Bad Ragaz. . Dortmunds Trainer Thomas Tuchel sieht den BVB nicht bereit für die Anforderungen der Saison. Die Zeit drängt, deswegen stört ihn auch der Supercup.

Thomas Tuchel hätte es sich einfach machen können. Der Trainer von Borussia Dortmund hätte den letzten schwachen Eindruck am Ende des einwöchigen Trainingslagers in der Schweiz, die 0:1-Testspielniederlage gegen Athletic Bilbao, auf fehlende Frische zurückführen können. Schwere Beine nach intensivem Training – so haben schon viele Trainer manche Niederlage in der Vorbereitung erklärt.

Noch fehlen Tempo und Präzision

Doch so einfach war es nicht und so einfach wollte es sich Tuchel auch nicht machen. Die Partie hatte wie schon das 1:1 gegen den AFC Sunderland vier Tage zuvor zu vieles offenbart, was noch im Argen liegt bei seiner Mannschaft zweieinhalb Wochen vor dem Bundesligastart: Es fehlte an Tempo, es fehlte an Präzision in den Pässen, es fehlte an der Abstimmung in Offensive und Defensive. „Wir sehen, dass wir uns schwer tun gegen körperliche Gegner, dass wir uns schwertun gegen Kompaktheit und Durchsetzungsvermögen“, sagte Tuchel.

Der BVB bekommt nun mit Wucht bestätigt, wovor der Trainer schon zu Beginn der Vorbereitung warnte: Der massive Umbruch, der Abgang von drei Leistungsträgern und die Verpflichtung vieler hochtalentierter, aber sehr junger Spieler aus dem Ausland ist ein riskanter Weg. „Wir sehen bei vielen Spielern einen Gewöhnungsprozess an die Trainings- und Spielintensität, an die neuen Inhalte, an neue Verhaltensweisen in der Mannschaft“, sagt Tuchel. „Kulturwechsel, Sprachwechsel – ich habe den Eindruck, dass wir da an eine Grenze gestoßen sind, das alles zu verpacken.“ Eine mentale Ermüdung, zu der nun eine gewisse Verunsicherung kommt, wenn die Dinge nicht von alleine funktionieren.

Viele der Neuen haben Schwierigkeiten, die ungewohnten Trainingsreize zu verkraften, den Trainer beunruhigt auch die mangelnde Konstanz. „Die Diskrepanz zwischen Trainingsleistungen und Spielleistungen, die wir in China gebracht haben, zu den beiden Spielen zuletzt, ist einfach viel zu groß“, meint er. „Die Ausschläge nach unten müssen dringend raus.“ Der perfektionistische, manchmal etwas ungeduldige Tuchel steht nun vor der Aufgabe, diesen Anspruch schnellstmöglich umzusetzen, schnellstmöglich das Spielniveau heraufzuschrauben – und seinen Spielern gleichzeitig das Gefühl zu vermitteln, dass alles in Ordnung ist, dass er ihnen weiterhin Höchstleistungen zutraut.

Unterschiedliche Belastungssteuerung im Training

Und er muss jeden einzelnen anders anpacken: Unmittelbar vor dem Trainingslager in Bad Ragaz stiegen fünf Spieler neu ins Training ein – darunter die teuren Neuzugänge Mario Götze und André Schürrle. Das erfordert neue Eingewöhnungsprozesse, das erfordert aber auch eine ganz unterschiedliche Belastungssteuerung im Training. „Wir dürfen jetzt nicht zu schnell zu viel von ihnen erwarten“, warnt Tuchel.

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Ein Startelf-Einsatz im Supercup am Sonntag zu Hause gegen Meister Bayern München käme definitiv zu früh – aber auch für seine restliche Mannschaft passt der Termin dem Trainer nicht unbedingt. „Ich könnte nach dem Eindruck vom Testspiel auch darauf verzichten“, sagt er mit gequältem Grinsen. „Wir spielen es zwar gerne, aber nach den Eindrücken der letzten beiden Spiele sind wir gut beraten, die Ansprüche nicht zu groß werden zu lassen.“

Tuchel sieht arbeitsreiche Wochen

Lieber wäre ihm Zeit im Training, denn die wird langsam knapp: Am Freitag wird die Arbeit in Dortmund wieder aufgenommen, dann folgt der Supercup, in gut anderthalb Wochen geht es im DFB-Pokal zum Viertligisten Eintracht Trier, fünf Tage später kommt Mainz 05 zum Bundesligaauftakt. „Wir müssen uns jetzt Selbstvertrauen durch Training erarbeiten“, so Tuchel.

Wie lange das dauert, mag er nicht sagen: „Wir geben Gas, dass es so schnell wie möglich geht.“ Es werden also arbeitsreiche Wochen. „Dass wir besser spielen können ist klar, dass wir wieder besser spielen werden, ist auch klar“, kündigt er an. „Aber wir werden jetzt nicht drauf warten, bis es von alleine passiert.“