Köln. Vielleicht wird Ewald Lienen für einen Moment seinen „Traumblick über die Donau“ genießen und kurz in Erinnerungen schwelgen. Dann aber ruft wieder sein Job in der rumänischen Industriestadt Galati. Für seinen 60. Geburtstag hat der einstige Fußball-Revoluzzer einfach keine Zeit.
„Ich weiß gar nicht, an welchem Wochentag der ist“, gestand Lienen im Gespräch. Ein bisschen feiern mit Familie und Freunden wird er erst kurz vor Weihnachten in Deutschland.
Lienen wäre nicht Lienen, wenn die Gegenwart ihm nicht viel wichtiger wäre als die Vergangenheit. Der ehemalige Stürmer von Borussia Mönchengladbach, Arminia Bielefeld und dem MSV Duisburg, der einst mit langen Haaren und linkem Gedankengut ein Paradiesvogel der Bundesliga war, ist mit Leib und Seele Trainer.
Entsprechend engagiert geht er seit Anfang November seinen Job beim abstiegsgefährdeten rumänischen Erstligisten Otelul Galati an. „Es ist nicht so einfach, wenn man eine Mannschaft mitten in der Saison übernimmt. Die Tabellensituation ist etwas delikat, es fehlt am nötigen Selbstvertrauen“, sagte Lienen: Es ist sehr viel Arbeit und erfordert vollen Einsatz.“
Auf keinen Fall aber möchte Lienen sein fünftes Engagement im Ausland als Abenteuer missverstanden sehen, obwohl er der erste deutsche Trainer in Rumänien ist. „Ich habe absolute Top-Leute hier, viele Ex-Profis. Wir haben einen sehr guten Platz, ein gutes Stadion, gute Trainingsbedingungen“, so Lienen, der die technischen Fähigkeiten seiner rumänischen Spieler lobte und jetzt „die Siegermentalität“ finden will.
Auch interessant
Ein Kunststück, das dem 1981 durch ein Foul des Bremers Norbert Siegmann und den anschließenden Bildern der klaffenden Oberschenkelwunde berühmt gewordenen Lienen auf einigen seiner Stationen bereits gelungen ist. Von der Presse gerne mal als „Zettel-Ewald“ betitelt, brachte der akribische Arbeiter den 1. FC Köln zurück in die Bundesliga und Panionios Athen in den UEFA-Cup. In Griechenland wählten sie ihn zum Trainer des Jahres, in der Domstadt widmete die Band Wise Guys dem Erfolgstrainer „Die Heldensage vom heiligen Ewald“.
Von Heldenverehrung wollte Lienen, der in der 80er Jahren für die Friedensliste für den Landtag in Nordrhein-Westfalen kandidierte, aber nie etwas wissen. Der politisch denkende Fußballer hielt mit seiner Meinung selten hinter den Berg, war unangepasst, eben ein bisschen anders als der Rest. Seine Neugier und Risikobereitschaft trieben ihn in den letzten 20 Jahren durch Europa.
Wenn es nach Lienen geht, ist auch mit 60 noch lange nicht Schluss. Mir geht es gut. Ich hatte ja auch zwischendurch immer wieder Zeit, mich zu erholen“, sagte Lienen: „Solange ich die Möglichkeit habe, werde ich arbeiten.“ Auch wenn dann das mit dem Feiern wieder ein bisschen zu kurz kommt. (sid)