Dortmund. Vor dem Spiel gegen Borussia Mönchengladbach steht Borussia Dortmund auf einem Abstiegsplatz. Noch geben sich die Verantwortlichen ruhig, aber gegen die Fohlen muss dringend ein Sieg her. Immerhin scheint BVB-Trainer Jürgen Klopp seine Formation gefunden zu haben.
Der griechische Innenverteidiger Sokratis ist zumindest abseits des Platzes ein eher ruhiger Vertreter seiner Zunft. Und so kommentierte der Abwehrspieler von Borussia Dortmund jüngst in geradezu stoischer Gelassenheit die verfahrene Lage des BVB in der Bundesliga: "Wir wissen ja alle, dass wir schlecht gestartet sind", brummte er. "Wir wissen aber auch, dass wir Qualität haben."
Es ist eine Ansicht, die weit verbreitet ist in Dortmund: Ja, die tabellarische Lage ist "beschissen" (Trainer Jürgen Klopp), aber die Qualität des Kaders sei viel zu hoch, um sich ernsthaft Gedanken über Abstiegskampf machen zu müssen. Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke etwa bekundet zwar pflichtschuldig, angesichts von Tabellenplatz 17 müsse doch spätestens jetzt jeder erkannt haben, "dass das kein Selbstläufer wird". In der Sky-Sendung "EinsEins - Das Standpunktgespräch" sagte er aber auch: "Lösen Sie sich vom Thema 2. Liga. Das war ein schöner Joke, wird aber natürlich nicht passieren.".
Wer so redet, guckt nicht nach unten, sondern nach wie vor nach oben. Öffentlich nehmen die BVB-Verantwortlichen zwar einstweilen Abstand vom Ziel Champions League, intern aber liebäugeln sie nach wie vor zumindest mit Platz vier. Ganz anders klingt das bei Rechtsverteidiger Lukasz Piszczek: "Wir wissen, wie gefährlich die Situation ist", sagt der. "Ich habe so etwas schon erlebt." Der polnische Nationalspieler spielte in der Saison 2009/2010 für Hertha BSC Berlin - eine Mannschaft, die in der Vorsaison nur knapp die Champions League verpasst hatte und gemeinhin als viel zu stark für den Abstieg eingeschätzt wurde. Doch nach einem verpatzten Saisonstart geriet die Mannschaft in einen Abwärtssog, der nicht mehr gebremst werden konnte - am Ende stand der Abstieg.
Knoten soll platzen
Ähnliches hatte der BVB zehn Jahre zuvor erlebt: Man hatte rund 50 Millionen D-Mark in neue Spieler investiert, doch die teuren Kicker wurden nie zu einer echten Mannschaft und gerieten sogar in ernste Abstiegsgefahr - erst am vorletzten Spieltag konnte durch ein 1:1 gegen Schalke 04 der Klassenerhalt gesichert werden. In beiden Fällen war zu erleben, wie eine qualitativ hochwertige Mannschaft durch jede Niederlage weiter verunsichert wird und zusehends das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verliert - eine Beobachtung, die sich auch in den vergangenen Wochen beim BVB machen ließ.
Nun ist der aktuelle Dortmunder Kader allerdings deutlich stärker als der damalige oder der von Hertha. Und so hört man im Umfeld des Vereins kaum jemanden, der nicht davon überzeugt ist, dass schon bald der Knoten platzen wird. Das allerdings hört man seit Wochen, passiert ist bislang das Gegenteil: Durch fünf Niederlagen in Folge ist der BVB bis auf einen Abstiegsplatz abgerutscht.
Als Gegenmaßnahme haben sich die Verantwortlichen Ruhe verordnet. Präsident Reinhard Rauball will Fragen zu einer möglichen Diskussion "nicht einmal ignorieren", Geschäftsführer Watzke hat vor allem die Verletztenmisere als Ursache ausgemacht. "Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, dass wir - da schließe ich auch Michael Zorc mit ein - Fehler gemacht haben, die so gravierend gewesen wären, dass wir jetzt in dieser Situation sind", sagte er ebenfalls bei Sky. Trainer Klopp schloss er in diese Erklärung nicht mit ein - wer wollte, konnte dies als leichte Absetzbewegung deuten.
Tatsächlich lässt sich in Dortmund vor allem Ratlosigkeit erkennen angesichts der Frage, warum es in der Champions League mit vier Siegen in vier Spielen optimal und in der Liga überhaupt nicht läuft. "Keine Ahnung", sagte Kevin Großkreutz nach dem jüngsten Champions-League-Erfolg gegen Galatasaray Istanbul (4:1). "Es ist einfach so, da kann man nichts machen."
Auch Trainer Klopp suchte lange nach einer Antwort, änderte von Spiel zu Spiel immer wieder Personal und Formation und tat der ohnehin verunsicherten Mannschaft damit keinen Gefallen. Nun aber scheint er eine Mischung gefunden zu haben, die ihn fürs Erste zufrieden stellt: Gegen Bayern München (1:2) und in der Champions League gegen Galatasaray Istanbul (4:1) setzte er vor allem auf Stabilität, riegelte das Mittelfeld mit drei defensiv orientierten Spielern ab, vor denen Marco Reus, Shinji Kagawa und Pierre-Emerick Aubameyang wirbelten.
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Da die Formation recht ordentlich funktionierte und Klopp angekündigt hatte, das Spiel gegen Galatasaray zum Verfeinern von Abläufen nutzen zu wollen, dürfte auch am Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach ähnlich gespielt werden. Und weil der teure Neuzugang Ciro Immobile ebenso wie der offensichtlich nicht voll austrainierte Ilkay Gündogan dabei nur teilweise mitwirken durften, scheint für beide bis auf weiteres die Rolle als Joker reserviert - der Trainer dürfte weiterhin auf die Formation setzen, die gegen Bayern eine Halbzeit lang und gegen Galatasaray über 90 Minuten eine ordentliche Leistung bot.
Doch Sebastian Kehl warnt angesichts des leichten Aufwärtstrends schon vor zu viel Überschwang: "Gladbach wird ein ganz anderer Gegner sein als Galatasaray", sagt er. "Sie werden sehr viel aggressiver sein, werden sehr viel mehr investieren. Es wird deutlich schwerer, am Wochenende hier zu gewinnen."
Es ist aber auch deutlich nötiger - sonst müsste das Ziel Champions League wohl auch intern begraben werden. (dpa)