gedanken und Entscheidungen von gestern. Vorher hatten wir ein Jugendhaus für zehn Spieler – damit waren wir im Bundesligadurchschnitt auf einem Abstiegsplatz. Nun steht ein neues in Brackel für 22 Spieler. Auch die Wiedereinführung der U16 gehört zu diesen Entscheidungen. Es kann nicht sein, dass der körperlich schwächste U16-Spieler mit dem körperlich stärksten U17-Spieler zusammenspielt. Dann ist der eine überfordert und der andere unterfordert. Und wir haben in Personal investiert: Athletiktrainer, Sportpsychologen, Sozialpädagogen. Das alles führt zu einer höheren Trainingsqualität.
Warum ist eine Mannschaft für jede Altersklasse so wichtig?
Ricken: Die Spieler bleiben in ihren Altersklassen. Wenn immer Spieler aufrücken, schwächst du Mannschaften. Aber wir wollen Siegermentalitäten entwickeln und um Titel mitspielen. Ich glaube, dass man anders auf den Platz geht, wenn man um Platz 1 spielt.
Auch interessant
Viele Vereine haben sich dazu entschieden, auf die U23 zu verzichten. Warum war das für den BVB keine Option?
Ricken: Wir halten davon gar nichts. Natürlich hat jeder Verein persönliche Beweggründe. Aber wir sehen, dass wenn die Spieler aus dem Jugendbereich und der Schule raus sind, und die zeitlichen Kapazitäten da sind, nochmal ein riesiger Entwicklungsschritt möglich ist. Wenn es die U23 nicht gegeben hätte, hätten Jonas Hofmann oder Erik Durm unter Umständen gar nicht bei den Profis gespielt.
Sie haben den großen Sprung von der Jugend direkt zu den Profis ja selbst einst gemacht - was hat sich seither im Vergleich von früher zu heute verändert?
Ricken: Als ich damals mit 15 Jahren in die B-Jugend des BVB kam, haben wir auf Ascheplätzen in ganz Dortmund verteilt gespielt. Heute haben unsere Jugendspieler einen beheizbaren Kunstrasenplatz, Krafträume, Videoanalyse – jedes Spiel, selbst jedes Training wird mit Kameras aufgezeichnet. Das hat es früher nicht gegeben. Es hat sich mehr als nur viel getan.