Dortmund. Gemeinsam mit vielen anderen Partnern bietet die BVB-Stiftung Fußballtrainings für jugendliche Flüchtlinge. Auch BVB-Co-Trainer Michels ist dabei.
Arno Michels lacht. Laut und schallend. Gerade hat Marco Rühmann den Ball fallen lassen, jetzt bekommt er zu hören: „Komm, fang doch mal einen!“
Es ist kein ganz normales Training, dass Michels, der Co-Trainer von Borussia Dortmund, hier auf dem Platz der TSC Eintracht Dortmund leitet. In den schwarz-gelben Trikots sind keine hochbezahlten Profis unterwegs, sondern 22 jugendliche Flüchtlinge. Doch Michels ist an der Seitenlinie kaum weniger engagiert als im Profitraining – allerdings nicht ganz so streng im Ton, wenn eine Übung einmal schiefgeht.
Wunsch nach Engagement traf auf fast fertiges Projekt
Und auch wenn er ein anderes Niveau gewohnt ist: Der Co-Trainer hat erkennbar Spaß, lacht immer wieder und ruft zwischendurch knappe Kommandos oder Lob hinein. Dass er an diesem Mittwochnachmittag nun auf dem Platz an der Victor-Toyka-Straße steht, hat er einem Gespräch mit Marco Rühmann zu verdanken. Wenn der keine Bälle im Training fallen lässt, ist er Manager der Stiftung "leuchte auf", in der der BVB sein soziales Engagement gebündelt hat. Michels kam nun mit dem Wunsch, sich sozial zu engagieren - und Rühmann hatte gerade das Projekt "Willkommen im Fußball" in der Planung: Jugendliche Flüchtlinge zwischen 16 bis 20 sollen einmal wöchentlich Fußball trainieren, ein Mittagessen bekommen, zu Abendveranstaltungen eingeladen werden - und Deutschunterricht bekommen. Michels sagte sofort zu: "Ich glaube, dass das eine sehr gute Möglichkeit ist, zu integrieren, das geht über den Fußball leichter", sagt er.
Nun leitet der BVB-Co-Trainer das Aufwärmprogramm, eine Handball-Spielform. "Komm nochmal", ruft er. "Zwei Minuten noch." Die Kommandos kommen alle auf Deutsch - denn der Spracherwerb ist zentraler Baustein des Projekts. Die Deutschkurse etwa sind verpflichtend: Nur wer hier dabei ist, darf auch am Training teilnehmen. "Das ist uns fast das Wichtigste", sagt Wolfgang Euteneuer, Projektleiter von „Angekommen“. Der Zusammenschluss des Schulministeriums von Nordrhein-Westfalen, der Stadt Dortmund, der Walter-Blüchert-Stiftung und allen Dortmunder Berufskollegs stellt die Deutschlehrer und Sozialpädagogen für das Projekt, das auf ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zurückgeht. Sie fördert gemeinsam mit der Bundesliga-Stiftung Willkommensbündnisse aus Profi- und Amateurvereinen, 11.500 Euro werden für zwei Jahre bereitgestellt.
TSC Eintracht Dortmund war sofort dabei
In Dortmund wurde der TSC Eintracht angesprochen, mit 7.000 aktiven Mitgliedern der größten Sportverein in Dortmund. Beim Vorstandsvorsitzenden Alexander Kiel rannte man offene Türen ein: "Wir wollten eigentlich schon lange etwas in diese Richtung machen", sagt er. Man sprach also den BVB an - und der war sofort dabei und steuerte über seine Stiftung noch 4000 Euro bei. Und obwohl der Umgang mit Flüchtlingen derzeit kontrovers diskutiert wird: Vorbehalte habe es im TSC Eintracht keine gegeben. Die könnten nun aus anderer Richtung kommen, da das Projekt öffentlich ist. "Aber Integration ist ja der einzige Weg, das Flüchtlingsproblem zu lösen", sagt Kiel. "So können wir unsere Art zu leben, unsere Werte vermitteln. Und Fußball ist eben das, was alle können."
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Allerdings nicht alle gleich gut, das muss auch Michels feststellen, als endlich Fußball auf kleine Tore gespielt wird. Einige der jungen Männer können schon sehr gut mit dem Ball umgehen - "Spielschnelligkeit auf engem Raum" wird das der Fußballlehrer später nennen -, bei anderen "Ist es noch ein weiter Weg. Aber darum geht es ja auch nicht."
Deutschland? "Kalt aber schön"
Es geht um Menif aus dem Irak, 18 Jahre alt und seit sechs Monaten in Deutschland. Und um Awet aus Eritrea, 19 Jahre alt und vor zwei Jahren ins Land gekommen. Wie sie sind die Meisten hier Kriegsflüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder Somalia, nur wenige kommen aus europäischen Staaten. Doch auf dem Platz ist das egal, hier gibt es nur den Ball - und die deutschen Kommandos, die auch die Jugendlichen nicht nur verstehen, sondern auch selbst schon geben.
"Wenn es um Fußball geht, verstehen die schon sehr viel", sagt Markus Bräuer lächelnd. Der Klassenlehrer der internationalen Förderklasse des Robert-Schuman-Berufkollegs hat Awet und Menif zum Training begleitet. Deutsch sei ja auch "gar nicht so schwer", sagt Menif und lächelt. Awet lächelt auch, sagt dazu aber lieber nichts. Dafür weiß er genau, was ihm an Deutschland gefällt: Demokratie - und die Krankenhäuser. Bei Menif sind es die Straßen und die U-Bahn, außerdem die Natur - die sei "kalt, aber schön". Medizin will der junge Iraker einmal studieren, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
BVB-Co-Trainer Michels will wiederkommen
Das Training und vor allem die Deutschkurse sind immerhin ein erster Schritt. Das findet auch Arno Michels, der sich nach gut einer Stunde verabschieden muss - das Training der Profis ruft. Er will wiederkommen, sofern es seine Zeit erlaubt, das hat er den Jugendlichen versporchen. Und dann sagt der BVB-Co-Trainer zum Abschied noch einen Satz, der sich ganz wunderbar auf allen Flyern und Plakaten zu dem Projekt machen würde: „Passen ist die simpelste Form der Kommunikation.“
Hilfe für Flüchtlinge in Dortmund