Dortmund. . Trainer Thomas Tuchel nutzt jede Trainingseinheit, um Borussia Dortmunds Spielern seine Vorstellung von Fußball beizubringen. Es gibt bereits die ersten Profiteure.
Die Spieler von Borussia Dortmund haben Thomas Tuchel bislang als einen höflichen und gut gelaunten Menschen kennengelernt. Jedenfalls war es in seinen ersten knapp drei Wochen als BVB-Coach üblich, dass Tuchel ihnen vor und nach dem Training die Hand reicht. Dass der 41-Jährige noch nicht in jene Situation wie in alten Mainzer Tagen gekommen ist, die auf Video im Internet verewigt ist und bei der er einen Spieler nach allen Formen der Kunst zusammenstaucht für dessen Eigensinn bei einer Übung, spricht für die Aufnahmebereitschaft der Schwarz-Gelben. Angst ist es jedenfalls keine, wenn sie die Anweisungen Tuchels haargenau umsetzen, die seiner Vorstellung von Fußball entsprechen.
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Dazu gehören auch in der Nachmittagseinheit eines Trainingstages ausgiebige Tempoläufe, die selbst langjährige Begleiter des Bundesligisten in dieser Intensität noch nicht gesehen haben. Um seinen bevorzugten Fußball spielen zu lassen, benötigt Tuchel vor allem körperliche Ausdauer und mannschaftliche Disziplin seiner Spieler, die über das Händeschütteln hinausgeht. Jeder muss sich auf jeden verlassen können. „Wir sind immer noch in der Phase, in der wir uns ein Bild von der Mannschaft machen“, sagte der Trainer während der Asienreise in der vergangenen Woche, „in der Kürze der Zeit müssen wir ein Gefühl bekommen, wer zu wem gut passt“.
Borussia Dortmund wird mit neuen Details konfrontiert
Gleiches gilt für die Spieler, die nach sieben Klopp-Jahren die Veränderungen nicht nur an der neuen Bedeutung von Vollkornnudeln und Omega-3-Fettsäuren für die körperliche Verfassung erleben. „Klopp und Tuchel sind zwei komplett verschiedene Menschen“, erkannte Neven Subotic. Der Innenverteidiger zeigte sich überrascht von der beinahe peniblen Arbeit des Neuen. Anders als bei Klopps Vollgasveranstaltungen würden die Dortmunder nun mit völlig neuen Details konfrontiert: „Am ersten Tag haben wir alle gestaunt: Gehört das zum Fußball dazu? Aber wir haben den Sinn schnell erkannt, es hat sich auch in den Spielen gezeigt, dass es funktioniert.“
Schon in Mainz gestattete Tuchel es eigentlich nur dem Spieler auf der Sechserposition im Mittelfeld, das Spiel zu eröffnen. In den Testspielen in Tokio und Johor waren daher auch Mats Hummels’ lange Pässe mit dem Außenrist, deren dankbarer Adressat in vergangenen Tagen Robert Lewandowski war, nicht mehr zu sehen. Für sein 4-1-4-1-System braucht Tuchel im Zentrum ballgewandte und -sichere Spieler – weshalb er Passgenauigkeit und -schärfe besonders schult. Sven Benders Qualitäten liegen eindeutig in der Balleroberung, die Aufgabenbeschreibung trifft eher auf Nuri Sahin oder Julian Weigl zu. Der 19 Jahre alte Neuzugang vom TSV 1860 München hinterließ in Asien einen starken Eindruck und war begeistert von seinen ersten BVB-Tagen: „Es ist ein total hohes Trainingsniveau, das bringt mich extrem weiter.“
Gündogan und Castro beim BVB weiter vorn
Die Fähigkeiten von Ilkay Gündogan und des früheren Leverkuseners Gonzalo Castro als Strategen bevorzugt der Trainer derzeit eher im Vierermittelfeld hinter der einzigen Spitze. Bei Tuchel soll sich das Geschehen in einem diamantförmigen Raum abspielen, aus dem die grundsätzlich weit aufgerückten Außenverteidiger mit reichlich Platz vor sich bis zur Grundlinie vorstoßen und dann flanken können. Immerhin gelangen dem in der vergangenen Saison überwiegend glücklosen Marcel Schmelzer in Asien so schon drei Torvorlagen. Weiter innen sollen eigene Kreativität und Intuition zu Chancen führen, für die in erster Linie Pierre-Emerick Aubameyang, durchaus aber auch Adrian Ramos und als falsche Neun Marco Reus Abnehmer wären.
Thomas Tuchel legt Wert auf Eigeninitiative im Aufbau, weshalb er seinen Spielern im ihm so wichtigen Training ein Gerüst an Verhaltensweisen mitgibt, passend für alle gegnerischen Anforderungen. „Wir haben unterschiedliche Muster entwickelt, um im Handeln zu bleiben und nicht nachzudenken, wer jetzt attackieren muss“, sagte der 41-Jährige bei einem Vortrag, denn: „Das ist auf dem Niveau Bundesliga zu spät.“ So lernwillig die Borussen auch sind, einige Grundvoraussetzungen bringen sie ja auch mit.