Essen. . Der Innenverteidiger aus Genua, der für den Test gegen Chile nominiert wurde, muss aber nicht der letzte Neue sein, der Aufmerksamkeit erregt. Vor der WM will der Bundestrainer die Alternativen für den Ernstfall testen. Für den Ernstfall des Ausfalls vieler Etablierter
Man kann nicht behaupten, dass der Bundestrainer im Vorfeld viel Wind um den Kader für einen Ländervergleich machen würde. Die Presseabteilung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) vermeldet, dass demnächst per Mail die Liste mit den relevanten Namen an die Redaktionen verschickt werde. Und wenn der Tag gekommen ist, für den sich Joachim Löw die Verkündigung wünschte, wird eben in der Frankfurter Zentrale des DFB der Senden-Button angeklickt. In diesem Fall, vor der Testpartie gegen die Auswahl von Chile am kommenden Mittwoch in Stuttgart (20.45 Uhr/ARD), handelte es sich dabei um den gestrigen Freitag. Gegen 13 Uhr wurde angeklickt. Und Minuten später dürfte dieser insgesamt etwas geschäftsmäßig kühle Vorgang schon in ganz Deutschland zu hitzigen Reaktionen geführt haben.
Es ist natürlich bekannt, dass der Bundestrainer gern den einen oder anderen Akteur, der ihm in den vergangenen Monaten positiv aufgefallen ist, hineinholt in den Kreis der Nationalmannschaft. Weil das die Möglichkeit bietet, im Training zu beobachten, ob er mit den Etablierten mithalten kann. Weil erwiesene Gruppentauglichkeit für Löw ein wichtiges Kriterium ist und diese nur durch persönliche Kontaktaufnahme überprüft werden kann. Selten zuvor passierte es allerdings, dass ein Name so überraschend auf die Liste geriet. Shkodran Mustafi? Bei Allah, wer war das nochmal?
Allah weist zumindest nicht in die falsche Richtung. Der 21-jährige Mustafi ist als Sohn albanischer Eltern Muslim. Er wurde in Bad Hersfeld geboren und kickte in der Jugend für den SV Rotenburg. Er besuchte das HSV-Fußballinternat und war von der U 16 an in allen Teams des DFB präsent. Als Mustafi jedoch bereis 2009 auf die britische Insel zum FC Everton wechselte, verschwand er irgendwie, aus den Augen, aus dem Sinn, weil er zwar Einsätze hatte, die Kunde davon aber nicht über den Ärmelkanal drang. Mit Sampdoria Genua, für das er seit Anfang 2012 spielt, gelang Mustafi dann jedoch der Aufstieg von der italienischen B-Kategorie in die Serie A. Und spätestens seitdem musste der Bundestrainer wohl nicht mehr von U 21-Coach Horst Hrubesch auf das Talent aufmerksam gemacht werden.
Mustafi hat sich nämlich in dem Land durchgesetzt, dessen Fußball für seine taktische Raffinesse und vor allem vorbildliche defensive Organisation gerühmt wird. Innenverteidiger, denen dieses Kunststück gelingt, stechen ins Auge und geraten leicht in den Sinn, wenn Mats Hummels und Benedikt Höwedes nach längeren Verletzungspausen noch nicht wettkampftauglich erscheinen und sogar ein ewiger Notstopfen wie Heiko Westermann vergrippt passen muss.
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Es ginge etwas mehr als drei Monate vor der WM in Brasilien darum, „an Lösungen und Alternativen für den Ernstfall zu arbeiten“, hat Löw sein Novizen-Quartett begründet, zu dem auch Matthias Ginter vom SC Freiburg (ebenfalls Innenverteidiger) und Pierre-Michael Lasogga vom Hamburger SV (Zentralstürmer) und Andre Hahn vom FC Augsburg (Außenstürmer) gehören. Hinzugefügt hat der Bundestrainer: „Mit Blick auf die WM dürfen und werden wir keine Kompromisse eingehen.“
Allesspieler Kevin Großkreutz
Keine frohe Botschaft ist das für alle, die langfristig malade sind (wie Sami Khedira, wie Ilkay Gündogan) oder den Pfad zum Turnier nur stolpernd bewältigen, weil sie verletzt waren oder im Formtief feststecken. Aktuell fehlen auch noch Thomas Müller, Sven Bender, Mario Gomez, Marco Reus, Julian Draxler, Max Kruse und Torhüter Rene Adler. Dafür ist Bastian Schweinsteiger für die Auseinandersetzung mit Chile nominiert. Roman Weidenfeller ist wieder als Vertreter für Stammkeeper Manuel Neuer dabei. Und ebenfalls wieder einberufen wurde Weidenfellers Dortmunder Kamerad Kevin Großkreutz. Der kann alles, der kann auch Innenverteidiger. Ohne Großkreutz fährt Deutschland also eher nicht zur WM. Ohne Mustafi wahrscheinlich schon.