Paris. . Die zweite 0:6-Pleite in Folge hat Holger Osieck den Job als Trainer der australischen Fußball-Nationalmannschaft gekostet. Im SID-Interview äußerte sich der 65-Jährige am Sonntag über seinen Rauswurf.

Holger Osieck schien nach dem Abpfiff zu ahnen, was folgen würde: Mit gesenktem Haupt, die Hände in den Hosentaschen seines Anzugs verborgen, stapfte Australiens Fußball-Nationaltrainer nach dem 0:6 (0:4) gegen Frankreich gedankenverloren und mit finsterer Miene über den Rasen des Pariser Prinzenpark-Stadions. Zum zweiten Mal hintereinander hatten die Socceroos damit die „Tennis-Höchststrafe“ - zuvor ebenfalls ein 0:6 gegen Rekord-Weltmeister Brasilien am 7. September in Brasilia - erlitten.

„Drei Stunden nach dem Abpfiff, also so gegen zwei Uhr morgens, kam der Generalsekretär des Verbandes zu mir und teilte mir mit, dass ich meine Koffer packen kann. Ich hatte im Prinzip nicht damit gerechnet, muss das jetzt alles erst einmal verarbeiten“, sagte Osieck am Sonntag im SID-Interview. Von seinen Spielern konnte sich der 65-Jährige nicht einmal richtig verabschieden: „Die Mannschaft war betroffen, geschockt - wie ich.“

Dass er zuletzt gegen zwei Hochkaräter wie Brasilien und Frankreich spielen ließ, verteidigt der einstige Assistent von Weltmeister-Teamchef Franz Beckenbauer. „Ja, solch krasse Ergebnisse hatte ich nicht erwartet. Ich wollte nicht gegen Singapur oder Malaysia spielen, sondern eine Standortbestimmung gegen WM-Teilnehmer durchführen, dann analysieren, mir Gedanken machen, Korrekturen einführen. Die anderen asiatischen Mannschaften Südkorea, Japan, Iran sind ja auch nicht ohne gute Fußballer.“

Australischer Verband führt Gespräche mit Guus Hiddink

Aurelio Vidmar wird die Aussies am Dienstag im Länderspiel gegen Kanada als Interims-Coach betreuen. Als Nachfolger für Osieck sind neben einigen australischen Trainern auch der Niederländer Guus Hiddink, der Franzose Gerard Houllier und auch Winfried Schäfer (zurzeit Nationalcoach Jamaikas) im Gespräch. Erste Gespräche mit Hiddink wurden laut australischem Verband bereits geführt.

Seine bisherigen Schützlinge brachten derweil Osieck große Hochachtung entgegen. „Wir möchten Holger dafür danken, uns die dritte WM-Teilnahme beschert zu haben. Es ist das erste Mal, dass jemand entlassen wird, der uns zur WM geführt hat. Ein trauriger Tag für den Fußball in Oz“, twitterte Starspieler Tim Cahill. Kapitän Lucas Neill erklärte in seinem Tweet: „Australien sollte stolz und dankbar sein. Asien-Cup-Finale und WM-Qualifikation - danke und alles Gute, Boss!“

<blockquote class="twitter-tweet"><p>Sitting with Holger now, Australia should be proud and thankful. Asian cup final and WC qualification. Thanks and all the best boss!!</p>&mdash; Lucas Neill (@LucasNeill) <a href="https://twitter.com/LucasNeill/statuses/388817085259735040">October 12, 2013</a></blockquote>

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Osieck war trotz der bereits sicheren Teilnahme an der WM-Endrunde 2014 in Brasilien zuletzt heftig unter Druck geraten. Allerdings war die erneut trostlose Vorstellung der australischen Mannschaft in der französischen Hauptstadt ausschlaggebend für den Rauswurf des einstigen Beckenbauer-Co-Trainers gewesen. Mit dem Kaiser hatte Osieck den WM-Titel 1990 in Italien geholt.

Der ehemalige Bochumer mit positiver Bilanz in Down Under

Sein Vertrag mit dem australischen Verband FFA wäre im kommenden Sommer nach der WM nach vier Jahren ausgelaufen. „Wir haben eine strategische Perspektive, uns bei der WM im kommenden sehr gut zu verkaufen. Außerdem wollen wir als Gastgeber beim Asien-Cup 2015 eine Mannschaft haben, die den Turniersieg davontragen kann“, betonte Verbands-Präsident Frank Lowy.

<blockquote class="twitter-tweet"><p>Want 2 say Thankyou to Holger for getting us to our 3rd WORLD CUP. Is this a first get us to WC and get the sack. Sad day for Football in oz</p>&mdash; Tim Cahill (@Tim_Cahill) <a href="https://twitter.com/Tim_Cahill/statuses/388812875315572737">October 11, 2013</a></blockquote>

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Beide Ziele, so offenbar die Meinung des Verbandes, waren mit Osieck als Chefcoach nicht zu realisieren. Unter dem deutschen Fußballlehrer hatten die Socceroos in 44 Länderspielen 23 Siege Siege, zehn Unentschieden und elf Niederlagen verbucht.

Die australischen Fans wünschen sich am liebsten wieder Hiddink, der die Mannschaft bei der WM 2006 in Deutschland betreut hatte. Damals hatte die Australier im Achtelfinale in Kaiserslautern gegen den späteren Weltmeister Italien (0:1) nur hauchdünn eine Sensation verpasst.

Der 65 Jahre alte Osieck, der in der Bundesliga den VfL Bochum trainiert hatte, war nach der WM 2010 Nachfolger des Niederländers Pim Verbeek geworden. Der gebürtige Homberger hatte sich mit den Australiern nach anfänglichen Schwierigkeiten am letzten Spieltag der Asien-Ausscheidung direkt für die WM-Endrunde in Brasilien qualifiziert und damit seine Kritiker kurzzeitig zum Verstummen gebracht. (sid)