Dortmund. Nach dem 0:1 gegen Saloniki findet BVB-Trainer Thomas Tuchel selbstkritische Töne. Auch die Spieler gehen mit ihrer Leistung hart in die Kritik.
Nach dem Schlusspfiff war die Zeit der Selbstanklage gekommen. "Wir waren heute nicht gut", ärgert sich Sven Bender. "Uns hat etwas die Gier gefehlt, unbedingt das Tor machen zu wollen", monierte Matthias Ginter. "Es war ein frustrierendes Spiel, die erste Halbzeit war zu pomadig", schimpfte Kapitän Mats Hummels. Erwartbare Reaktionen, nachdem Borussia Dortmund das Europa-League-Spiel gegen Paok Saloniki mit 0:1 verloren und eine nicht eben namhaft besetzte Gruppe nur auf Rang zwei abgeschlossen hatte.
Etwas überraschend war allerdings schon, wie vehement BVB-Trainer Thomas Tuchel in den Chor der Selbstkritiker mit einstimmte. Dabei hätte er genügend am Spielvortrag seiner Mannschaft auszusetzen gehabt: Fehlende Körperspannung, fehlendes Tempo, fehlende Kreativität - allesamt Dinge, die so sicher nicht auf dem Aufgabenzettel standen. Doch Tuchel suchte einen Großteil der Schuld bei sich selbst: "Ich hatte mit Sicherheit meinen Anteil daran und irgendwie der Mannschaft vermittelt, dass es sicher ist, dass wir gewinnen werden, dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass wir gewinnen werden", sagte er. "So hat unser Spiel dann ausgesehen." Man habe "so gespielt, als hätten wir am Sonntag noch ein Spiel zu spielen", haderte der Dortmunder Coach, "was ja auch so ist - aber am Donnerstagabend keine Rolle spielen darf." Im Wissen um die kommenden Aufgaben "haben wir wohl eine Wertung vorgenommen haben, das dieses Spiel nicht so wichtig ist".
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Im Klartext: Die Dortmunder hatten den Gegner wohl etwas unterschätzt und bereits die nächsten Aufgaben im Hinterkopf - ein Verdacht, den Trainer normalerweise entrüstet zurückweisen, weil er als mindestens ehrenrührig empfunden wird. Tuchel aber räumte ihn nicht nur ein, sondern nahm auch die Schuld dafür auf sich.
Trainer Tuchel wagte die große Rotation
Tatsächlich hatte er schon mit der Aufstellung ein deutliches Signal ausgesandt: Sieben Änderungen nahm er gegenüber dem 2:1-Sieg beim VfL Wolfsburg vor, Marcel Schmelzer, Gonzalo Castro und der angeschlagene Ilkay Gündogan rotierten ganz aus dem Kader, Henrikh Mkhitaryan, Pierre-Emerick Aubameyang und Julian Weigl saßen auf der Bank. Von der Mannschaft, die unter Tuchel einen Großteil der Spiele bestritten hat, blieben mit Mats Hummels, Matthias Ginter, Shinji Kagawa und Marco Reus vier Spieler - viel deutlicher kann ein Trainer einer Mannschaft nicht zeigen, dass eine Partie für ihn nicht die höchste Priorität genießt.
"Das war ja doch etwas durcheinandergewürfelt", merkte Kapitän Hummels an. "Damit kann man auch ein bisschen die erste Halbzeit erklären, dass die Automatismen nicht so greifen, wenn man fast nie so zusammengespielt hat." Als alleinige Erklärung für den rätselhaften Spannungsabfall in Schwarz-Gelb wollte er dies aber ebenso wenig gelten lassen wie die Kollegen. "Wir sind eigentlich so gefestigt als Team, dass man auch rotieren kann", sagte Sven Bender. "Jeder weiß, wie er die Position ausführen muss - deswegen ist das kein Problem und darf heute auch keine Ausrede sein." Und Neven Subotic sekundierte: "Egal wer spielt: Wir haben einen Plan, den müssen wir besser umsetzen." Zumal auch die vermeintlichen Leistungsträger Reus und Kagawa deutlich unter ihren Möglichkeiten blieben.
BVB fremdelte mit der Europa League
Zuletzt schien es immer wieder so, als fremdelten Verein und Wettbewerb miteinander, als täten sich die Champions-League-erfahrenen BVB-Spieler zunehmend schwer damit, den ungewohnten Wettbewerb anzunehmen. Oft tat man sich schwer, in die Spiele hineinzufinden, musste nicht selten einem Rückstand hinterherlaufen. Nach drei Siegen, zwei Niederlagen und einem Unentschieden schließt man die Gruppe hinter dem FK Krasnodar und vor PAOK Saloniki und dem FK Qäbälä auf Platz zwei ab.
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Schlimmer noch: Nicht nur gegen Krasnodar, auch gegen Saloniki wurde der direkte Vergleich verloren. Der BVB wird zwar von den Gegnern unbeirrt zum Favoritenkreis der Europa League gezählt - aber der Nimbus der besten Mannschaft im Wettbewerb hat einige Kratzer davon getragen. Auch der Anhang ist mit dem Wettbewerb noch nicht warm geworden, am Donnerstag waren 55.000 Zuschauer anwesend - sogar auf der Südtribüne waren leere Plätze zu sehen.
In Dortmund hofft man nun, dass die kommenden Wettbewerbsrunden mit hochkarätigeren Gegnern sowohl Mannschaft als auch Publikum einen neuen Schub geben. Möglich sind Duelle mit Schwergewichten wie Manchester United, dem FC Liverpool oder Lazio Rom - das könnte man sich auch in der Königsklasse vorstellen. Die Kehrseite: "In der nächsten Runde wird es schwerer", warnt Subotic. "Da reicht eine Leistung wie heute nicht - aber die hat ja auch heute nicht gereicht."
BVB verliert Heimspiel