Dortmund. Die Bewertung des ersten BVB-Rückrundenspiels in Leverkusen fällt schwer. Zwar erkämpfte sich die Borussia einen Punkt, steht aber auf Platz 18.

Ein Punkt zum Rückrundenauftakt gegen eine Mannschaft aus der Spitzengruppe und doch der 18. Tabellenrang als Schlussstrich unter dem 18. Spieltag - die Bewertung des ersten BVB-Rückrundenspiels in Leverkusen fällt in Fankreisen entsprechend schwer. Einig ist man sich, dass der Tabellenplatz verkraftbar ist, weil ein sportlicher Aufschwung zu erkennen war und sich schon unter der Woche gegen Augsburg die Möglichkeit zur weiteren Korrektur bietet. Spielerisch jedoch war keine große Entwicklung spürbar. Die Abwehr stand größtenteils sicher, jedoch übte Leverkusen auch wenig Druck aus und bei dem missglückten Lupfer von Castro und der Kopfballabwehr auf der Linie von Hummels war auch etwas Glück dabei.

Es zeigte sich, dass der BVB in der Offensive weiterhin Esprit und Einfallsreichtum vermissen lässt. Schon die Vorbereitung hatte erahnen lassen, dass es auch in der Rückrunde vorerst keine aus den Vorjahren gewohnten Offensivspektakel geben würde. In allen vier Testspielen wurde jeweils genau ein Tor erzielt und das auch gegen Gegner wie den FC Sion oder den FC Utrecht, die selbst in der derzeitigen Form deutlich schwächer einzuschätzen sind. Testspiele werden zwar oft als geringfügiger Gradmesser angesehen, sind aber eben doch eine Generalprobe für den Ernstfall und in eben diesem sollte alles funktionieren.

Offensivabteilung des BVB agiert noch sehr eindimensional

Der Realist hatte nicht erwartet, dass ein runderneuerter BVB nach der überschaubar langen Winterpause die Liga verzaubern würde. Auch waren wichtige Offensivkräfte wie Reus, Kagawa, Mikhitaryan oder Aubameyang entweder verletzt, im Aufbautraining oder mit ihren Nationalmannschaften unterwegs, so dass hier nur wenig taktisch gearbeitet werden konnte.

Auch interessant

Dass aber lange Bälle wie in Leverkusen zum Mittel für die restliche Saison werden, darf aufgrund Klopps Philosophie bezweifelt werden. Gerade gegen defensiver eingestellte Gegner würde dies auch gar nicht funktionieren. Es bleibt dabei, dass der Punkt zum Rückrundenauftakt sicher zufriedenstellend ist, aber über die Form der Mannschaft und das spielerische Niveau wenig aussagt.

Eilenberger-Interview in Fankreisen heftig kritisiert

Für Aufsehen sorgte in dieser Woche der Philosoph Wolfram Eilenberger, der sich in einem Interview mit der „Zeit“ reißerisch über den BVB äußerte. Er sieht den BVB mittlerweile als Sekte mit Jürgen Klopp als Sektenführer, ohne den viele Fans sich den Verein nicht mehr vorstellen könnten. Er sei wie Steve Jobs bei Apple oder Bill Gates bei Microsoft untrennbar mit dem Verein verbunden.

Es war klar, dass diese Aussagen in Fankreisen nicht ohne Widerhall verklingen würden, denn wer lässt sich schon gerne als Sektenanhänger bezeichnen? Fakt ist, dass Jürgen Klopp sicherlich eine hohe Wertschätzung in Fankreisen genießt, die teilweise an Verehrung grenzt. Diese ist aber auch hart erarbeitet, denn wer sich an die Zeiten vor Klopp erinnert, der weiß, dass eine solche Zuneigung keine Dortmunder Tradition ist und seinen Vorgängern ein oftmals eisiger Wind um die Nase blies. Klopp hat sich seinen Status erarbeitet, indem er den BVB aus dem Keller heraus zu einer europäischen Spitzenmannschaft formte.

Kritik funktioniert auch ohne Bus-Blockaden

Solche Verdienste werden nicht innerhalb von wenigen schlechteren Monaten vergessen und trotzdem wurde entgegen Eilenbergers Ansicht auch in Fankreisen reichlich Kritik an den Fehlern, die Klopp zweifelsohne gemacht hat, geübt. Es bedarf aber für eine Kritikäußerung keiner Busblockaden oder „Trainer raus“-Rufen. Dass Klopp direkt mit Fans in Kontakt tritt und dort auch die Kritik erfährt, ist Eilenberger sicher nicht bekannt.

Auch interessant

Der Verein ist deutlich größer als seine Angestellten und wird auch jeden Einzelnen der selbigen überleben. Dies kann man von vielen Sekten nach dem Ableben ihrer Führer nicht behaupten. Dass er selbst sich nicht untrennbar mit dem Verein verbunden sieht, hat Klopp bereits mehrfach öffentlich geäußert und auch dargelegt, dass er jederzeit zurücktreten würde, wenn es denn eine spürbare Verbesserung der Situation mit sich bringen würde.

Kagawa und Sahin-Transfers nur Retro-Aktionismus?

Eilenberger beraubte seine Aussagen spätestens mit der Idee, ein Trainertausch zwischen Arsenal und dem BVB, also ein Vereinswechsel von Arsene Wenger und Jürgen Klopp, würde beide Vereine weiterbringen, jeder Seriosität.

Einzig seine Aussage, dass die Transfers von Shinji Kagawa und Nuri Sahin reine Nostalgietransfers gewesen seien, die den BVB sportlich nicht weitergebracht haben, fand bei einigen Fans eine gewisse Anerkennung. Zweifellos spielten beide nach ihrem Weggang vom BVB, aber auch nach ihrer Rückkehr, nicht den Fußball, den sie zuvor im Stande waren zu spielen. Sie sind in einer weiterentwickelten und breiter aufgestellten Mannschaft ein Zahnrad von vielen und nicht mehr die herausragenden Akteure, die sie vor ihren Wechseln waren.

Zu bedenken ist dabei aber auch, dass beide weniger Ablöse gekostet haben, als sie dem BVB bei ihrem Weggang gebracht haben. Von daher muss sich gerade ein Philosoph wie Eilenberger fragen lassen: Ist Nostalgie nur ein Synonym für Rückwärtsgewandtheit oder ist es hier nicht vielmehr das Gefühl der Heimkehr? Dafür steht nämlich der wortgebende griechische Begriff „nostos“.

02.02.2015, Julian Bräker, Gib mich DIE KIRSCHE