Essen. Auf dem Platz war er der “Ottes“ - und er war torgefährlich wie kaum ein Zweiter seiner Zeit. Ottmar Walter wurde 1954 mit der deutschen Nationalmannschaft sensationell Weltmeister. Nun ist einer der letzten Helden von Bern im Alter von 89 Jahren verstorben.

Wenn Fritz Walter auf dem Fußballplatz „Ottes“ rief, dann startete Ottmar Walter sofort durch, schlug einen Haken und bekam von seinem Bruder den Ball einen Augenblick später genau in den Lauf serviert. Fritz, der Spielmacher, Ottmar, der Torjäger.

Die Brüder führten ihren 1. FC Kaiserslautern 1951 und 1953 gemeinsam zur Meisterschaft. 1954 dann im Wankdorfstadion von Bern die Krönung: Mit den Walter-Brüdern wurde Deutschland durch den 3:2-Sieg im Endspiel  gegen Ungarn Weltmeister. Ottmar schoss in fünf WM-Spielen vier Tore. Es war die zweite Geburtsstunde für das Deutschland der Nachkriegszeit.

Auch interessant

Nun ist Ottmar Walter tot. Er starb am Sonntag im Alter von 89 Jahren in einem Pflegeheim in Kaiserslautern fast auf den Tag genau elf Jahre nach seinem älteren Bruder.

Die große weite Welt war nicht die Welt von Ottmar

Ottmar Walter war Mittelstürmer. Einer, der immer wusste, wo die Lücke in der Abwehr war und wie man sie nutzte. Seine Statistiken sind mindestens so beeindruckend wie die von Gerd Müller, dem späteren Bomber der Nation. In 321 Pflichtspielen im Trikot der Roten Teufel vom Betzenberg erzielte Ottmar Walter 336 Tore. Eine Quote, bei der heute Top-Klubs wie Real Madrid oder Manchester United gar nicht mehr anrufen würden, sondern sofort ein ganzes Flugzeug voll mit Managern und Sportdirektoren schicken würden, um sich solch’ einen Stürmer zu angeln.

Doch die große weite Welt war nicht die Welt von Ottmar Walter. Er freute sich über den Motorroller, den es 1954 als Prämie für den WM-Sieg gab und stand lieber im Schatten als im Flutlicht. Bei Interview-Anfragen schob er gerne seinen Bruder Fritz in die erste Reihe. Und von dem Geld, das er bei seinem Karriere-Ende 1959 gespart hatte, kaufte er sich eine Tankstelle in Kaiserslautern. Mit dem Sport ging es bei ihm einfach nicht mehr weiter, denn er hatte  im Zweiten Weltkrieg als Marinesoldat eine Knieverletzung erlitten, an der er während seiner Karriere als Fußballer immer wieder operiert werden musste.

Er genoss es, sich nicht mehr den Schmerzen aussetzen zu müssen und kümmerte sich still um seine Tankstelle. Erst später, in den 70erJahren, als die großen, bunten Tankstellen aus den USA nach Deutschland und in die Pfalz schwappten, fand er einen Job im Sportamt der Stadt Kaiserslautern, wo er bis zur Rente wie jeder andere seiner Kollegen arbeitete.

Dort war er der „Ottes“; so wie auf dem Platz. Einer, der kein großes Trara um seine Person machte. Der 1. FC Kaiserslautern lud ihn natürlich ein, als das Stadion umbenannt wurde. Es hieß nun: Fritz-Walter-Stadion. Der große Fritz lächelte in die Kameras, „Ottes“ stand im Hintergrund und applaudierte.

Ein Tor, das passt

Am 80. Geburtstag verewigte der Klub auch den jüngeren der Walter-Brüder auf dem Betzenberg. Seitdem heißt das Nord-Tor zum Stadion: Ottmar-Walter-Tor. Man kann trefflich über die Größenverhältnisse zwischen einem Stadion und einem Eingangstor streiten, aber Ottmar Walter hätte das nie getan. Er hätte wohl so etwas gesagt wie: „Ein Tor passt doch ganz gut zu einem Mittelstürmer.“

Nach dem Tod seines Bruders Fritz am 17. Juni 2002 zog sich Ottmar aus der Öffentlichkeit zurück. Er schaffte es aus gesundheitlichen Gründen nur noch selten auf seinen Stammplatz auf der Tribüne. Horst Eckel (81), neben dem Kölner Linksaußen Hans Schäfer (85) der einzige noch lebende WM-Held von 1954, besuchte ihn regelmäßig. Doch die Besuche  stimmten Eckel zuletzt traurig. Ottmar Walter, von einer schweren Krankheit gezeichnet, erkannte seinen früheren Mannschaftskollegen  manchmal überhaupt nicht mehr. Am Sonntag ist er für immer eingeschlafen.