Berlin. . Die Höchststrafe für erfolgreiche Sportler ist Mitleid. Mit dieser Form des menschlichen Empfindens wurde Borussia Dortmund nach der 0:1 (0:1)-Niederlage bei Hertha BSC Berlin überschüttet.

Wenn der Gegner mit dem Verlierer so sehr mit leidet, dass er sich fast schämt, seine eigene Freude vor dessen Augen auszuleben, dann wird es bitter für den Unterlegenen.

Ausgerechnet Julian Schieber hatte in diesem Kellerduell der Liga das Siegtor für die Hertha gegen den BVB geschossen. Der Stürmer, der in Dortmund zwei Jahre lang einen Stammplatz auf der Ersatzbank hatte, blüht in Berlin auf und erzielte bereits seinen fünften Saisontreffer. Es ist ein äußerst wichtiges Tor, das sein Team mit 17 Punkten auf Platz 13 ein wenig verschnaufen lässt und seinen Ex-Klub mit immer noch mickrigen 14 Zählern aus 15 Partien auf den Relegationsrang 16 zurückfallen lässt.

Schieber leidet mit dem BVB

Wie die gesamte Fußball-Welt rätselt auch Schieber, wie es dazu kommen konnte, dass sich der BVB in dieser Bundesligasaison so anders präsentiert wie in den vergangenen Jahren. Aus einem Meisterschaftskandidaten ist ein höchst gefährdetes Team geworden, das in Berlin so auftrat, wie es die Bundesliga-Tabelle widerspiegelt. „Es ist einfach schade, dass die Jungs eine unglaubliche Qualität haben und es viel besser machen können und zu Unrecht so weit unten stehen”, sagte Schieber. „Bei meinem Tor habe ich Glück gehabt, dass Mitch ein bisschen spekuliert hat und ich den Ball nur noch rein schieben musste.”

Aber es lag keinesfalls an Torhüter Langerak, dass die Borussia in Berlin unterging. Im Gegenteil: Der Australier, der Roman Weidenfeller auf die Bank verdrängte, verhinderte kurz vor der Pause gegen Roy Berens sogar das 2:0 der Berliner.

Worte des Mitleids fand auch Hertha-Trainer Jos Luhukay für die Verlierer. „Mir tut es natürlich leid, dass Jürgen mit seiner Mannschaft verloren hat”, sagte Luhukay. „Aber Jürgen ist ein phantastischer Trainer mit einer großartigen Mannschaft.” Zu anderen Zeiten hätte der stets schlagfertige Klopp die Bemerkung seines Kollegen mit einem lockeren Scherz gekontert und das Auditorium zum Lachen gebracht. Nicht so nach dem 0:1. Die Niederlage hat Klopp sichtlich weh getan, die Spuren haben sich in seinem Gesicht eingegraben. So langte es nur noch zu einer ebenso selbstironischen wie realistischen Erwiderung. „Wir haben eine großartige Mannschaft”, sagte Klopp und fügte im gleichen Atemzug hinzu: „Wir haben auch großartige Probleme.”

Immobile vergibt Riesenchance

Obwohl bis auf Marco Reus und Sokratis alle BVB-Akteure wieder fit sind, obwohl mit Kevin Großkreutz sogar ein Spieler aus dem deutschen Weltmeister-Aufgebot nicht den Sprung in den Dortmunder 18-Mann-Kader schaffte, enttäuschte das Team völlig. Unsicher in der Abwehr, ideenlos im Mittelfeld, harmlos im Sturm: Bei der Borussia ging in Berlin nicht viel zusammen, obwohl Ciro Immobile kurz vor dem Abpfiff das 1:1 hätte erzielen müssen. „Es war wohl schwieriger, vorbei zu köpfen als in das Tor”, sagte Luhukay. Auch diese Worte waren frei von Häme, sondern pures Mitleid.

Reiner Frust hatte sich dagegen bei Sven Bender aufgestaut. „Das war heute wieder beschissen”, lautete seine Diagnose. „Es geht jetzt nicht um Fußball, es geht ums Punkten. Wir hauen uns Woche für Woche immer tiefer in den Strudel. Jetzt wird es extrem schwer.” Am Mittwoch kommt Wolfsburg nach Dortmund, am Samstag reist der BVB nach Bremen. „Wir müssen in diesen Spielen unsere Chance nutzen, den größtmöglichen Schritt nach vorn machen“, gab Klopp die Parole aus.