Essen. BVB-Chef Watzke beobachtet die Entwicklung in der Premier-League kritisch. Doch auch der Bundesliga drohen „englische Verhältnisse“. Ein Kommentar.
Vielleicht ist Hans-Joachim Watzke ja wirklich besorgt um das Wohl und Wehe von Fußball-Profis. Wahrscheinlich macht er aber sich bloß Sorgen, dass demnächst auch der eine oder andere Fußball-Star von Borussia Dortmund den finanziellen Verlockungen der englischen Premier League erliegen wird. So oder so: Mit seiner Einschätzung, die Spieler auf der Insel würden „häufig ausgepresst wie eine Zitrone“, liegt er sicher richtig. Allerdings ist dies allenfalls die halbe Wahrheit. Fühlen sich doch viele Vereine – nicht nur in England, versteht sich – aus guten Gründen von den Spielern beziehungsweise von deren Beratern mindestens genauso, wenn nicht noch mehr ausgepresst.
Profis auf der Insel müssen oft über ihre Belastungsgrenzen gehen
Dass die Profis auf der Insel, wo drei Spiele innerhalb von fünf Tagen, speziell zur Jahreswende, keine Seltenheit sind, oft über ihre Belastungsgrenzen hinaus gehen müssen, hat auch Jürgen Klopp schon in den ersten Wochen seiner Tätigkeit beim FC Liverpool erkannt und beklagt. Wobei sich sein merkwürdiger Vergleich – „Wenn wir mit ihnen umgehen wie mit Pferden, dann werden sie auch zu Pferden“ – wohl nicht auf Anhieb jedem erschließt.
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Klopps früherer Klub-Chef setzt darauf, wie er jetzt der Bild am Sonntag verriet, dass sich Spieler aus der Bundesliga, die über „mehr nachdenken als nur darüber, was am Ende des Monats im Geldbeutel landet“, einen Wechsel in die Premier League „gut überlegen“ würden. Wenn er sich da mal nicht täuscht.
Bei Großverdienern, ob im Sport, Management oder Showbusiness, beeinflusst eine Million mehr oder weniger zwar schon lange nicht mehr ihren Wohlstand. Aber die Höhe der Bezüge gilt mehr denn je als Maßstab für Wertschätzung, anders ausgedrückt: als Statussymbol. Welche Blüten dies treibt, zeigte sich 2013 in Madrid, wo Real die zunächst kolportierte Ablösesumme von 100 Millionen Euro für den von Tottenham verpflichteten Gareth Bale auf 91 Millionen korrigierte; dem Vernehmen nach nur, damit sich der sonst offenbar beleidigt gewesene Cristiano Ronaldo (94 Millionen) weiter als teuerster Spieler der Welt sehen durfte.
Um auf die Premier League zurückzukommen: Watzkes Gefühl, dass das Niveau dort keineswegs gestiegen sei, seit deren Topklubs im Geld schwimmen, dürften viele Fußballfans mit ihm teilen, die regelmäßig Spiele von Chelsea, Arsenal oder Liverpool verfolgen. Nur stellt sich dann die Frage, warum manche Bundesliga-Funktionäre bereits den Untergang des deutschen Fußballs beschwören, sollten die Fernseh-Gelder hier nicht bald vergleichbare Höhen erreichen. Mache sich niemand etwas vor: In diesem Fall würden die erheblich mehr zur Kasse gebetenen Bezahl-Sender den Klubs schon bald „englische Verhältnisse“ im Bundesliga-Terminplan abpressen, um ihre Ausgaben wieder hereinzuholen.