Dortmund. Zu gut, um abzusteigen? Der BVB war in Berlin über drei Viertel der Spielzeit eher zu schlecht, um nicht abzusteigen, sagt Fan-Kolumnist Rutger Koch.

Der unerwartete Abstiegskampf, in dem man mittlerweile so tief drin steckt, wie vor der Winterpause seit den achtziger Jahren nicht mehr, lähmt alles in Dortmund. Es ist eine ganz schwierige Situation für den BVB, eine Zerreißprobe für die Mannschaft, das Trainerteam und die Verantwortlichen. Auch für uns Fans. Und somit auch für einen Fankolumnisten – weil irgendwann einfach jede Durchhalteparole bemüht worden ist.

Die Leistung des Teams bei der neuerlichen Niederlage in der Hauptstadt animierte zudem 70 Minuten lang eher zum wiederholten Gang Richtung Getränkestand, als zu weiteren Durchhalteparolen. Dieses Mal konnte man sich im Gegensatz zu den meisten anderen Pleiten der letzten Wochen und Monate nicht des Eindrucks erwehren, dass es tatsächlich an der Einstellung mangelt. Lustloses Ballgeschiebe, fahrige Pässe und leichte Ballverluste führten vor fast 20.000 (!) mitgereisten Fans dazu, dass man ein spielerisch schwaches Berlin nicht im Geringsten vor Probleme stellen konnte. Es fehlte an aufeinander abgestimmten Abläufen und an Kommunikation auf dem Feld.

Ist an Gerüchten über Streit in der Mannschaft doch etwas dran?

Der Auftritt der Schwarzgelben im Olympiastadion ließ einen gehörig daran zweifeln, ob an den fadenscheinigen Gerüchten über Querelen, Streitereien und das eine oder andere Mobbing-Opfer innerhalb der Mannschaft nicht doch etwas dran ist. Disziplinarische Zeichen zumindest hat Klopp merklich gesetzt, indem er Weltmeister Weidenfeller zum Reserve-Torhüter machte und Kevin Großkreutz die Gelegenheit gab, sich ganz auf sein neues Internet-Modelabel-Start Up zu konzentrieren, anstatt nebenbei auch noch durch die Niederungen der Bundesliga zu humpeln.

Unerträglich waren und sind außerdem die weltfremden Rechenspiele, die immer noch von vielen Anhängern bemüht werden. „Nur zehn Punkte bis zu den Champions League-Plätzen – da ist noch alles drin“ – Geht’s noch? Wie blind kann man durch die Welt rennen? Wer Borussia spielen sieht, muss sich darüber im Klaren sein, dass es ums nackte Überleben geht. Wer jetzt noch den Tabellenrechner anschmeißt, sollte lieber mal aufhören, zu heiß zu baden.

BVB erinnert an Bayer Leverkusen im Jahre 2003 

An dieser Stelle sei an Bayer Leverkusen erinnert, das 2001 / 2002 zwar dank dreifachem zweiten Platz endgültig zu „Vizekusen“ wurde, aber den schönsten Fußball in Europa spielte. Eine Spielzeit darauf waren Robert Kovac (2001), Ze Roberto und Michael Ballack (beide 2002) allesamt nach München gewechselt und die Werkself verhinderte nur mit Ach und Krach auf den allerletzten Drücker den Gang in die Zweitklassigkeit. Ein sichtlich gezeichneter Reiner Calmund saß verzweifelt und weiß wie eine Kalkleiste auf der Tribüne und beendete nach der mehr als knappen Rettung seine aktive Funktionärskarriere.

DAS ist es, was passiert, wenn man glaubt, man sei zu gut, um abzusteigen. Die viel zitierten „drei Mannschaften, die schon schlechter sein werden“, sind nirgends in Sicht. In Stuttgart und in Bremen – beide stehen noch knapp hinter der Borussia – nehmen die Spieler wenigstens den Kampf an. Werder erzielte am Wochenende in einer Partie so viele Tore, wie der BVB in den letzten vier Ligaspielen. Zurzeit ist niemand schlechter als der BVB.

Fans müssen weiter lautstark unterstützen

Für uns Fans gibt es keinen anderen Weg, als die Mannschaft weiter lautstark zu unterstützen. Alles andere hilft nur den Medien, nicht aber der Borussia. Wir müssen auf Gedeih und Verderb unseren Teil dazu beitragen, dass wir mit dieser Mannschaft und vor allem mit diesem Trainer aus der sportlichen Krise finden. Zwei Spiele gibt es nur noch, in denen man verhindern kann, auf einem Abstiegsplatz zu überwintern.

Wir sollten und wir werden also weitermachen, wie bisher. Weil wir wissen, was die Mannschaft in der Vergangenheit geleistet hat und weil uns diverse Touren in der Achterbahn, die die Dortmunder Erfolgskurve traditionell ist, gestählt haben. In der Mannschaft muss aber bei weitem nicht jeder so weiter machen wie bisher. Einige scheinen noch immer nicht den Ernst der Lage verstanden zu haben, spielen in Berlin einen Hacke-Fehlpass im Mittelkreis oder einen laschen Katastrophenpass im Spielaufbau, andere sind derzeit einfach nicht gut genug.

Zur Not muss das Trainerteam da halt noch mehr unpopuläre Entscheidungen treffen. Noch ein paar Auftritte, wie der in Berlin, und ich schau mir mal lieber ein Auswärtsspiel in der Badewanne an. Oder in einer Nervenheilanstalt. Vielleicht finde ich auch eine Nervenheilanstalt mit einer Badewanne drin.

15.12.2014, Rutger Koch, Gib mich DIE KIRSCHE

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