Essen. Auch wenn die Deutsche Meisterschaft so früh wie nie entschieden war - Geschichten aus der Bundesliga-Saison 2013/14 gibt es doch zu erzählen. Ein Phantomtor, ein rasender Mann mit extravaganter Frisur, der Sturm und Drang der Jugend, traurige Abschiede, viele Tränen und noch mehr Jubel.
Jede Bundesliga-Saison hat ihre Gewinner, ihre Verlierer, ihre Emotionen und ihre sportlichen Höhepunkte. Auch die Saison 2013/14 hatte sie. Wir haben elf Geschichten aufgeschrieben.
Von Aufsteigern, Absteigern und Phantomen
Das Tor, das keines war, und trotzdem zählte
Am neunten Spieltag schrieb ein Tornetz Bundesliga-Geschichte. Stefan Kießling, Stürmer von Bayer 04 Leverkusen, köpfte in der 70. Minute den Ball am Pfosten der TSG 1899 Hoffenheim vorbei, der Ball prallte gegen das Außennetz (s. Foto). Kießling raufte sich bereits die Haare ob der vergebenen Chance, als der Schiedsrichter auf „Tor“ entschied. Kießling riss die Arme hoch – bejubelte seinen vermeintlichen Treffer. Ein Phantomtor. Durch ein Loch im Außennetz war der Ball ins Tor gelangt, der Treffer zum 2:0 (Endstand 2:1) hätte regulär nicht zählen dürfen. Die skurrile Geschichte, die bei der TSG niemand lustig fand, benötigte am Ende sogar eine gerichtliche Entscheidung. Das Ergebnis: Sieg fürs Phantom, der Treffer zählte.
Abschiedstränen bei ter Stegen
Marc-André ter Stegen ist ein Profi im Halten. Deshalb stand er 108 Bundesligaspiele lang für Borussia Mönchengladbach im Tor. Doch zur kommenenden Saison verlässt er den Klub, dem er 18 Jahre lang angehörte. Es zieht ihn zum FC Barcelona. Als ter Stegen am 33. Spieltag beim letzten Heimspiel gegen Mainz 05 (3:1) im Borussia-Park von den Fans mit frenetischem Jubel gefeiert und mit stehenden Ovationen verabschiedet wurde, war es vorbei mit seiner Halte-Kunst. Die Tränen schossen ihm in die Augen, er konnte sie nicht mehr zurückhalten. „Ich werde immer ein Gladbacher sein“, sagte er überwältigt.
Gündogan – der Pechvogel der Saison
Große Dramen leben von der Fallhöhe ihres Protagisten. Je tiefer der Held fällt, desto größer ist die Katastrophe. Bei Ilkay Gündogan war es genauso. Der 23-Jährige entwickelte sich bei Borussia Dortmund zum wichtigen Mittelfeldmotor, hatte großen Anteil am Einzug ins Champions-League-Finale. Für die WM galt der Nationalspieler als so gesetzt, dass erste Werbekampagnen sein Gesicht als Sinnbild von Zuversicht und Siegeswillen zeigten. Die Karriere lief rund. Dann kam der Fall. Seit dem ersten Bundesliga-Spiel im August in Augsburg hat er nicht mehr gespielt. Eine langwierige Nervenentzündung im Rücken vermasselte ihm erst die Saison und dann die WM-Teilnahme.
Tratsch und Klatsch um van der Vaart
An Rafael van der Vaart führte kein Weg vorbei. Der HSV-Kapitän dominierte die Berichterstattung – zumindest die der Klatschpresse. Die Trennung von seiner Frau Silvie, die neue Beziehungen zu einer (mittlerweile Ex-)Freundin von Silvie – alles sehr dramatisch. HSV-Sportdirektor Oliver Kreuzer wusste deshalb eine „gewaltige Summe von Gründen“ für die schwache Form des Spielmachers.
Max Meyer – der Aufsteiger der Saison
Sucht man die Gewinner der Saison, dann kommt man an Mittelfeldspieler Max Meyer nicht vorbei. Der 18-jährige Oberhausener ist das Sinnbild für die Arbeit von Jens Keller. Der Trainer des FC Schalke 04 ließ sich von vielen Verletzungen nicht irritieren und setzte vermehrt auf junge Spieler wie Meyer, Leon Goretzka, Sead Kolasinac, Kaan Ayhan und hatte Erfolg: Schalke qualifizierte sich zum ersten Mal in seiner Geschichte dreimal in Serie für die Champions League. Dass Meyer mit der Nummer 7 das Erbe von Raúl auf seinem Rücken trägt, schien ihn nicht einzuschüchtern – er entwickelte sich zu einer wichtigen Kraft. Gegen Polen debütierte er sogar in der Nationalelf.
Der Imagewechsel der Saison – Kevin-Prince Boateng
Die Verpflichtung von Kevin-Prince Boateng sorgte beim FC Schalke 04 im August, in einer Phase, in der Schalke in eine personelle Notlage geraten war, für viel Wirbel. Immerhin war es der Nationalspieler Ghanas, der vor der WM 2010 Deutschlands Kapitän Michael Ballack so auf den Fuß gestiegen war, dass er die WM verpasste. Doch der hart aussehende Kerl aus dem Berliner Wedding zeigte auf Schalke, dass sein Rüpel-Image Vergangenheit ist. Bei seinen Einsätzen für Königsblau zeigte er sich weniger als Rebell, sondern als souveräner Stabilisator im Mittelfeld.
Extravagante Auftritte und extrem schnelle Antritte - Aubameyang
Er ist die personifizierte Extravaganz. Seitdem der gabunische Nationalspieler Pierre-Emerick Aubameyang bei Borussia Dortmund spielt, sorgt er dort für Aufsehen. Neben seinen Autos, zu denen unter anderem ein weißer Ferrari zählt, sind seine Frisuren die wohl meist fotografierten in der Bundesliga. Mal war es ein Batman-Logo, mal ein BVB-Schriftzug, und manchmal waren es Champions-League-Sterne, die er in die Seiten seiner Frisur einrasierte. Auch sportlich machte der 24-Jährige, der von AS St. Etienne aus der französischen Liga kam, auf sich aufmerksam. Zum Auftakt schoss er beim 4:0-Sieg beim FC Augsburg drei Treffer. Er bejubelte sie mit artistischer Salto-Kunst. Spektakulär ist auch das Tempo, mit dem Stürmer Aubameyang über die Flügel flitzt. Das Problem: Dann und wann war er nicht nur zu schnell für seine Gegenspieler, sondern auch für seine Kollegen, wodurch sich Probleme in der Abstimmung ergaben. Zu einem dauerhaften Startelf-Platz im Team von Jürgen Klopp reichte es in seiner ersten Saison bei Borussia Dortmund noch nicht.
Der Beste geht zum Schluss – die Lewandowski-Geschichte
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Besser kann man es nicht machen. Auch wenn das Gehampel um den früh offensichtlichen, aber erst spät bestätigten Wechsel von Borussia Dortmunds Stürmer Robert Lewandowski zum Konkurrenten FC Bayern die Liebe der Fans für einen Moment erschüttert haben mag, am Ende wurde der Pole gefeiert. Grund dafür war das stets professionelle Verhalten des 25-Jährigen, der in seiner letzten Saison in Dortmund alles in sein Spiel für den Verein warf und mit seinem 100. Tor für den BVB im Pokal-Halbfinale gegen den VfL Wolfsburg den Weg zum Finaleinzug ebnete. Nach seinem letzten Bundesliga-Spiel feierte Lewandowski in Berlin mit den Fans in der Kurve die Torjägerkanone, die er als erfolgreichster Schütze mit 20 Toren zum Abschied nach Dortmund holte. So durfte er nach vier Jahren, in denen er zum Weltklasse-Stürmer reifte, weiterziehen.
Aus der Bahn geworfen – die Ribery-Tragödie
Manchmal genügt ein Moment, und alles ist anders. Für Franck Ribéry, den kreativen Außenstürmer des Triple-Siegers FC Bayern München, reichte offenbar ein Montag in Zürich. Die Fifa verlieh dort den Ballon d’Or an den „Weltfußballer des Jahres“. Ribéry, der im August zum Fußballer Europas gewählt worden war, galt zunächst als Favorit, wurde am Ende aber nur Dritter hinter Cristiano Ronaldo und Lionel Messi. In München war die Enttäuschung groß, Ribéry warfen die Wahl und eine Gesäßmuskel-OP im Februar aus der Bahn. Hinzu kam die Fortsetzung seines Gerichtsprozesses, weil er Sex mit einer Minderjährigen gehabt haben soll. Er wurde freigesprochen. Doch seitdem fehlte die Leichtigkeit. Im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid zeigte sich der Qualitätsverlust auf der linken Seite besonders. 0:1 und 0:4 unterlag der FCB. Erneut triumphierte Ronaldo.
Zwei, die sich verstehen – Lahm und Guardiola
Den Ritterschlag bekam Philipp Lahm, Kapitän des FC Bayern München, schon vor Beginn der Bundesliga-Saison. Pep Guardiola, der neue, der Über-Trainer, der personifizierte Meistermacher, sagte nach dem Gewinn des europäischen Supercups: „Philipp Lahm ist für mich der intelligenteste Spieler, den ich je in meiner Karriere trainiert habe. Ich bin froh, hier zu sein, nur weil ich ihn trainieren darf.“ Lahm sei „auf einem anderen Niveau“. Nicht schlecht, hatte Guardiola in seinen fünf Jahren als Coach des FC Barcelona doch unter anderen den viermaligen Weltfußballer Lionel Messi trainiert. Der Grund für das Lob: Der 30-Jährige ist der Prototyp des vielseitigen Spielers, wie er perfekt in das Guardiola-System passt. Lahm versteht, was der Trainer will und kann es – laut Coach – auf zehn Positionen umsetzen.
Die japanische Rekordgeschichte von Okazaki
Shinji Okazaki hat im Sommer 2013 offenbar alles richtig gemacht. Vom VfB Stuttgart kommend, heuerte der 28-jährige Japaner beim FSV Mainz 05 an. Er zog mit seinem Verein in die Europa League ein und steigerte seinen Marktwert von zwei auf vier Millionen Euro. Trainer Thomas Tuchel, der am Ende der Saison wegen seines plötzlichen Abschieds und dem Bekanntwerden seiner Kontakte zu Schalke 04 selbst zu einer Bundesliga-Geschichte avancierte, hatte früh prophezeit: „Ich bin überzeugt, dass er sehr viel treffen wird, wenn er Selbstvertrauen hat.“ Er sollte Recht behalten. Der nur 1,74 Meter große Stürmer Okazaki schoss sich in Mainz zum erfolgreichsten japanischen Bundesliga-Torschützen und überholte damit seinen Nationalmannschaftskollegen, den Ex-Dortmunder Shinji Kagawa, der seit 2012 für Manchester United spielt. „Der Rekord war mein Ziel. Jetzt fällt mir ein Stein vom Herzen“, sagte Okazaki. Am Ende standen auf seinem Konto 15 Treffer – zwei mehr als bei Kagawa.