München. . Nach der 0:4-Niederlage gegen Real Madrid und dem Aus im Halbfinale der Champions League sucht der FC Bayern München nach Ursachen. Trainer Pep Guardiola will aber an seinem System festhalten: „Ich kann doch nicht etwas ändern, von dem ich überzeugt bin.“

Eine Stunde vor dem Anpfiff stieg Matthias Sammer aus dem Mannschaftsbus des FC Bayern München, der die Fußballer des Rekordmeisters zum Stadion gebracht hatte. Sammer zog einen Rollkoffer hinter sich her. Was schleppt ein Sportvorstand in einem Koffer mit zum Halbfinal-Rückspiel der Champions League gegen Real Madrid in die Arena?

Ein zweites Gesicht?

Die Frage bleibt unbeantwortet. Denn nach der 0:4 (0:3)-Heimpleite und dem Aus reicht Sammers Standard-Gesicht, mit dem er gewöhnlich griesgrämig und kampflustig in die Welt schaut. Als die Profis gedemütigt vom Rasen schleichen, bügelt Sammer in den Katakomben bereits erste Fragen ab.

Zum Beispiel die nach der Strategie von Trainer Pep Guardiola, der nach der im März gewonnen Meisterschaft seine Stars schonte und danach mit seiner Mannschaft den bezaubernden Rhythmus der Hinserie nicht mehr wiederfand. Hat dieser ganze Prozess vielleicht ein paar Prozentpünktchen der Leistung gekostet?

Tiki-Taka-Fußball reicht nicht für die großen internationalen Titel

Sammer wittert immer und überall Attacken und ist gerade nach Niederlagen von Kopf bis Fuß auf Hiebe eingestellt. „Ich möchte die warnen, die die ganz klugen Ratschläge haben“, antwortet er mit schneidiger Stimme. „Diese Situation hat noch niemand gehabt.“

Will sagen: Hätte Guardiola nicht mehrfach mit der B-Elf gespielt, hätten sich vielleicht Arjen Robben und Franck Ribéry verletzt. Und alle hätten über Guardiola den Kopf geschüttelt. Der Spanier hat Variante Zwei gewählt, sich bewusst für eine B-Elf entscheiden, und nun schütteln alle tatsächlich die Köpfe. Dabei gilt der alte Satz: Wenn man aus dem Rathaus heraus kommt, ist man immer klüger.

Der Eindruck, der nach den beiden Niederlagen im Hin- und Rückspiel gegen Madrid haften bleibt, ist dieser: Der Tiki-Taka-Fußball der Bayern taugt nicht, um international die großen Titel abzuräumen.

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Wäre das tatsächlich so, müsste der Klub sein komplettes Konzept ändern. Aber er wird es so schnell nicht ändern. Der Vorstands-Vorsitzende Karl-Heinz Rummenigge hält Guardiola für „ein Genie“, mit dem er noch jahrelang zusammen arbeiten möchte.

Der Bayern-Coach lässt sich nicht provozieren

Guardiola selbst ist eine halbe Stunde nach Mitternacht noch mitten im Getümmel in den Katakomben der Arena. Der Sauerstoff im Gedränge der Menschen wird langsam knapp wie auf dem Mond. Aber der Trainer behält die Übersicht. Er lässt sich auch von Fragen nach einem Rücktritt nicht provozieren.

Im Gegenteil, er verteidigt selbstsicher sein System des Kurzpass-Fußballs. „Ich kann doch nicht etwas ändern, von dem ich überzeugt bin“, sagt er.

Im Umkehrschluss bedeutet dieser Satz, dass der FC Bayern die 60 Millionen, die er in der Champions League kassiert hat, wohl in neue Spieler stecken wird. Spieler, die Guardiolas System noch besser umsetzen können. Mit Robert Lewandowski kommt ein ballsicherer Top-Torjäger nach München. Toni Kroos könnte den Absprung nach England wagen, dafür wäre ein Platz im Mittelfeld frei.

Dann ist der Abend vorbei, und damit für die Bayern auch die Champions League. Die Stars von Real sitzen längst im Nachtflieger nach Madrid, als Sammer mit seinem Koffer zum Parkplatz geht.